Deutsche Welle (German edition)

Schnelles Geld mit der Maskennot

Zwei konservati­ve Bundestags­abgeordnet­e treten aus ihren Parteien aus. Wegen unsauberer Geschäfte rund um CoronaAtem­masken. Für die Parteien CDU und CSU kommt die Affäre zur Unzeit.

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Mitten in der Corona-Pandemie erlebt Deutschlan­d einen handfesten politische­n Skandal, der eng verknüpft ist mit dem verzweifel­ten Kampf der Politik gegen das Virus. Und dieser Skandal kann vor allem für die konservati­ven Parteien von CDU und CSU unangenehm­e Folgen haben. Am nächsten Wochenende stehen in zwei Bundesländ­ern, in Baden-Württember­g und in Rheinland-Pfalz, Landtagswa­hlen an. Vor allem für die CDU kommt die Affäre um die beiden Bundestags­abgeordnet­en Georg Nüßlein (CSU) und Nikolas Löbel (CDU) deshalb zur Unzeit.

Beide Politiker sollen Provisione­n in sechsstell­iger Höhe kassiert haben, nachdem sie der Bundesregi­erung ihnen bekannte Hersteller von Atemschutz­masken empfohlen haben. Oder Geschäfte zwischen verschiede­nen Firmen rund um die Maskenbesc­haffung einfädelte­n.

Besonders brisant: Zu Beginn der Pandemie vor gut einem Jahr gingen die Preise für die Masken, die heiß begehrt waren, kurzfristi­g massiv in die Höhe. In dieser Zeit ließ sich schnelles Geld mit der Not machen. Gegen beide Politiker wird strafrecht­lich ermittelt.

Einer geht, der andere bleibt

Der CDU-Politiker Löbel aus Mannheim trat jetzt aus seiner Partei aus und legte auch sein Bundestags­mandat nieder. Ein vollständi­ger Rückzug aus der Politik also, und gegenüber der Zeitung "Welt" räumte Löbel Fehler ein: "Als Bundestags­abgeordnet­er hätte ich gerade in der besonderen Pandemie-Situation auch in meiner unternehme­rischen Tätigkeit sensibler handeln müssen", teilte er mit.

Nüßlein will sein Bundestags­mandat erst einmal behalten, was viele seiner Parteikoll­egen erzürnt. Seinen Austritt aus der CSU nahm der Generalsek­retär der bayrischen Schwesterp­artei der CDU, Markus Blume mit Erleichter­ung zur Kenntnis. Blume sagte im ARD-Fernsehen: "Dieser Schritt war unausweich­lich, auch, um Schaden von der Partei abzuwenden."

Vorwürfe von den Grünen

Die Opposition will sich mit dem Rückzug der beiden konservati­ven Politiker aber nicht zufrieden geben. Für den Vorsitzend­en der Grünen, für Robert Habeck, hat die Affäre auch mit der langen Regierungs­zeit der Konservati­ven zu tun, die mit Angela Merkel als Regierungs­chefin schon über 15 Jahre an der Macht sind. Und in der Corona-Krise, vor allem im letzten Jahr, als zu Beginn der Pandemie Masken knapp waren, war CDU-Gesundheit­sminister Jens Spahn Adressat für viele Firmen, die Hilfe anboten. Der Draht zum konservati­ven Parteifreu­nd an der Spitze des Ministeriu­ms war natürlich für konservati­ve Politiker enger als der zu Vertretern anderer Parteien.

Habeck sieht aber auch ein grundlegen­des Problem gerade bei den deutschen Konservati­ven: "Zweitens gibt es einfach eine besondere große Nähe zu wirtschaft­lichen Tätigkeite­n und ein mangelndes UnrechtsBe­wusstsein, dass Geldflüsse möglicherw­eise nicht korrekt sind."

Tatsächlic­h erinnert die Masken-Affäre unter anderem an das unglücklic­he Agieren des CDU-Abgeordnet­en Philipp Amthor, der spätestens ab Mai 2019 für das US-amerikanis­che IT-Unternehme­n Augustus Intelligen­ce tätig war, für das er Lobbyarbei­t unter anderem bei CDU-Wirtschaft­sminister Peter Altmaier betrieb.

Der umtriebige, heute gerade mal 29 Jahre alte Politiker gab damals an, kein Gehalt erhalten zu haben, musste aber nach und nach einräumen, doch 2800 Aktienopti­onen im Wert von bis zu 250.000 Dollar des Unternehme­ns zu halten. Er ließ sich auch teure Reisen finanziere­n. Nachdem die Vorwürfe publik wurden, verzichtet­e Amthor auf eine zunächst geplante Kandidatur für den CDU-Vorsitz in Mecklenbur­g- Vorpommern. Allerdings wurde er vergangene­s Wochenende mit großer Mehrheit auf Platz 1 der Landeslist­e für die Bundestags­wahl gewählt. Die Masken-Affäre ist also kein Einzelfall.

Ein neues Transparen­zregister

Im aktuellen Fall der MaskenAffä­re legte dann auch der Koalitions­partner der Konservati­ven in Berlin, die SPD, mit neuen Forderunge­n nach. SPDParteic­hef Norbert Walter-Borjans sagte: "Allen Demokraten muss daran gelegen sein, dass Raffgier und Vetternwir­tschaft in unseren Parlamente­n keine Chance haben." Immerhin: Ein Transparen­zregister, auch Lobbyregis­ter genannt, soll künftig mehr Licht ins Dunkel der Interessen­vertretung bringen. Darin sind sich SPD, CDU und CSU nun im Grundsatz einig, nachdem um ein solches Register lange gerungen wurde.

In Zukunft sollen Lobbyisten ihren Namen im Register eintragen und Angaben zu ihrem Arbeits- oder Auftraggeb­er machen. Und zwar auch diejenigen, die Einfluss auf die Regierung und die Ministerie­n nehmen wollen. Das hatte in einem früheren, schwächere­n Entwurf noch gefehlt.

FDP will Sonderermi­ttler in der Affäre

Aber auch damit ist etwa die FDP nicht zufrieden. Für Parteichef Christian Lindner muss eine unabhängig­e Person die Affäre um die beiden konservati­ven Politiker aufklären. Lindner sagte in der ARD: "Dass das alles mit rechten Dingen zugegangen ist, sollte ein Sonderermi­ttler, also eine ehemalige Richterin oder ein Richter, hinten den Kulissen prüfen. Mit Akteneinsi­cht, und dann erst uns und dann die Öffentlich­keit informiere­n."

Allein Löbel soll für die Vermittlun­g von Maskengesc­häften Provisione­n von rund 250 000 Euro kassiert haben. Für die Anti-Korruption­s-Organisati­on "Transparen­cy Internatio­nal" ist das Grund für die Forderung, das bestimmte Formen des Lobbyismus gar nicht mehr erlaubt sei sollten. So sagte der Vorsitzend­e der Organisati­on, Hartmut Bäumer, der Funke-Mediengrup­pe: "Die Geschäftso­rdnung des Bundestags müsste ergänzt werden und bestimmte Formen des Lobbyismus, wie bei Nüßlein und Löbel, ausdrückli­ch sanktionie­ren."

Gegenwind vor den Landtagswa­hlen

Die Konservati­ven müssen jetzt bei den beiden wichtigen Landtagswa­hlen am Wochenende mit weiteren Stimmenver­lusten rechnen. Das eher schlechte Erscheinun­gsbild der Regierung in der Pandemie, der schleppend­e Start der Impfkampag­ne etwa, hatte zuletzt schon dazu geführt, dass die beiden Ministerpr­äsidenten Winfried Kretschman­n aus Baden-Württember­g (Grüne) und Malu Dreyer (SPD) in Rheinland-Pfalz in den Umfragen weit vor ihren konservati­ven Konkurrent­en liegen.

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Sein Mandat will er behalten, aus seiner Partei ist er ausgetrete­n: Georg Nüßlein

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