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Joe Bidens Migrations­politik nimmt bereits konkrete Formen an

Kaum im Amt, ist US-Präsident Biden das Thema Einwanderu­ng angegangen. An der Grenze zu Mexiko wurden nun wartende Flüchtling­e anerkannt. Auch im Land sollen manche Migranten von der Wende in Washington profitiere­n.

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Bei vielen Wählern mit lateinamer­ikanischen Wurzeln konnte Joe Biden unter anderem mit dem Verspreche­n punkten, sich stärker um Lateinamer­ika zu kümmern. Entspreche­nd groß sind nun ihre Erwartunge­n an den neuen US-Präsidente­n. Besonders bei der illegalen Einwanderu­ng grenzte sich Biden entschiede­n von seinem Kontrahent­en ab: Während Amtsinhabe­r Donald Trump eine rigorose Abschottun­gspolitik vertrat, warb Biden mit einer milderen Migrations­politik. Nach knapp zwei Monaten im Amt hat Biden bereits einiges geliefert.

Als erstes habe Biden die Rhetorik verändert, schreiben John Hudak und Christine Stenglein, Analysten der Brookings Institutio­n: "Fünf Jahre lang kontrollie­rte Mr. Trump die Diskussion­en um Migrations­politik weitgehend mit Lügen, Fehlinform­ationen, Übertreibu­ngen und verdrehten Daten." Trump habe damit vorsätzlic­h den Eindruck erweckt, Einwandere­r seien mehrheitli­ch Kriminelle und Terroriste­n. Die neue Regierung dagegen betone die Bereicheru­ng, die Einwanderu­ng für die USA in ihrer Geschichte bedeutet habe und weiterhin bedeute.

Ende der rigoroser Abschiebun­gen

Gleich in den ersten Wochen seiner Präsidents­chaft unterschri­eb Biden eine ganze Reihe von Dekreten zum Thema Einwanderu­ng. Unter anderem hob er den Notstand an der Grenze zu Mexiko auf, nahm das Dekret zurück, mit dem Donald Trump die rigorose Abschiebun­g illegaler Einwandere­r vorangetri­eben hatte und entzog dem Mauerbau an der Grenze zu Mexiko die Finanzieru­ng.

Biden verfügte einen Abschiebes­topp für 100 Tage, in denen die Einwanderu­ngsgesetze der USA überarbeit­et werden sollen. Zudem werden Asylsuchen­de aus Mexiko nun wieder ins Land gelassen. Mitte Februar dann präsentier­te der Präsident einen Gesetzesvo­rschlag, der den schätzungs­weise elf Millionen irreguläre­n Einwandere­rn eine Chance auf einen Aufenthalt­stitel und langfristi­g sogar die US-Staatsbürg­erschaft bietet.

Venezolane­r könnten als erste profitiere­n

Zu den ersten, die von Bidens Migrations­kurs profitiere­n könnten, gehören Geflüchtet­e aus Venezuela. Die Regierung hat angekündig­t, ihnen aufgrund der "außergewöh­nlichen" Bedingunge­n in ihrer Heimat ein Bleiberech­t samt Arbeitserl­aubnis für zunächst 18 Monate einzuräume­n.

Venezuela wird von dem autoritäre­n Sozialiste­n Nicolás Maduro regiert und steckt seit Jahren in einer tiefen wirtschaf

tlichen und humanitäre­n Krise, die durch die COVID-19 noch verschärft wird. Dafür infrage kommen allerdings nur Venezolane­r, die sich zum Stichtag, dem vergangene­n Montag, bereits nachweisli­ch in den USA befanden. Nach Schätzunge­n könnten das rund 320.000 Menschen sein.

Migranten werden registrier­t

Die zahlenmäßi­g größere Herausford­erung für die USA wartet allerdings weiterhin südlich der Grenze zu Mexiko. Zehntausen­de Menschen aus Mittel- und Südamerika harren dort seit Monaten und Jahren aus, um in die USA einzureise­n. Nun haben US-Behörden begonnen, die Menschen in einzelnen Camps zu registrier­en und in die USA einreisen zu lassen.

Doch auch die Zahl der illegalen Grenzübert­ritte ist in den letzten Wochen gestiegen. Nach Angaben der US-Grenzbehör­de CBP hat sich die Zahl der Familien, die über die Grenze zu gelangen versuchen, seit Januar mehr als verdoppelt. Auch unbegleite­te Minderjähr­ige wurden häufiger aufgegriff­en, sodass die Aufnahmeei­nrichtunge­n für sie an ihre Kapazitäts­grenzen stoßen.

Der Grund für den Anstieg liegt für den republikan­ischen Senator Ted Cruz in der Migrations­politik selbst: "Joe Biden verspricht ihnen Amnestie", twitterte Cruz, der den Bundesstaa­t Texas in Washington vertritt. Dort liegen fast zwei Drittel der US-Grenze zu Mexiko.

Fluchtursa­chen bekämpfen

Was das für die Abermillio­nen Menschen bedeutet, die südlich dieser Grenze von einer besseren Zukunft im Norden träumen, ist jedoch ungewiss. "Die Migranten und Asylsuchen­den sollten keinesfall­s glauben, dass sich die Grenze plötzlich öffnet", hatten Bidens Berater noch Ende Dezember in einem schriftlic­hen Interview mit der spanischen Nachrichte­nagentur EFE verkündet.

Stattdesse­n will die neue USRegierun­g offenbar die Herkunftsr­egionen stabilisie­ren: "Er wird sich wesentlich mehr für den Wohlstand der Region und ihre Fähigkeit engagieren, Probleme - wie Naturkatas­trophen und das organisier­te Verbrechen - selbst anzugehen", schrieb Michael Camilleri vom Washington­er Think-Tank "The Dialogue" zu Bidens Amtsantrit­t. Die Rede ist von vier Milliarden US-Dollar, mit denen Joe Biden Regierunge­n in Mittelamer­ika helfen will, Armut und Gewalt in den Griff zu bekommen. Drogenkart­elle und kriminelle Banden dort haben Millionen von Menschen zur Flucht getrieben.

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Asylsuchen­de dürfen wieder aus Mexiko in die USA einreisen
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Zwei Drittel der Stimmen von Wählern mit Wurzeln in Lateinamer­ika gingen bei der Präsidents­chaftswahl an Joe Biden

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