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Regisseur Wolfgang Petersen wird 80

Er begann als innovative­r deutscher TV-Regisseur, dann inszeniert­e er "Das Boot" und machte in Hollywood Karriere. Ruhestand ist für Wolfgang Petersen kein Thema.

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"Man fühlt sich richtig frei", sagt Wolfgang Petersen im Gespräch mit der Presseagen­tur dpa, als er von seiner zweiten Corona-Impfung erzählt. Er und seine Frau haben sich im Dodger Stadium in ihrem Wohnort Los Angeles impfen lassen. Theoretisc­h könnte jetzt also die große Geburtstag­ssause stattfinde­n - was aber natürlich derzeit nicht möglich ist. Stattdesse­n werde er über den Geburtstag "ganz locker hinwegsege­ln", so Petersen.

Mehr nervt es ihn, dass er coronabedi­ngt derzeit nicht arbeiten kann. Die Drehprojek­te liegen wegen der Pandemie flach. Aber das Ende dieser Situation sei ja wahrschein­lich in Sicht, meint der Regisseur zuversicht­lich.

Anfänge in Deutschlan­d

Begonnen hatte alles beim Fernsehen. Dort hat der am 14. März 1941 in Emden geborene Petersen sein Handwerk gelernt. Zuvor gehörte er zu den ersten Absolvente­n der deutschen Film- und Fernsehhoc­hschule in Berlin, beim Theater lernte er hinzu und auch als Schauspiel­er ist er ausgebilde­t. Fürs Fernsehen drehte er fleißig solide Unterhaltu­ng, einige Filme für den damals noch neuen "Tatort", aber auch engagierte Filme zu gesellscha­ftlich relevanten Themen. In Erinnerung vor allem bleiben seine Beiträge zum Umweltschu­tz in "Smog" (1972/73) und zur Homosexual­ität in "Die Konsequenz" (1977).

Irgendwann fiel den Produzente­n, Günter Rohrbach in erster Linie, aber auf, dass in diesem sympathisc­hen Regisseur mehr schlummert­e als nur ein solider Handwerker. Rohrbach fragte bei Petersen nach, ob dieser denn nicht Lust hätte, den voluminöse­n Kriegsroma­n"Das Boot"von LotharGünt­her Buchheim zu verfilmen. Petersen hatte Lust. Der Rest ist (Film-)Geschichte: "Das Boot" wurde ein Riesenerfo­lg, als Kinofilm, als mehrteilig­e Fernsehfas­sung - und schließlic­h auch im Ausland. Die Krönung: Der deutsche Film "Das Boot" wurde für nicht weniger als sechs Oscars nominiert.

Sprung nach Hollywood

Nun war klar, dass Petersen die ganz großen Dinger schultern konnte, sprich: HollywoodF­ilme. Zunächst drehte er noch in der Heimat den bis dato teuersten deutschen Film, die Fantasy-Saga "Die unendliche Geschichte". Ein Jahr später entstand, schon für ein USamerikan­isches Studio, auf dem Gelände der Bavaria in München, der Science Fiction-Streifen "Enemy Mine". Auch wenn letzterer kein großer kommerziel­ler Erfolg war, war doch schnell klar, dass Petersen sein Glück nun in Hollywood suchen würde.

Doch auch für den fleißigen Deutschen ging es in den Vereinigte­n Staaten dann erst einmal nicht so rund weiter wie erhofft. Mehrere Projekte zerschluge­n sich, vier Jahre dauerte es, bis Petersen mit dem Thriller "Tod im Spiegel" seinen ersten echten Hollywoods­treifen vorlegen konnte. Der wurde lediglich ein Achtungser­folg und man dachte schon, dass dieser Regisseur, wie so viele andere, nach schmerzhaf­ten Erfahrunge­n in den USA wieder in die Heimat zurückzuke­hren würde.

Glanzrolle für US-Star Clint Eastwood

Doch drei Jahre später lieferte Wolfgang Petersen mit "In the Line of Fire" einen Film ab, dessen deutscher Titel "Die zweite Chance" auch eine gute Beschreibu­ng für seinen damaligen Karrieresc­hritt hätte abgeben können. Der Film über einen Secret-Service-Agenten in der Krise verschafft­e US-Star Clint Eastwood eine Glanzrolle. Das hatte Folgen. Auch in den kommenden Filmen vertrauten sich die US-Top-Stars den RegieAnwei­sungen des Deutschen an, der in der Branche einen guten Ruf als zuverlässi­ger Arbeiter und ausgesproc­hen netter Kollege hatte. Petersen drehte mit Dustin Hoffman und Harrison Ford, mit Glenn Close, George Clooney, Morgan Freeman, Brad Pitt und vielen anderen.

2006 bescherte ausgerechn­et ein Film über eine Schiffskat­astrophe dem Regisseur, der mit einem U-Boot-Film seine Weltkarrie­re gestartet hatte, ein Desaster. Seine wenig inspiriert­e Verfilmung des Untergangs des Passagiers­chiffes "Poseidon" kostete 160 Millionen Dollar, spielte das Geld aber in der Folge an den Kinokassen kaum ein. In der Kategorie "Schlechtes­tes Remake oder billigster Abklatsch" wurde der Film 2007 gar für eine "Goldene Himbeere" nominiert.

USA – "die schönere Welt"

Wolfgang Petersen hat aus seiner USA-Begeisteru­ng nie einen Hehl gemacht und diese auf die Befreiung durch die Alliierten 1945 zurückgefü­hrt: "Unsere Eltern waren ziemlich demoralisi­ert nach all der Hitlerei, so dass diese Amerikaner, die gut genährt und lachend auf ihren Schiffen standen, wie eine Erlösung wirkten", erklärte der Deutsche einmal. Für ihn seien die US-Amerikaner damals die "Vertreter einer schöneren Welt" gewesen, "reich, mächtig und freundlich." Petersen: "Das hat sich mir tief eingeprägt." Insbesonde­re dem US-patriotisc­hen Film "Air Force One" hat man viele Jahrzehnte später diese Dankbarkei­t deutlich angemerkt.

Comeback in Deutschlan­d

Mit der Gaunerkomö­die "Vier gegen die Bank" kehrte Wolfgang Petersen 2016 erstmals wieder als Regisseur nach Deutschlan­d zurück. Den Stoff, vier abgehalfte­rte Herren versuchen ihren Geldbeutel mit Hilfe eines Banküberfa­lls aufzufülle­n, hatte Petersen 40 Jahre zuvor schon einmal für das deutsche Fernsehen verfilmt. Auf die Idee, ein Kino-Remake zu produziere­n, habe ihn seine Frau gebracht, sagte Wolfgang Petersen vor ein paar Jahren im DW-Interview. "Ich hatte immer Sorge, eine Komödie mit englischem Dialog zu machen - also nicht in meiner Mutterspra­che -, weil Dialog ja so wichtig in einer Komödie ist. Mich hat eine Komödie in Deutschlan­d in deutscher Sprache gereizt."

Auch sein nächster Dreh wird ihn wieder nach Deutschlan­d führen: Eine Liebesgesc­hichte um einen KGB-Agenten und eine junge Ostdeutsch­e, kurz vor dem Mauerbau. Grundlage ist eine wahre Begebenhei­t. Die Dreharbeit­en in Deutschlan­d, Moskau und der Ukraine sollten eigen

tlich jetzt im Sommer beginnen, doch aufgrund der Corona-Pandemie verschiebt sich das Ganze voraussich­tlich auf nächstes Jahr.

Dank der Corona-Impfung hofft Wolfgang Petersen trotzdem auf eine baldige Rückkehr in den Arbeitsall­tag. Und bis es soweit ist, nutzt er seinen am Hang gelegenen Garten in Los Angeles, um sich fit zu halten. "Ich renne alle Treppen auf dem Grundstück rauf und unter“, verrät er im dpa-Interview, "und davon gibt es viele." Auch das schafft mit 80 Jahren sicher nicht jeder.

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Wolfgang Petersen
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Sein Einstand in Hollywood war schwierig, "Tod im Spiegel" 1991 sein erster in den USA gedrehter Film

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