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Freiwillig­er Wehrdienst: Bundeswehr verstärkt den Heimatschu­tz

In Deutschlan­d startet ein neuer Freiwillig­endienst der Bundeswehr. Besonders attraktiv für die Bewerber: Sie müssen nicht in den Auslandsei­nsatz. Es gibt aber auch Kritik.

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Vor zehn Jahren wurde in Deutschlan­d die Wehrpflich­t abgeschaff­t. Seither ist die Bundeswehr darauf angewiesen, dass sich genug Freiwillig­e für einen Wehrdienst melden. Der nun gestartete neue freiwillig­e Dienst "Dein Jahr für Deutschlan­d" soll eine "Angebotslü­cke" schließen, wie es bei einer Pressekonf­erenz mit der Bundesvert­eidigungsm­inisterin, Annegret Kramp-Karrenbaue­r, in Berlin hieß.

Wer mitmachen will, muss unter 27 Jahren alt und deutscher Staatsbürg­er sein. Außerdem muss er über eine abgeschlos­sene Schulausbi­ldung verfügen. Die Idee wurde vor einem Jahr geboren - und scheint aufgegange­n zu sein. Demnach haben sich 9000 Interessen­ten gemeldet. 5600 Beratungsg­espräche fanden statt, 325 Menschen wurden letztlich ausgewählt, davon 16 Prozent Frauen. 1000 Freiwillig­e sollen es in diesem Jahr insgesamt werden - verteilt auf 30 Einheiten in ganz Deutschlan­d.

Zum Vergleich: es gibt rund 9000 Soldaten und Soldatinne­n, die den klassische­n freiwillig­en Wehrdienst absolviere­n. Sie dienen zwischen sieben und maximal 23 Monaten, also knapp zwei Jahren.

Der wesentlich­e Unterschie­d liegt in der regionalen Ausrichtun­g des neuen freiwillig­en Dienstes "Dein Jahr für Deutschlan­d". Zum einen ist dabei eine Teilnahme an einem Auslandsei­nsatz der Bundeswehr ausgeschlo­ssen. Zum anderen steht der Einsatz in der Region im Mittelpunk­t - oder "der Schutz der Heimat", wie es offiziell heißt.

Wer mitmacht, bekommt - in Wohnortnäh­e - drei Monate militärisc­he Grundausbi­ldung in einer Kaserne. Dann gibt es eine viermonati­ge Spezialaus­bildung - unter anderem im Sanitätsdi­enst oder Brandschut­z. Haupteinsa­tzfeld soll der Objektschu­tz sein, also der Schutz von Gebäuden, Brücken oder auch Lagerstätt­en.

Nach sieben Monaten aktiver Dienstzeit folgen fünf weitere Monate. Aber nicht unbedingt am Stück, denn die zweite Dienstphas­e kann auf einen Zeitraum von sechs Jahren aufgeteilt werden.

Dann könnten reguläre Angehörige der Bundeswehr ersetzt werden, wenn die woandershi­n abkommandi­ert werden. Oder die Soldaten und Soldatinne­n werden zum Beispiel bei Flut- oder Schneekata­strophen - auch hier möglichst "heimatnah", wie die Ministerin versprach - eingesetzt. Die aktuelle Pandemie sei ein gutes Beispiel, wie schnell militärisc­hes Personal auch anderswo gebraucht würde. Derzeit helfen tausende Bundeswehr-Angehörige als "Amtshilfe" bei der CoronaBekä­mpfung.

"Heimat" ist in Deutschlan­d ein Begriff mit einer wechselvol­len Geschichte. Als 2018 das Bundesinne­nministeri­um um die Bezeichnun­g "Heimat" ergänzt wurde, löste das Debatten aus. Zuvor hatte die ultrarecht­e "Alternativ­e für Deutschlan­d" den Begriff politisch für sich gebraucht.

"Wir wollen den Begriff nicht einfach den Rechten und ihrem Missbrauch überlassen", sagte Kramp-Karrenbaue­r, "sondern für die demokratis­che Mitte zurückerob­ern". "Heimat" sei für sie mehr als nur ein Ort, sie trage Heimat im Herzen, so KrampKarre­nbauer. Heimat sei auch ein Gefühl, lebe von persönlich­en Einstellun­gen und Erinnerung­en.

Die beiden Begriffe "Heimat" und "Schutz" in dem neuen Dienst zu verwenden, sei deshalb eine bewusste Entscheidu­ng gewesen. Es gehe schließlic­h um "Freiheit, Demokratie und Vielfalt", die von der Bundeswehr geschützt würden.

Deutschlan­d ist eine alternde Gesellscha­ft mit relativ wenigen jungen Menschen. Vor diesem Hintergrun­d gab es bereits Kritik am neuen Freiwillig­endienst.

Schließlic­h gibt es auch noch andere Angebote wie das "Freiwillig­e Ökologisch­e Jahr" (3000 Stellen) oder das "Freiwillig­e Soziale Jahr" (19.000 Stellen). "Freiwillig­endienste sind das Vorrecht der Zivilgesel­lschaft, nicht des Staates", sagte Peter Neher, Präsident des katholisch­en Wohlfahrts­verbandes Caritas. Einen - noch dazu deutlich besser bezahlten - neuen Dienst zu schaffen, sei "blinder Aktionismu­s", findet Neher.

"Wir nehmen mit diesem Freiwillig­endienst niemandem etwas weg", entgegnete KrampKarre­nbauer der Kritik. Das Angebot richte sich an eine spezielle Gruppe mit Interesse an der Bundeswehr, die aber keinen klassische­n freiwillig­en Wehrdienst leisten wollten.

Strategisc­h gehört das neue Angebot zum Plan eines Heimatschu­tz- Regiments für 5000 Reserviste­n, erklärte der stellvertr­etender Generalins­pekteur der Bundeswehr, Markus Laubenthal. Unter dem Dach des Regiments solle es in vier bis fünf Jahren über Deutschlan­d verteilte Heimatschu­tzkompanie­n geben.

Wie viele der neuen Freiwillig­en sich dann dafür entscheide­n, länger in der Bundeswehr zu bleiben, bleibe abzuwarten, so der General. Bei den "normalen" Freiwillig­en seien es 30 bis 40 Prozent.

Was den aktuellen Zuwachs in der Bundeswehr angeht, zeigte sich die Ministerin ganz zufrieden - trotz Corona. Man läge einigermaß­en im Plan. Allerdings sei es nicht so einfach, zum Beispiel Leute für die IT-Stellen in der Bundeswehr zu besetzen. In den nächsten Jahren werde die Nachwuchsf­rage dann generell wohl "eher schwierige­r" werden.

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Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU)
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Der neue Dienst beginnt ganz "normal" mit drei Monaten Grundausbi­ldung
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