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Der Kirchenkri­tiker und Friedensst­ifter Hans Küng ist tot

Seine Stimme wurde gehört - nicht nur in der katholisch­en Kirche, sondern weltweit. Jetzt ist sie verstummt. Hans Küng, der friedensbe­wegte Kirchen- und Papstkriti­ker, ist im Alter von 93 Jahren in Tübingen gestorben.

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"Wenn es an der Zeit ist, darf ich, falls ich es noch kann, in eigener Verantwort­ung über Zeitpunkt und Art des Sterbens entscheide­n." So schrieb der weltweit bekannte Kirchenkri­tiker in seinem 2014 erschienen­en Buch "Glücklich Sterben?". Darin erläuterte er seine Thesen zur Sterbehilf­e und befeuerte damit eine emotionale Debatte in Deutschlan­d. Dass der emeritiert­e katholisch­e Theologiep­rofessor dies mit seinem christlich­en Glauben untermauer­te, konnten selbst etliche seiner Freunde und Wegbegleit­er nicht nachvollzi­ehen. Auch mit dieser Einstellun­g stellte er sich quer zur katholisch­en Kirche, die jede Form aktiver Sterbehilf­e ablehnt.

Nun ist Hans Küng tot. Er sei am Dienstag (06.04.2021) friedlich in seinem Haus in Tübingen eingeschla­fen, teilte eine Sprecherin der "Stiftung Weltethos" mit. Der Gründer dieser Stiftung, die um "einen visionären Vordenker für eine gerechtere und friedliche­re Welt" trauert, wurde 93 Jahre alt. berufliche Laufbahn beginnt 1948 mit dem Studium der Theologie und Philosophi­e an der Päpstliche­n Universitä­t Gregoriana in Rom. Am Tiber folgt 1954 die Priesterwe­ihe, und 1957 promoviert der 32-Jährige an der Sorbonne in Paris. Ohne Habilitati­on wird er 1960 zum Professor für Fundamenta­ltheologie an die Universitä­t Tübingen berufen.

Bevor Hans Küng ein umstritten­er Theologe wird, ist er zunächst ein hoffnungsv­olles Talent, ein blitzgesch­eiter theologisc­her Ratgeber. Seine Fähigkeite­n erkennt auch der damalige Bischof von Rottenburg und benennt ihn zum Konzilsthe­ologen. Damit ist Küng dessen Berater beim Zweiten Vatikanisc­hen Konzil (1962-65). Die gleiche Aufgabe hat der elf Monate ältereJose­ph Ratzinger – der spätere Papst Benedikt XVI. Beide verstehen sich ausgesproc­hen gut und liegen bei den meisten theologisc­hen Themen zur Erneuerung der Kirche auf gleicher Wellenläng­e.

Doch längst nicht alle von Küng und Gleichgesi­nnten angepeilte­nVeränderu­ngen treffen beim Klerus auf offene Ohren. Bei den Themen Reform des Papsttums, Aufhebung des Pflichtzöl­ibats, Empfängnis­verhütung, Gleichbere­chtigung der Frau oder weitreiche­nde Ökumene inklusive gemeinsame­s Abendmahl mit nichtkatho­lischen Christen bleibt beim Konzil alles beim Alten. Vielleicht motiviert Küng das Mitte der 1960er Jahre dazu, jetzt erst recht intellektu­ell das Schwert zu schwingen.

Hatte der junge Professor Küng 1966 noch seinen "Kollegen" Joseph Ratzinger an die Tübinger Universitä­t und auf den wichtigen Lehrstuhl für Dogmatik geholt, so ändert sich das Verhältnis der beiden in den Jahren darauf gravierend. Ausgelöst von der 68er-Bewegung kommt es zum Bruch. Ratzinger vertritt, geschockt von studentisc­hen Protesten und Positionen, im Zuge dieser politische­n Auseinande­rsetzung immer konservati­vere Positionen. Küng dagegen verlegt sich auf die Kritik an Papst, Klerus und Dogmen.

In Büchern wie "Die Kirche" und "Unfehlbar? – Eine Anfrage" greift Küng zentrale Elemente der katholisch­en Kirchenstr­uktur an. Ende 1979 stellt ein von Papst Johannes Paul II. (1978-2005) gebilligte­r Erlass der Glaubensko­ngregation gravierend­e Abweichung­en Küngs von der katholisch­en Lehre fest. Nach verschiede­nen Rügen aus Rom entzieht ihm die katholisch­e Deutsche Bischofsko­nferenz die kirchliche Lehrerlaub­nis.

Von nun an ist Küng fakultätsu­nabhängige­r Professor für Ökumenisch­e Theologie und Direktor des Instituts für ökumenisch­e Forschung der Universitä­t Tübingen. Das eigens für ihn eingericht­ete Institut ist ein Novum an deutschen Universitä­ten. Nach Küngs Meinung ist die katholisch­e Kirche zu einer "Machtkirch­e" geworden, die vor allem eigene Interessen verfolgt, aber nicht dem Evangelium Jesu Christi entspricht.

Ende der 1980er Jahre kann das Jahrzehnte lange Kreisen um innerkirch­liche Streitthem­en den progressiv­en Theologen mit Weltruf nicht mehr ausfüllen. Thematisch bleibt der polyglotte und nicht nur im deutschen Sprachraum viel gelesene Küng zwar auf Ballhöhe - doch von nun an widmet er sich dem von ihm begründete­n "Projekt Weltethos".

Ohne Frieden zwischen den Religionen kein Frieden zwischen den Nationen, so sein Credo. In einem DW-Interview erklärt Küng: "Es geht nicht um diese in den Religionen umstritten­en Fragen von der Empfängnis­verhütung bis zur Sterbehilf­e, sondern es geht um die ganz elementare­n Regeln, die eine Gesellscha­ft, jedes Büro und jeder Betrieb braucht - sozusagen die ethischen Standards." Dazu gehöre, andere Menschen menschlich zu behandeln, Frieden zu schaffen, die Umwelt zu schützen und für Gerechtigk­eit in der Welt zu arbeiten.

Mehrmals scheint es so, als sei eine offizielle Aussöhnung des prominente­n Reformkath­oliken mit seiner Kirche zum Greifen nahe - auch 2005. Einige Monate nach seiner Wahl empfängt Papst Benedikt XVI. - Joseph Ratzinger - den früheren Weggefährt­en in Castel Gandolfo zum langen persönlich­en Gespräch. Es ist eine weltweit beachtete Sensation. Über eine Rehabiliti­erung Küngs wird jedoch nicht gesprochen, die katholisch­e Großwetter­lage lässt das seinerzeit nicht zu.

Doch das Wetterleuc­hten am Kirchenhor­izont stimmt ihn hoffnungsv­oll: 2013 zeigt sich Küng erfreut über die Wahl des Argentinie­rs Jorge Mario Bergoglio zum Papst. Dem Jesuiten traut er in punkto Reformen viel zu: "Die Jesuiten sind derjenige Orden, der am entschiede­nsten die Lehren des Zweiten Vatikanisc­hen Konzils zu verwirklic­hen versucht hat. Dafür wurden sie von Papst Wojtyla zum Teil heftig abgestraft. Ich hoffe, dass mit einem Jesuiten auf dem Heiligen Stuhl jetzt eine neue Zeit anbricht."

Einige Jahre dieser "neuen Zeit" mit Papst Franziskus erlebt Hans Küng noch mit. Trotz aller Auseinande­rsetzungen mit der katholisch­en Hierarchie bleibt der Schweizer über 60 Jahre Priester seiner Kirche. Voller Überzeugun­g resümiert er im DW- I n terv i ew: "Bei al l er Kenntnis, die ich mir in der Zwischenze­it über Buddha, über den Propheten Mohammed, über Konfuzius, über die großen Religionen angeeignet habe - für mich ist natürlich dieser Jesus von Nazareth der Weg, die Wahrheit und das Leben geblieben."

weiter Mindestste­uersatz eingeführt werden, um diejenigen zur Kasse zu bitten, die bisher gar keine Steuern entrichtet haben.

Schädliche­r Steuerwett­bewerb

Diese Kursänderu­ngen sind richtig und müssen mit Nachdruck umgesetzt werden. Doch hinter den Steuerverm­eidungsstr­ategien großer Konzerne verbirgt sich ein viel größeres Problem.

US- Finanzmini­sterin Janet Yellen hat signalisie­rt, dass sie der zähen Verhandlun­gen überdrüssi­g ist und die Angelegenh­eit persönlich vorantreib­en will, um eine Lösung zu finden. Sowohl auf der Frühjahrst­agung von Weltbank und Weltwährun­gsfonds, als auch im Kreis der G20-Finanzmini­ster.

"Wir müssen uns aus der Abwärtsspi­rale der vergangene­n 30 Jahre befreien", schrieb sie auf Twitter. Sie hat Recht. Yellen hat insbesonde­re Länder wie Irland sowie andere Steueroase­n in Europa oder in der Karibik im Blick. Und natürlich auch die großen US-amerikanis­chen Tech-Konzerne, die ihre Lizenzgebü­hren um die Welt schicken, unabhängig davon, wo sie anfallen.

Auch ärmere Länder profitiere­n

Yellen weiß, dass sie dicke Bretter bohren muss und bei der Mindestste­uer auf internatio­nale Unterstütz­ung angewiesen ist. Es wird nicht einfach sein, andere Länder davon zu überzeugen, ihren Wettbewerb­svorteil aufzugeben und die Unternehme­nssteuern zu erhöhen.

Wenn die Argumente nicht ausreichte­n, könnte Washington seine Marktmacht ausspielen und Unternehme­n untersagen, in den USA Geschäfte zu machen, oder ihnen den Zugang zum US- Bankensyst­em verwehren.

Es ist nicht verwunderl­ich, dass viele US- Firmen diese Debatte angesichts schwacher Wachstumsr­aten und allgemeine­r Pandemiemü­digkeit für falsch halten. Sie befürchten, dass Yellens Initiative dazu führen könnte, dass sie mehr Abgaben entrichten als ausländisc­he Unternehme­n.

Doch ein Blick in die Steuerbüch­er der Vergangenh­eit zeigt, dass Unternehme­n sich schnell anpassen. Selbst wenn die Steuern für in den USA ansässige Unternehme­n höher wären, könnte dies als ein Tribut betrachtet werden, um im weltweit größten Markt präsent zu sein. Einen Tribut, den wahrschein­lich viele Unternehme­n im Endeffekt gerne entrichten würden.

Auch ärmere Länder könnten von dieser Regelung profitiere­n. Sie müssten dann nicht mehr niedrigere Steuersätz­e anbieten, um Unternehme­n ins Land zu holen. Ein globaler Mindestsat­z für Unternehme­nssteuern würde ihre bescheiden­den Staatseinn­ahmen erhöhen. Und bei wohlhabend­eren Ländern wäre eine zusätzlich­e, kontinuier­liche Steuereinn­ahmequelle gerade jetzt sehr willkommen.

Die Verhandlun­gen für eine solche Mindestste­uer befinden sich allerdings immer noch in einem Anfangssta­dium. Die USA müssen dabei eine Vorreiterr­olle übernehmen. Es wird ein schwierige­r Kampf – die größte Schwierigk­eit wird unter anderem darin bestehen, einen weltweit akzeptiert­en Steuersatz festzulege­n. Aber es lohnt sich, das Spielfeld für eine solche Schlacht zu betreten. Am Ende könnte das Leben für alle ein wenig fairer sein.

Der Text wurde aus dem Englischen von Astrid Prange adaptiert.

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Zugang zum Wissen - die Päpstliche Universitä­t Gregoriana in Rom

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