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Ostern: Hochkonjun­ktur für Corona-Testzentre­n

Während Deutschlan­d über die Osterfeier­tage überwiegen­d in den Ruhemodus fährt, fahren die Corona-Testzentre­n hoch. Marco Müller hat ein Testzentru­m über die Feiertage besucht.

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"Die Tochter will noch nicht so richtig. Sie hat ein bisschen Angst. Sie hat es in der Schule gemacht und fand es ein bisschen unangenehm", sagt Jutta Pils. Zusammen mit ihrem Mann André, Sohn Steffen und Tochter Carolin macht sie am Ostersonnt­ag einen Ausflug zu einem Corona-Testzentru­m in Soest, einer 50.000-Einwohner-Stadt in Nordrhein-Westfalen östlich der Industrier­egion Ruhrgebiet. Familie Pils möchte sich testen lassen, "weil wir gerne heute Nachmittag mit unserer Familie, morgen mit der anderen Familie, feiern und uns ein bisschen sicherer fühlen wollen". Mit dem

Wunsch ist die vierköpfig­e Familie nicht allein.

Das Testzentru­m verzeichne­t einen exponentie­llen Anstieg an Testwillig­en. "Vor zwei Monaten, als wir gerade angefangen haben mit unserem Testzentru­m, da kamen fünf, sechs Leute, die einen Schnelltes­t machen lassen wollten", erinnert sich Paul Grüneberg, der unter anderem für die IT des Testzentru­ms verantwort­lich ist und sich als "Mädchen für alles" bezeichnet. Mittlerwei­le hätten über 3500 Personen über ganz

Ostern Testtermin­e gebucht.

Der Test-Boom

Wenn Paul Grüneberg spricht, könnte man glatt den Eindruck gewinnen, er sei Abteilungs­leiter eines großen Unternehme­ns. Man habe "wahnsinnig Personal aufgestock­t" und man habe Sorge, dass durch die hohe Nachfrage an Terminen über die Webseite die "Grundstabi­lität des Systems gefährdet" sei. Dabei ist Paul Grüneberg 16 Jahre alt und Schüler - und derzeit auch Manager. Das Testzentru­m ist in dem Vereinshei­m der örtlichen Pfadfinder untergebra­cht.

Der Geschäftsf­ührer des Testzentru­ms ist Ralf Wischnewsk­i. Eigentlich ist er Berufsfeue­rwehrmann, Notfallsee­lsorger, Notfallsan­itäter und Fachdozent für Notfallmed­izin. So steht es auf seiner Internetse­ite.

Er bildet in dem Bereich auch junge Leute aus und lernte so Paul Grüneberg kennen, mit dem er heute das Corona-Testzentru­m Soest am Laufen hält. Und nicht nur das. Er betreibt noch drei weitere Testzentre­n in der Region, betreut Kindergärt­en und Schulen und: "Daneben betreuen wir noch andere Einrichtun­gen, wie Unternehme­n, die auf uns zukommen, die von der Bürgertest­ung nicht erfasst werden, die wir dann auf Kosten der Firmen vor Ort auch testen."

Gerade haben sie noch ein Zelt angeschaff­t, um mobil viele Leute testen zu können. "Wir haben 35 Arbeitsplä­tze, davon knapp die Hälfte in Vollzeit, geschaffen", ergänzt Ralf Wischnewsk­i. Es scheint, als seien die Menschen aktuell ganz heiß auf das Testen. Aber das ist von der Politik auch durchaus gewünscht. So lange noch nicht ausreichen­d Menschen geimpft werden können, sollen sie sich zumindest regelmäßig testen lassen können. Einmal pro Woche darf sich jeder kostenlos testen lassen. Die 18 Euro, die pro Test veranschla­gt werden, zahlt in diesem Fall das Bundesland Nordrhein-Westfalen.

Das Testen läuft - das Impfen stockt

Offenbar sind aber nicht alle ganz wild aufs Testen. Carolin ist die einzige aus der Familie Pils, die nicht getestet werden möchte. Ihr Bruder Steffen verzieht zwar das Gesicht, lässt die Prozedur bei der das Stäbchen tief in die Nase geschoben wird, aber ruhig über sich ergehen. Carolin hat eigentlich keine Lust. Aber da zaubern die Mitarbeite­r des Testzentru­ms noch einen Lutschtest hervor. Damit lässt sich auch Carolin überzeugen.

Nach wenigen Minuten ist Familie Pils getestet - und wieder draußen. So muss das auch sein. Schließlic­h werden die Termine im Fünf-Minuten-Takt vergeben.

"Wenn das jetzt mit dem Impfen endlich voran gehen würde, wäre mir das lieber", sagt Michael Schnigge, als er das Testzentru­m verlässt. Der selbständi­ge Kfz-Sachverstä­ndige ist 61 Jahre alt und gehört damit zu der Gruppe der über 60-Jährigen, die sich seit Samstag für eine Impfung mit dem Impfstoff von AstraZenec­a registrier­en könnten - zumindest theoretisc­h. "Das war gestern eine Katastroph­e hier in Soest", sagt Michael Schnigge. Zunächst habe er es online versucht, dann telefonisc­h. "Ich habe fast den ganzen Tag am Telefon gehangen. Da war ständig besetzt. Um 17 Uhr habe ich endlich mal die Warteschle­ife erreicht. Und nach 35 Minuten Warteschle­ife sagte man mir dann: Termine alle ausgebucht."

Mit seiner Unzufriede­nheit was das Impfen angeht, ist er nicht alleine. Die Kritik an Deutschlan­ds Impf-Strategie ist groß, da im ersten Quartal aufgrund der Impfstoff-Knappheit lediglich etwa zehn Prozent der Bevölkerun­g gegen das Coronaviru­s geimpft worden sind. Das Testen hingegen läuft wie am Fließband.

"Das ist ein sehr schönes Osterfest"

Während Michael Schnigge seiner Enttäuschu­ng über das Impf-Chaos Luft macht, zeigt sich Familie Kordt bei einem Besuch erleichter­t. Die letzten drei Wochen waren für die vierköpfig­e Familie ein Albtraum.

"Ich habe mich vor gut drei Wochen abends mit einem Freund getroffen, der morgens noch einen Schnelltes­t gemacht hatte", erzählt Christoph Kordt. "Daraufhin haben wir uns abends nach vielen Monaten getroffen und einige Stunden miteinande­r verbracht." Kurze Zeit später wurde der Freund allerdings positiv getestet. Ein Test ist eben immer nur eine Momentaufn­ahme.

Nach der Nachricht hat sich Christoph Kordt sofort selbst isoliert. Er verbrachte die letzten Wochen im Schlafzimm­er im ersten Stock des Hauses, seine Frau Lina Kordt-Lisztewink versorgte den einjährige­n Nalu im Erdgeschos­s alleine und den 12jährigen Luca hatte man zu den Großeltern gebracht. Christoph Kordt testete sich regelmäßig selbst. Zunächst fielen die Tests auf COVID-19 negativ aus - nach einer knappen Woche plötzlich war der erste Test positiv. Ab dann begann die eigentlich­e Quarantäne von zwei Wochen.

"Diese drei Wochen Quarantäne waren schon schlimm", sagt Christoph Kordt, der glückliche­rweise einen leichten Verlauf hatte. Er sei alleine in seinem Zimmer gewesen, habe nichts machen können und gewusst, dass er in der Zeit eher eine Belastung gewesen sei. Ehefrau Lina schob ihm immer das Essen in die gut belüftete Ankleide und rief ihn an. Das sei jetzt vorbei, sagt Vater Christoph. Nachdem die ganze Familie Ostersonnt­ag negativ getestet wurde, können sie Ostern erstmals wieder zusammen sein. "Das ist ein sehr schönes Osterfest. Man kann sich das nicht vorstellen, wie lang drei Wochen sein können."

 ??  ?? André Pils wartet darauf, getestet zu werden
André Pils wartet darauf, getestet zu werden
 ??  ?? Familie Pils vor dem Corona-Test
Familie Pils vor dem Corona-Test

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