Deutsche Welle (German edition)
Die große Aufgabe des Mohamed Bazoum
International bekommt Niger viel Lob für seine erste demokratische Machtübergabe. Doch nicht erst seit dem gescheiterten Putschversuch ist klar, dass der neue Präsident Mohamed Bazoum vor großen Herausforderungen steht.
Mohamed Bazoum, Nigers neu gewählter Präsident, tritt sein Amt in einer angespannten politischen Situation an: Nur zwei Tage vor seiner Amtseinführung (Freitag, 2. April) hat eine bewaffnete Militäreinheit den Präsidentenpalast angegriffen. Offiziellen Angaben zufolge kam es in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch zu einem Schusswechsel mit der Präsidentengarde, die den Angriff allerdings abwehren konnte. Mehrere Militärangehörige seien festgenommen worden, nach weiteren werde gefahndet, erklärte ein Regierungssprecher.
Nicht erst seit dem gescheiterten Putschversuch ist klar, dass Bazoum mit seiner neuen Regi e ru n g v or g roßen Herausforderungen steht. Seit der Wahl Mitte Februar hat es mehrere schwere Anschläge auf die Zivilbevölkerung im Dreiländereck zwischen Mali,
Burkina Faso und Niger gegeben. Die bittere Bilanz: insgesamt mehr als 300 Tote.
Hinzu kommt, dass sich mit Mahamane Ousmane einer der unterlegenen Kandidaten der Präsidentschaftswahl bis heute weigert, seine Niederlage einzugestehen. Stattdessen zog er vor Gericht, worauf es zu massiven Protesten seiner Anhänger kam. Sicherheitskräfte schlugen die Proteste gewaltsam nieder - zwei Menschen wurden getötet und mehrere Hundert verhaftet.
"Bazoum wird einen Dialog mit den Oppositionellen führen müssen und sollte sich auf die Verbesserung der demokratischen Institutionen konzentrieren, die Niger jetzt braucht", sagt David Zounmenou, Mitarbeiter des Instituts für Sicherheitsstudien (ISS) in Senegal. Der Schlüssel sei, die Demokratie zu festigen und politische Stabilität herzustellen. "So kann die Regierung eine zusammenhängende Antwort auf die Sicherheitsprobleme geben, die den Bürgern des Niger zusetzen und die wirtschaftliche Entwicklung des Landes untergraben", so Zounmenou im DWInterview.
Bei vielen Beobachtern überwiegt jedoch die Erleichterung über die erste friedliche und demokratische Machtübergabe in der Geschichte Nigers. Bazoums Vorgänger, Parteifreund Mahamadou Issoufou, war nach zehn Jahren an der Macht zurückgetreten und ist dafür erst jüngst mit dem Mo-IbrahimPreis ausgezeichnet worden. Dessen eigener Wahl zum Präsidenten 2011 war ein Militärputsch vorausgegangen.
Für Thomas Schiller, Leiter des Regionalprogramms Sahel der Konrad-Adenauer-Stiftung in Mali, ist von entscheidender Bedeutung, dass sich Präsident Issoufou gemäß der Verfassung nicht für eine dritte Wahlperiode zur Verfügung gestellt hat. "Deswegen wäre es aus meiner Sicht wichtig, dass die oppositionellen Kräfte mit Blick auf die Sicherheitslage nicht übers Ziel hinausschießen und ihre Proteste vor Gericht und friedlich vortragen", sagt Schiller im DW-Interview.
Dennoch, so Schiller, sollte die neue Regierung die Vorbehalte von Teilen der sehr jungen Bevölkerung Nigers ernst nehmen. "Bazoum gilt als ein enger Gefolgsmann des vorherigen Präsidenten Issoufou und daher als Fortsetzung der aktuellen Regierung. Der Übergang von Issoufou zu Bazoum wird von den allermeisten im Niger als Kontinuität angesehen und nicht als wirklicher Machtwechsel."
Kann der neue Präsident die Jugend des Landes, das auf dem aktuellen Entwicklungsindex der Vereinten Nationen den letzten Platz belegt, von sich überzeugen? Vieles wird davon abhängen, ob seine Regierung die desolate Sicherheitslage in den Griff bekommt. Die blutigen Überfälle auf die Zivilbevölkerung im März dürften auch ein Warnschuss Richtung Bazoum gewesen sein. Denn Bazoum, der unter Issoufou zunächst als Außen- und später als Innenminister tätig war, gilt als einer der Architekten von Nigers bisheriger Strategie, auf die regionale Militäreinheit G5Sahel und internationale Hilfe zu setzen.
Experten sehen aber noch eine andere Ursache für die
schweren Anschläge: Während die Terroristen in der Vergangenheit vor allem Sicherheitskräfte und staatliche Infrastruktur angegriffen hätten, trifft es inzwischen immer häufiger die Zivilbevölkerung. Wohl auch, weil viele Menschen selbst zu den Waffen greifen und gegen die Terroristen vorgehen, die sich heute dem Islamischen Staat (IS) zurechnen.
"Diese neue Entwicklung, gegen lokale Gemeinschaften vorzugehen, zeigt den Willen des
IS, die Gemeinschaften, in denen sich Widerstand formiert, kollektiv zu bestrafen", sagt Ibrahim Yahaya Ibrahim von der International Crisis Group. Der bewaffnete Konflikt bekomme so ethnische Dimensionen - weil die Islamisten und die Bürgermilizen verschiedenen Gruppen angehören. Die größte Gewalt gehe aber nach wie vor von den Islamisten aus: "Es gibt keine andere bewaffnete Gruppe in der Region, die in der Lage wäre, Anschläge dieser Größenordnung zu verüben."
Bislang setzt die Regierung im Anti-Terror-Kampf auf internationale Unterstützung – dazu gehören Frankreichs Militäroperation Barkhane, eine EU-Mission, US-Stützpunkte und internationale Sicherheitstrainings. Doch das allein werde nicht ausreichen, sagt Abdoulaye Sounaye, Experte für Religion und Terrorismus in Westafrika am Leibniz-Zentrum Moderner Orient (ZMO) in Berlin. "In einem gewissen Maß kann die Militarisierung sogar den Staat schwächen. Erstens ist sie für ein Land wie Niger zu kostspielig. Zweitens wird die externe Unterstützung, besonders aus Europa und Frankreich, eines Tages abnehmen und schließlich aufhören." Stattdessen müsse Präsident Bazoum schon jetzt daran denken, wie es gelingen könne, einen Dialog mit allen Konfliktparteien anzustoßen.
"Es muss vermieden werden, dass der Terrorismus und die regionalen Konflikte mit der politischen Opposition verschmelzen, die sich nach den Wahlen gezeigt hat", sagt Sounaye. Sonst drohe das Land ins Chaos abzudriften. Im Dialog mit der Opposition liege demnach die zweite große Herausforderung für Mohamed Bazoum: "Er muss sich ihr öffnen und ihr Aufmerksamkeit schenken." Es seien nun Gesten nötig, politische Gefangene müssten entlassen werden - in jedem Fall aber sei es an Bazoum, den ersten Schritt zu machen.
Mitarbeit: Na ssa Amadou, Eric Topona
deutete kürzlich unverhohlen die Möglichkeit eines Amtsenthebungsverfahrens gegen das Staatsoberhaupt an.
In einem von der brasilianischen Presse zitierten Statement im Kongress erklärte er: "Die politischen Mittel eines Parlaments sind bekannt und bitter, einige sogar fatal. Sie werden häufig dann angewendet, wenn sich eine Spirale von Fehlentscheidungen nicht mehr kontrollieren lässt."
An Anträgen für eine Amtsenthebung Bolsonaros mangelt es nicht. In der Schublade des Parlamentspräsidenten stapeln sich bereits Dutzende solcher Gesuche. Arthuro Lira muss prüfen, ob er sie zur Abstimmung im Abgeordnetenhaus zulässt. Fünf der Anträge hat Arthuro Lira bereits abgelehnt. Über die anderen muss jedoch noch entschieden werden. Der Politikwissenschaftler Valeriano
Costa von der Universität Campinas hält angesichts der steigenden Zahlen von CoronaInfektionen und Todeszahlen ein Impeachment nicht mehr für ausgeschlossen.
"Keiner traut sich"
"Es war noch nie so wahrscheinlich wie jetzt", sagt er im DW-Gespräch. Gleichzeitig herrsche im Kongress jedoch eine enorme Angst vor den Konsequenzen einer solchen Entscheidung.
"Die Abgeordneten fürchten sich vor den Reaktionen der Anhänger des Präsidenten, vor Aufständen und Attentaten der Miliz oder der Militärpolizei", so Costa. "Es ist eine schreckliche Situation: Die Lage wird immer schlimmer, und keiner traut sich, etwas zu machen."
Zwar halten seine treuesten Anhänger weiterhin zu Bolsonaro, doch insgesamt sinken die Zustimmungswerte für den Präsidenten seit Beginn des
Jahres kontinuierlich. Nach Angaben des Meinungsforschungsinstitutes Datafolha war Mitte März über die Hälfte der brasilianischen Bevölkerung (54%) unzufrieden mit seiner Bekämpfung der Pandemie, im Januar waren es noch 48 Prozent.
Auch die Wirtschaft distanziert sich von Bolsonaro. In einem offenen Brief an die brasilianische Regierung kritisierten kürzlich über 200 Großunternehmer und auch ehemalige Zentralbankchefs die Pandemiepolitik und mahnten einen Kurswechsel und mehr Verantwortung an.
Zeichen der Hoffnung
Rafael Pütter kann die negativen Nachrichten aus Brasilien kaum noch verkraften. In zwei Wochen will er mit seinen nächtlichen Rundgängen aufhören und dann für jeden Corona-Toten aus seiner Heimat Brasilien einen Sonnenblumenkern aussähen.
"Wir brauchen auch Zeichen der Hoffnung", sagt er. "Wir müssen aus diesem Teufelskreis ausbrechen. Deshalb möchte ich neben der Trauer auch ein Zeichen für einen Neuanfang setzten."