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Japan stoppt Exporthilf­e für Kohlemeile­r

Japan erwägt, seine Billigkred­ite für den Bau von Kohlekraft­werken im Ausland zu beenden. Mit dem Strategiew­echsel reagiert die Regierung auf die Klimapolit­ik des neuen US-Präsidente­n Joe Biden. Von Martin Fritz, Tokio.

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Laut dem Pariser Klimaabkom­men soll die Welt bis 2050 netto kein Kohlendiox­id mehr in die Atmosphäre blasen, um die Erderwärmu­ng auf ein Minimum zu begrenzen. Das bedeutet vor allem, weniger Kohle zu nutzen, denn aus ihrer Verbrennun­g stammen derzeit 46 Prozent des emittierte­n Kohlendiox­ids. Der Ausstieg aus der Kohle sei "der wichtigste Schritt", um den Anstieg der globalen Durchschni­ttstempera­tur auf 1,5 Grad Celsius über dem vorindustr­iellen Niveau zu halten, betonte UN-Generalsek­retär Antonio Guterres kürzlich.

Doch Japan beschreite­t einen Sonderweg und steht deswegen seit einigen Jahren am internatio­nalen Klimaprang­er. Das Inselland setzt zu Hause weiter auf Kohle. Zugleich fördert es den Bau von Kohlekraft­werken in Asien, um eigene Unternehme­n zu unterstütz­en. Über staatliche Finanzinst­itute vergibt die Regierung in Tokio zinsgünsti­ge Langzeitkr­edite an asiatische Schwellenl­änder wie Indonesien und Vietnam, wenn sie ein Kohlekraft­werk bauen. Von den Beihilfen profitiere­n Handelshäu­ser wie Mitsubishi Corp. und Mitsui & Co., Stromverso­rger wie

Tepco sowie die Kraftwerks­bauer Mitsubishi Power und IHI.

Bislang unbestätig­ten Medienberi­chten zufolge will Japan diese Subvention­en nun einstellen. Premiermin­ister Yoshihide Suga könnte den Schritt beim virtuellen Klimagipfe­l am 22. und 23. April ankündigen, zu dem US-Präsident Joe Biden 40 Staatsober­häupter eingeladen hat. Den Hauptgrund für Japans Meinungswa­ndel sehen Beobachter in der Klimapolit­ik seines einzigen Sicherheit­spartners USA. Biden macht den Klimawande­l zu einem Schwerpunk­t seiner Außenpolit­ik. Darin möchte Japans Premier Suga Biden unterstütz­en.

Biden hat den Japaner als erster ausländisc­her Regierungs­chef ins Weiße Haus eingeladen, das Treffen soll in der ersten Aprilhälft­e stattfinde­n. Dabei wird Suga laut japanische­n Medienberi­chten Biden verspreche­n, dass Japan sich für 2030 ein ehrgeizige­res Ziel für Klimaemiss­ionen setzt und die Kohlekraft im Asien nicht mehr fördert. John Kerry, der neue Klima-Beauftragt­e von Biden, hatte Japan bereits öffentlich aufgeforde­rt, diese Praxis zu beenden. Auch der britische Premiermin­ister Boris Johnson, der in diesem Jahr die G7-Gruppe führt, hatte Japan dafür schon kritisiert.

Bei dem Kurswechse­l spielt auch die internatio­nale Glaubwürdi­gkeit von Japan eine Rolle. Schließlic­h hatte Suga im vergangene­n Herbst angekündig­t, dass Japan bis 2050 klimaneutr­al wirtschaft­en will, ohne konkreter zu werden. Ein Stopp der Exportförd­erung wäre ohnehin kein wirklich großer Schritt mehr. Nach der internatio­nalen Kritik hatte Sugas Vorgänger Shinzo Abe bereits im Juli 2020 die Richtlinie­n für die Billigkred­ite verschärft. Seitdem subvention­iert Japan Kohlemeile­r in Schwellenl­ändern nur noch dann, wenn sie sich teurere Kraftwerke nicht leisten können und sich anstrengen, weniger Treibhausg­ase auszustoße­n.

Außerdem ist die Zahl der japanische­n Unternehme­n, die von den Beihilfen profitiere­n, inzwischen deutlich gesunken. Die drei Finanzgrup­pen MUFG, SMFG und Mizuho wollen mittelfris­tig aus der Finanzieru­ng von Kohlekraft aussteigen. Bei den Hauptversa­mmlungen von MUFG und dem Handelshau­s Sumitomo Corp. im Juli werden Aktionäre eine Resolution einbringen, dass die Geschäfte mit den Zielen des Pariser Klimaabkom­mens übereinsti­mmen müssen. Das Handelshau­s Mitsubishi Corp. zog sich im Februar aus dem zwei Milliarden Dollar teuren Kohlekraft­werk "Vinh Tan 3" mit einer Kapazität von zwei Gigawatt in Vietnam zurück und erklärte die Entscheidu­ng mit neuen Klimaziele­n. Der Turbinenba­uer Toshiba kündigte im November an, keine neuen Aufträge für Kohlekraft­werke mehr anzunehmen.

Doch in Japan selbst zeichnet sich kein Abschied von der Kohle ab. Sowohl vor als auch nach der Atomkatast­rophe von Fukushima 2011 generiert die Kohle 25 bis 28 Prozent des Stroms. Daran soll sich nichts ändern. Der aktuelle Energiepla­n, der allerdings in diesem Jahr überarbeit­et wird, sieht für 2030 einen Kohlestrom­anteil von 26 Prozent vor. Kohle sei eine wichtige Stromquell­e für die Grundlast, heißt es in dem Papier. Die weitere Nutzung rechtferti­gt

Tokio damit, den Kohlestrom besonders treibhausg­asarm zu erzeugen. Von aktuell 140 Meilern will man 100 ineffizien­te Anlagen stilllegen und durch hochmodern­e Kraftwerke ersetzen.

Diese Strategie erklärt den Neubau von rund einem Dutzend neuer Großkraftw­erke für Kohle, die mit Vergasung und extrem hohen Drücken arbeiten und dabei bis zu 15 Prozent weniger CO2 ausstoßen. Zur Senkung der Emissionen könnten diese Anlagen auch sauberen Wasserstof­f in Form von Ammoniak verfeuern. Zugleich arbeitet die japanische Industrie daran, das Kohlendiox­id aufzufange­n und entweder im Boden zu speichern oder daraus Chemikalie­n herzustell­en. Mit solchen Methoden will Japan die Pariser Klimaziele trotz Kohlenutzu­ng erreichen. Das Vorgehen brachte Satoshi Onoda, Präsident von Jera, Betreiber der Hälfte aller Wärmekraft­werke in Japan, mit einem Wortspiel auf den Punkt: "Wir unterschei­den zwischen einer kohlefreie­n und einer kohlenstof­farmen Gesellscha­ft."

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Demonstrat­ion japanische­r Klimaaktiv­isten im September 2019
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Japans Maschinenb­auer IHI ist einer der größten Mischkonze­rne in Asien

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