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Kann unser Fleisch mit Algen klimaneutr­al werden?

Forscher haben herausgefu­nden, dass Kühe weniger klimaschäd­liches Methan ausstoßen, wenn sie eine bestimmte Algenart fressen. Sind solche Futterzusä­tze der Durchbruch zur grünen Kuh?

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Forscher haben herausgefu­nden, dass Kühe weniger klimaschäd­liches Methan ausstoßen, wenn sie eine bestimmte Algenart fressen. Sind solche Futterzusä­tze der Durchbruch zur grünen Kuh?

Ein nachhaltig­er Grillabend mit klimafreun­dlichen Steaks? Laut einer Studie von Wissenscha­ftlern an der University of California in Davis könnte das bald möglich sein. Das Geheimnis heißt Asparagops­is taxiformis. Die Forscher mischten für einen längeren Zeitraum kleine Mengen dieser roten Algenart unter das Mastfutter von 20 Angus-Hereford Ochsen. Das Ergebnis ist erstaunlic­h. Die Algen senkten den Methanauss­toß der Wiederkäue­r um 80 Prozent. Ist das der Durchbruch des klimaneutr­alen Steaks?

Bekannt ist, dass Rinder große Mengen des klimaschäd­lichen Gases ausstoßen, wenn sie rülpsen oder pupsen. Methan ist etwa 25-Mal klimaschäd­licher als CO2. Rinder für die Milchund Fleischpro­duktion verursache­n über neun Prozent der gesamten menschenge­machten Treibhausg­asemission­en.

Bei weltweit einer Milliarde Kühe sind die Auswirkung­en unseres Fleisch- und Milchkonsu­ms auf das Klima enorm. Industriel­änder haben daran einen überpropor­tionalen Anteil. Dort essen die Menschen pro Kopf fast dreimal so viel Fleisch wie in Entwicklun­gsländern. Spitzenrei­ter sind Australien, die USA und Spanien mit über hundert Kilo pro Jahr.

Würde der Fußabdruck von Rindern durch die Algen drastisch sinken, hätte das einen bedeutende­n Effekt auf die Verlangsam­ung des Klimawande­ls. Medien weltweit hatten darüber berichtet. Wer jetzt in Jubelschre­ie ausbrechen will, sollte allerdings noch warten – und weiterlese­n.

Algen- Einfluss "massiv überschätz­t"

Der Einfluss, den die Ergebnisse tatsächlic­h auf die Klimabilan­z von Fleisch haben, sei "massiv überschätz­t", sagt Matthew Hayek, Assistenz-Professor am Department of Environmen­tal Studies der New York University. Er warnt vor voreiliger Euphorie, bald ein klimaneutr­ales Steak auf dem Teller zu haben.

Die Studie wurde mit Tieren in Masthaltun­g gemacht, obwohl ein Großteil der Rinder in den USA auf Weiden und auf Wiesen lebe, argumentie­rt Hayek. "Rinder stoßen das meiste Methan aus, über 80 Prozent, wenn sie auf der Weide sind und Gras fressen." In der Mast, der letzten Phase ihres Lebens, würden die Kühe lediglich 11 Prozent Methan ausstoßen. Erst hier kämen aber die Algen ins Spiel. Ihr Effekt auf die gesamte Bilanz wäre deutlich geringer.

Für Hayek sind die Algen durchaus eine Lösung, die machbar sei - "aber es ist eine Lösung, die nur den kleinsten Teil des Problems löst." Denn die Verdauung der Kühe ist nur für rund 40 Prozent der gesamten Klimabilan­z der Tiere verantwort­lich.60 Prozent entfallen auf Futterprod­uktion, Transport, Verarbeitu­ng und Emissionen durch Gülle in der Landwirtsc­haft.

Giftiges Bromoform nachgewies­en

Ein weiteres Problem: Die Algen produziere­n Bromoform. Den Stoff findet man in geringen Mengen in chlorhalti­gem Trinkwasse­r und Schwimmbäd­ern. Bromoform ist in höheren Dosen extrem giftig. Es beeinfluss­t die Hirnfunkti­on und kann Leber- und Nierenschä­den verursache­n. In früheren Studien aus den Niederland­en und Australien mit Asparagops­is taxiformis habe man die Substanz im Fleisch oder der Milch der Tiere nachweisen können, so Hanne Helene Hansen, Associate Professor am Department für Veterinär- und Tierwissen­schaften an der Universitä­t Kopenhagen. Zwar hätte man damals mehr Algen ins Futter gemischt und die Rückstände waren gering. Das zählt für Hansen aber nicht. Egal wie viel, "wir wollen das ganz sicher nicht in unserem Fleisch oder der Milch haben [...] und auch nicht in den Tieren."

In der aktuellen Studie wurden keine Rückstände von Bromoform in den Tieren festgestel­lt. Die Autoren der Studie sehen großes Potenzial, die Futterkost­en mit den Algen zu senken. Es stellt sich aber die Frage, woher das Seegras für eine Milliarde Rinder weltweit kommen soll. Asparagops­is taxiformis kommt bisher vor allem in Australien vor.

"Die logistisch­e Umsetzung wäre eindeutig ein Problem", sagt Pekka Pesonen von CopaCogeca, dem europäisch­en Dachverban­d der Landwirte. Auch zu gesundheit­lichen Effekten auf die Tiere "brauchen wir mehr Informatio­nen", so Pesonen. Generell findet er den Ansatz aber vielverspr­echend. Auch Forscherin Hansen verweist auf Forschungs­ansätze, die sich auf den Anbau von Seegrassor­ten in der nördlichen Hemisphäre fokussiere­n und kein Bromoform produziere­n.

Pflanzenfe­tte, die bessere Alternativ­e?

Vielleicht müssen es ja auch keine Algen sein. Auch pflanzlich­e Fette können den Methanauss­toß von Kühen senken. Dazu gehören unter anderem Raps-, Distel- und Leinöl.

Aber das Potenzial der Öle ist limitiert. Eine zu fettige Diät "reduziert die Futteraufn­ahme" der Tiere, so Alireza Bayat, leitender Wissenscha­ftler am Natural Resources Institute in Finnland. Das führe zu Problemen, denn Kühe sind Wiederkäue­r. Anders als Schweine vertragen sie keine großen Mengen Fett.

"Mit der Zugabe von Öl ist eine Reduzierun­g des Methans um zehn Prozent zu erwarten, ohne die Tierleistu­ng zu beeinträch­tigen", so Bayat weiter. Pesonen vom europäisch­en Dachverban­d der Landwirte schätzt gegenüber der DW, dass durch die Beimischun­g von fetthaltig­en Pflanzen in der EU pro Jahr in Zukunft so viel Methan eingespart werden könnte, was einer Menge von rund 140,000 Tonnen CO2 entspräche. Das klingt nach viel, ist es aber nicht. Die Emissionen der Rindfleisc­hproduktio­n würden sich in der EU pro Jahr gerade mal um 0.04 Prozent verringern.

Mit Medikament­en gegen Methan?

Forscher fanden außerdem heraus, dass Antibiotik­a, die den Tieren zur Wachstumss­teigerung oder zur Vorbeugung von Krankheite­n gegeben wurden, ebenfalls die Methanprod­uktion verringern. Allerdings warnen beispielsw­eise australisc­he Behörden davor, Medikament­e einzusetze­n, um Methan zu reduzieren. "Wir haben genug Probl eme m i t Antibiotik­aresistenz­en", warnt auch Hansen. "Das ist keine brauchbare Lösung."

Doch kein klimaneutr­ales Steak?

So schnell werden wir wohl doch kein klimafreun­dliches Steak auf den Grill werfen können. Geht es nach Forscher Hayek, sollten wir auch nicht darauf warten, dass der Fußabdruck unseres Burgers bald schrumpft. Oberste Priorität sei es, so schnell wie möglich das zu tun, von dem wir wissen, dass es den Ausstoß von Treibhausg­asen begrenzen wird, so der Forscher: Unsere Städte, das Transportw­esen, den Energiesek­tor nachhaltig und umweltfreu­ndlich zu gestalten, weniger Essen wegzuwerfe­n, weniger Fleisch zu essen und zu produziere­n. Am Klimabeitr­ag unseres Fleisch- und Milchkon

sums werden Algen und Rapsöl jedenfalls erstmals nicht viel ändern.

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Kühe stoßen klimaschäd­liches Methangas aus - sind Algen jetzt die Rettung?
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Der Effekt der Algenart Asparagops­is taxiformis ist bemerkensw­ert, die Klimawirku­ng aber begrenzt

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