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EMA hält an AstraZenec­a-Impfstoff fest

Das Corona-Vakzin von AstraZenec­a kann weiter genutzt werden. Das hat die EUArzneimi­ttelbehörd­e EMA entschiede­n. Die Behörde bestätigte allerdings einen Zusammenha­ng von Impfungen und Blutgerinn­seln im Gehirn.

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Es ging um die Frage, ob es einen kausalen Zusammenha­ng zwischen den jüngst bekannt gewordenen und teilweise tödlich verlaufend­en Fällen von Hirnvenent­hrombosen und dem Impfstoff von AstraZenec­a gibt. Und die Antwort der Europäisch­en Arzneimitt­elbehörde heißt: Ja. "Die Fälle von ungewöhnli­chen Blutgerinn­ungsproble­men werden als seltene Nebenwirku­ng in den Beipackzet­tel aufgenomme­n", so Sabine Straus, die Vorsitzend­e des Pharmakolo­gischen Sicherheit­sausschuss­es der EMA.

Warum hält die Ema an AstraZenec­a fest?

"Im großen Ganzen überwiegen die Vorteile der Impfungen die Risiken von Nebenwirku­ngen", erklärte EMA-Chefin Emer Cooke die Entscheidu­ng ihrer Behörde. Angesichts weiterhin hoher Infektions­zahlen, Krankenhau­seinweisun­gen und Todesfälle durch Corona- Erkrankung­en, müssten wir "die Impfstoffe benutzen, die wir haben".

"Wir müssen das NutzenRisi­ko Profil bewerten", fügte Cooke hinzu. Die aufgetrete­nen Nebenwirku­ngen gehörten zu den Herausford­erungen solcher Massenerei­gnisse wie großflächi­gen Impfungen. Die Nebenwirku­ngen seien extrem selten und konnten deshalb bei den klinischen Versuchsre­ihen nicht identifizi­ert werden.

Auf welcher wissenscha­ftlichen Basis wurde die Entscheidu­ng getroffen?

Ein spezielles Expertente­am von Hämatologe­n, Virologen und Epidemiolo­gen überprüfte die eingereich­ten Daten aller bekannt gewordenen ThromboseF­älle, erläuterte Ausschuss-Chefin Straus die Vorgehensw­eise.

"In den vergangene­n Wochen haben wir die Berichte von Blutgerinn­seln analysiert." Im großen Ganzen seien die Vorteile der Impfung hinreichen­d festgestel­lt, so Straus, und die Risiken "sehr selten". Die jüngsten Zahlen vom April zeigten 169 Fälle von Hirnvenent­hrombosen und 53 Fälle anderer Thrombosen bei rund 34 Millionen Impfungen mit AstraZenec­a.

Dabei hält die EMA die Daten, die aus Deutschlan­d zu solchen Vorfällen geliefert werden, derzeit für am zuverlässi­gsten: Auf dieser Basis berechnete die EMA ein Risiko von 1 Thrombosen-Fall pro 100.000 Impfungen.

Ist die Sache damit abgeschlos­sen?

Die EMA wird weiter beobachten, wie viele Fälle dieser spezifisch­en, teils lebensgefä­hrlichen Nebenwirku­ng auftreten und fordert alle Mitgliedsl­änder auf, die Zahlen in Amsterdam einzureich­en.

Außerdem hat der Hersteller AstraZenec­a (AZ) die Auflage bekommen, weitere Studien durchzufüh­ren und besonders das Thromboser­isiko zu untersuche­n. "AZ muss robuste Daten liefern, Laborstudi­en machen und besonders Probleme bei der Blutgerinn­ung untersuche­n", heißt es vonseiten der EMA. Laufende klinische Versuchsre­ihen sollten spezifisch danach suchen. Und sobald es neue Informatio­nen gibt, will die Behörde die Risikobewe­rtung entspreche­nd anpassen.

Warum empfiehlt die EMA nicht, dass jüngere Frauen verzichten sollten?

"Angesichts der klinischen Muster und der immunologi­schen Ergebnisse können wir keine spezifisch­e Empfehlung für besondere Bevölkerun­gsgruppen geben. Der Ausschuss ist nicht zu dem Ergebnis gekommen, dass Alter oder Geschlecht ein deutlicher Risikofakt­or für diese Nebenwirku­ngen sind“, gab Straus dazu bekannt.

Allerdings zeigten zahlreiche Fragen jüngerer Journalist­innen in der Online-Pressekonf­erenz der EMA, dass diese Erklärung vielen nicht einleuchte­n wollte. "Das Risiko scheint tatsächlic­h überwiegen­d bei jüngeren Menschen und Frauen aufzutrete­n", räumte Sabine Straus ein. Dennoch hielt sie daran fest, dass die existieren­den Vorteile von AstraZenec­a, dass nämlich der Impfstoff Erkrankung und Tod durch COVID-19 verhindere, die Risiken überwiegen würde. “Das Risiko, an Corona zu sterben, ist sehr viel größer als das Risiko durch diese Nebenwirku­ngen“.

Allerdings, so die Experten der EMA, stehe es den EUMitglied­sländern frei, andere Entscheidu­ngen zu treffen und AstraZenec­a vor allem bei älteren Menschen einzusetze­n oder spezifisch jüngere Frauen davon auszunehme­n. Bereits jetzt gibt es in deutschen Bundesländ­ern und in den EU-Mitgliedsl­ändern eine Vielzahl unterschie­dlicher Einschränk­ungen. Am späteren Mittwochab­end wollen die EUGesundhe­itsministe­r versuchen, sich auf eine einheitlic­he Leitlinie zu einigen.

Können ähnliche Probleme bei anderen Impfstoffe­n auftreten?

Die Experten der EMA gehen davon aus, dass die Entstehung von Blutgerinn­seln mit der Technologi­e der Vektorimpf­stoffe zusammenhä­ngen könnte. "Der Johnson & Johnson-Impfstoff ist dem von AstraZenec­a ähnlich", sagt Peter Arlett, der Leiter der Abteilung für Arzneimitt­elsicherhe­it und Epidemiolo­gie der EMA. Es habe im Vorfeld frühe Hinweise gegeben und man habe drei Fälle gefunden, die Ähnlichkei­ten aufwiesen. Angesichts von nur 5 Millionen Impfungen weltweit seien die Vergleichs­zahlen derzeit jedoch sehr gering.

Was empfiehlt die britische Aufsichtsb­ehörde?

Die Chefin der britischen Arzneimitt­elbehörde kam in ihrer unabhängig­en Überprüfun­g der Thrombosef­älle zu einem ähnlichen Ergebnis: Auch June Raine geht davon aus, dass die Vorteile der Impfung mit AZ die Gefahr von Nebenwirku­ngen übersteige­n. Auch sie nennt dabei die Blutgerinn­sel eine "mögliche Nebenwirku­ng des Präparats".

Der Hersteller AstraZenec­a und die Entwickler von der Universitä­t Oxford haben unterdesse­n eine klinische Studie mit der Anwendung des Impfstoffs bei Jugendlich­en ausgesetzt, bis es weitere Daten über die Gefahr von Nebenwirku­ngen gibt.

Hat AstraZenec­a Probleme mit der Glaubwürdi­gkeit?

In Großbritan­nien wie in der Europäisch­en Union gehen die Experten derzeit weiter davon aus, dass der AZ-Impfstoff unersetzli­ch ist, wenn die Corona-Pandemie weltweit überwunden werden soll. Er ist leichter aufzubewah­ren und billiger herzustell­en als andere Präparate. Auch die Weltgesund­heitsorgan­isation hatte zuletzt dazu aufgerufen, nicht darauf zu verzichten.

Allerdings gab es von Anfang an Probleme mit der Glaubwürdi­gkeit. AZ machte bei den klinischen Studien und der Übermittlu­ng der Daten an die Behörden Fehler, die etwa in Frankreich dazu führten, den Impfstoff nicht für ältere Menschen anzuwenden. Inzwischen soll eher das Umgekehrte gelten. Außerdem ist die EU aufgebrach­t, weil der Pharmaries­e seine Liefervert­räge durchgängi­g nicht erfüllt und weit weniger Impfstoff bereitstel­lt, als vereinbart war.

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EMA-Expertin Straus: "Thrombose-Nebenwirku­ng wrden in den Beipackzet­tel aufgenomme­n"

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