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Meinung: Pandemie ist wichtiger als Wahlkampf

In Deutschlan­d stehen wichtige politische Entscheidu­ngen an. "Na und?!", sagt Kay-Alexander Scholz und findet: Die Pandemie ist wichtiger!

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"In der DDR wären wir alle schon geimpft!" Das bekommt man derzeit oft zu hören, wenn man Menschen in Ost-Deutschlan­d nach ihrer Meinung fragt. Die Leute sind enttäuscht - über das Impfmanage­ment und generell über die Corona-Politik. Viele werden bei Wahlen ihr Kreuz wieder bei der teils rechtsextr­emen AfD machen, erzählen sie. Eine aktuelle Umfrage im östlichste­n Bundesland Sachsen sieht die AfD sogar vor der CDU.

Das darf niemanden kalt lassen, vor allem niemanden, der, wie der Autor, die DDR noch erlebt hat.

Leider gibt es auch gerade nicht viele Argumente dagegen zu setzen. Die Corona-Politik wird in Deutschlan­d im Wesentlich­en in einer Runde der Bundeskanz­lerin mit den Spitzen der 16 Bundesländ­er vereinbart. Das hat lange Zeit im Großen und Ganzen ganz gut funktionie­rt. Der so praktizier­te Föderalism­us führte zu Flexibilit­ät vor Ort und Ideen-Wettbewerb. Nach dem Motto: Im Team kriegen wir das Virus besiegt!

Doch das war einmal.

Impfen statt Lagerkämpf­e

Aktuell müsste eigentlich Tag und Nacht beraten werden, wie das mit dem Impfen besser klappen könnte. Schließlic­h ist das DER Ausweg aus der Pandemie. Doch stattdesse­n sind die Medien voll mit Ränkespiel­en, Lagerkämpf­en, nervigem Alphatier-Gehabe, Schlagzeil­en zu nicht mehr nachvollzi­ehbaren politische­n Wendungen und anderem politische­n Tüll.

Ja, mein Gott, es stehen wichtige Entscheidu­ngen an. CDUChef Armin Laschet versus CSUChef Markus Söder - wer von den beiden Herren wird Nachfolger im Kanzleramt? Gibt es neue Parteien-Bündnisse auf Ländereben­e? Wie positionie­rt sich die CDU nach Angela Merkel? Wie stark steigen die Umfragewer­te der Grünen noch?

Doch man möchte rufen: Hey, wir haben noch immer Pandemie, aus der sich Deutschlan­d viel schlechter als andere Staaten heraus kämpft!

Die Politikver­drossenhei­t wächst

Und nebenbei bemerkt: Können Politiker nicht auch Mal zuhause bleiben, wie sie es vom Volk verlangen, und auf dauernde Talk- Show- Auftritte oder PR-Termine in Impfzentre­n verzichten?

Im Ergebnis wird der so eingesicke­rte Wahlkampf nicht zu einer Entscheidu­ngshilfe, sondern fördert letztlich Politikver­drossenhei­t und beschädigt den Föderalism­us.

Vielleicht wäre eine Idee aus der DDR dann doch die bessere Alternativ­e gewesen. Genauer aus der Revolution­sphase 1989. Damals haben sich alle - Politiker, Wissenscha­ftler, Verbände, Künstler und Intellektu­elle - an einen Runden Tisch gesetzt und gemeinsam überlegt, was zu tun ist. Mit Erfolg. Der Übergang zur Demokratie gelang.

Für eine bessere Politik ist es niemals zu spät!

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DW- Korrespond­ent Kay- Alexander Scholz

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