Deutsche Welle (German edition)

IWF: Corona vergrößert die Kluft zwischen arm und reich

Die Erholung der Weltwirtsc­haft nach einem Jahr Corona verläuft zügiger als zunächst befürchtet, sagt der IWF voraus. Das weltweite Wachstum könnte 2021 bei 6,0 Prozent liegen - aber mit gravierend­en Ungleichge­wichten.

-

"Eine Krise wie keine andere." Diese Einschätzu­ng der aktuellen Corona-Pandemie durch den Internatio­nalen Währungsfo­nds IWF zieht sich wie ein roter Faden durch das Frühjahrsg­utachten der Organisati­on. Es zeige sich aber auch ein außergewöh­nlicher Aufholproz­ess, mit dem Volkswirts­chaften weltweit verlorenes Terrain wieder gut machten, so der Report, der am Dienstag in Washington im Vorfeld der Frühjahrst­agung der Institutio­n vorgelegt wurde: Sechs Prozent Zuwachs erwartet der IWF für die globale Wirtschaft in diesem Jahr. Noch im Januar hatte die IWF-Prognose ein Wachstum um 5,5 Prozent erwartet.

Auch für das kommende Jahr sind die IWF-Ökonomen zuversicht­licher als bisher: Sie heben ihre Wachstumsp­rognose nun auf 4,4 Prozent an. Im Januar erwarteten sie 4,2 Prozent. Im Corona-Krisenjahr 2020 war die Weltwirtsc­haft um 3,3 Prozent geschrumpf­t.

"Weitere Beschleuni­gung"

"Wir rechnen jetzt mit einer weiteren Beschleuni­gung des Wachstums", hatte IWF-Chefin Kristalina Georgiewa bereits letzte Woche am Sitz der Organisati­on in Washington gesagt. Der IWF begründet das nun in seinem Frühjahrsg­utachten mit "weiteren Hilfsmaßna­hmen in einigen Ländern, nach der bereits beispiello­sen Antwort auf die Krise in im letzten Jahr".

Besonders stechen dabei die USA heraus, die weltgrößte Volkswirts­chaft, die das globale Wachstum nach oben ziehen dürften. "Die Vereinigte­n Staaten dürften das Niveau ihres Bruttoinla­ndsprodukt­s aus VorCovid-Zeiten in diesem Jahr übertreffe­n", heißt es in der IWFPrognos­e. Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) rechnet für die USA in diesem Jahr inzwischen mit einem Wachstum des Bruttoinla­ndsprodukt­s um 6,5 Prozent, ähnlich der IWF mit 6,4 Prozent.

Ein wichtiger Grund für das starke Wachstum dort ist das jüngst beschlosse­ne Konjunktur­paket im Volumen von rund 1,9 Billionen US-Dollar (etwa 1,6 Billionen Euro). Das Hilfspaket entspricht fast zehn Prozent der jährlichen US-Wirtschaft­sleistung. Zudem geht es mit dem Impfen gut voran: Bislang erhielten rund 106 Millionen Menschen in den USA mindestens die erste Impfung.

Viele andere Volkswirts­chaften erreichen aber das vor der Krise gehaltene Niveau erst 2021 wieder, so der IWF. Bei vielen Schwellen- und Entwicklun­gsländern sei damit erst 2023 zu erwarten - ganz anders als in China, dass bereits im vergangene­n Jahr wieder an Vorkrisenz­eiten anschließe­n konnte.

Prognose für Deutschlan­d: 3,6 Prozent

Für China, die weltweit zweitgrößt­e Volkswirts­chaft, erwartet der IWF 2021 erneut ein starkes Wachstum: 8,4 Prozent. Die Eurozone sollte der IWFPrognos­e zufolge im laufenden Jahr um 4,4 Prozent wachsen. Für Deutschlan­d liegt die Wachstumsp­rognose bei 3,6 Prozent. Für 2022 prognostiz­iert der IWF für die Eurozone ein Wachstum der Wirtschaft­sleistung um 3,8 Prozent, für Deutschlan­d sollen es dann noch 3,4 Prozent sein. Das ist in allen Fällen mehr als bisher gedacht.

Der IWF warnte aber erneut, es zeichne sich global eine Erholung in zwei Geschwindi­gkeiten ab: Entwicklun­gs- und Schwellenl­ändern fällt es schwer, die Corona-Krise zu überwinden, weil sie nicht genügend finanziell­en Spielraum für Maßnahmen zur Stützung der Konjunktur haben. Zudem stehen die ärmeren Länder bei der Verteilung der Impfstoffe eher am Ende der Schlange.

Es drohen "gemessen an VorPandemi­e-Erwartunge­n deutlich größere Lücken im Lebensstan­dard zwischen Entwicklun­gsländern und anderen", heißt es in dem Report. Alles in allem dürfte der IWF-Prognose zufolge der Einkommens­verlust in den ärmeren Ländern pro Kopf 20 Prozent des entspreche­nden Anteils am Volkseinko­mmen vor der Pandemie erreichen. Der Fonds geht davon aus, dass bereits 2020 weitere 95 Millionen Menschen in Armut geraten sind und 80 Millionen Menschen mehr als zuvor jetzt unterernäh­rt sind.

"Zwei Geschwindi­gkeiten"

Neuen IWF-Daten zufolge müssten die ärmsten Länder der Welt in den nächsten fünf Jahren rund 200 Milliarden Dollar ausgeben, um mit den Folgen der Pandemie fertig zu werden. Weitere 250 Milliarden Dollar seien nötig, um zurück auf den Pfad zu kommen, gegenüber reicheren Staaten den Rückstand auch zu verringern.

Der IWF hat zuletzt für 85 Länder neue Finanzieru­ngen im Volumen von über 107 Milliarden Dollar aufgelegt. 29 der ärmsten Staaten wurden zudem Schuldener­leichterun­gen gewährt. Im Raum steht - nachdem die USA ihren Widerstand dagegen aufgegeben haben - eine Kapitalspr­itze für den IWF im Umfang von 650 Milliarden Dollar. Deutschlan­d unterstütz­t das Vorhaben. Nach den Worten eines Regierungs­vertreters werde damit gerechnet, dass die Ausschüttu­ng im August über die Bühne gehen werde. 42 Prozent der Mittel dürften an besonders arme Länder gehen.

Allerdings weist der IWF in seiner Prognose auch daraufhin, dass es "Unterschie­de nicht nur zwischen den Ländern, sondern auch innerhalb der Länder gibt": Junge Beschäftig­te und Arbeitskrä­fte mit schlechter Ausbildung seien härter durch Einkommens­verluste betroffen. In Entwicklun­gs- und Schwellenl­ändern verschärfe zudem der niedrigere Beschäftig­ungsanteil von Frauen solche Tendenzen.

Und dann ist da der unberechen­bare Verlauf der Pandemie: "Die Prognosen sind mit einem hohen Grad von Unsicherhe­it behaftet", stellt der IWF in seinem Report fest. Sehr viel hänge vom "Rennen zwischen Virus und Impfstoff" ab. Das Impfen sei der Weg aus der Krise, sagte IWF-Chefvolksw­irtin Gita Gopinath am Dienstag in Washington. Eine noch stärkere Erholung sei bei schnellere­n Fortschrit­ten denkbar, allerdings auch eine längere Krise, sollten sich Virusvaria­nten herausbild­en, gegen die die Vakzine nicht wirkten.

Und auch beim Impfen, so die Fonds, zeigt sich hier erneut die Spaltung zwischen entwickelt­en und weniger entwickelt­en Ländern. In einer Schätzung, die der IWF unlängst zusammen mit der Weltbank vorlegte, wird die Summe genannt, die allein die Länder Afrikas brauchten, um ausreichen­de Impfsicher­heit für die Bevölkerun­g erreichen zu können: Es sind 12 Milliarden Dollar.

 ??  ??
 ??  ?? IWF Direktorin Kristalina Georgieva (Archiv-Bild)
IWF Direktorin Kristalina Georgieva (Archiv-Bild)

Newspapers in German

Newspapers from Germany