Deutsche Welle (German edition)

Papu. Terra. K.I.

Papu, der fünffache Urgroßvate­r, programmie­rte bereits, bevor es den Heimcomput­er "Commodore“gab. Er glaubt an den technologi­schen Fortschrit­t und zweifelt an der menschlich­en Moral.

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Vor 75 Jahren, am 12. Mai 1941, stellte Konrad Zuse den Z3 - den ersten Computer der Welt - in einer Berliner Werkstatt der Öffentlich­keit vor. 30 Jahre später, als Papu kaum zwölf Jahre alt war, las er in einer Zeitschrif­t davon - und ihn erfasste eine Begeisteru­ng, die ihn sein Leben lang begleiten sollte. Nach einer Anleitung in der Zeitschrif­t wollte er sich selbst einen Computer bauen - denn ein "fertiger" wäre für jeden "Normalster­blichen" zu jener Zeit einfach unbezahlba­r gewesen:

"Anstatt ins Kino zu gehen, sparte ich nun mein Geld und kaufte nach und nach die Teile für den Computer. Dieser Computer lief über unseren alten Fernseher, der natürlich die ganze Familie benutzte. Nachts aber durfte ich ihn als Computer verwenden. So lernte ich BASIC programmie­ren. Ich tippte viele Seiten Text ein - aber sobald man ihn ausgeschal­tet hatte, vergaß der Computer wieder alles, denn es gab noch keine Speichermö­glichkeite­n. So habe ich all das, was ich tat und lernte, auf ein Tonband überspielt. Ich musste zwar immer noch täglich neu anfangen - aber ich kam schneller weiter. Ich war fasziniert von den Möglichkei­ten, das hat mich angespornt."

Fast schon erwachsen, kaufte sich Papu einen "richtigen" Computer - einen "Commodore" - und heiratete jene Frau, mit der er heute noch zusammenle­bt. Ein Quantenspr­ung. Seine Frau arbeitete als Bedienerin in einer Computerfi­rma, die wiederum einen Arbeiter in der LogistikAb­teilung suchte. Fortan saß Papu zwischen den Lieferunge­n in Räumen mit neuen, wunderschö­nen Computern. In einer anderen Abteilung, in der defekte Geräte repariert und getestet wurden, durfte er bald mithelfen.

"Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich ein Betriebssy­stem gesehen habe. Ich nutzte die tolle Hardware, die vor mir stand, in unerlaubte­r Weise, schrieb kleine Programme im Hintergrun­d - was ja ursprüngli­ch gar nicht meine Aufgabe war. Eines Tages erwischte mich die Chefin dabei. Doch anstatt negativ zu reagieren, erlaubte sie mir ab diesem Moment, die Computer nicht nur zu liefern, sondern auch aufzubauen und die Menschen bei technische­n Problemen zu unterstütz­en."

Die Firma hieß übrigens "Hard & Soft" und war die erste Apple-Vertretung Österreich­s. Einige Jahre danach gründete Papu eine eigene Firma und war damit bis ins Jahr 2000 sehr erfolgreic­h. Als sein Vater in jenem Jahr starb, beendete er die Arbeit im eigenen Unternehme­n - seine Affinität zur Innovation bestand jedoch weiter fort und so begann er im Jahr 2003 ein eigenes Radioproga­mm zu senden: "Gipsy Info" (später GipsyTV) sendete Online - zu einer Zeit, als die meisten noch gar nicht wussten, was Streaming ist.

"Ich habe mich gefragt, wie viele Leute im Internet daran interessie­rt wären, ein Programm zu hören, dass auf Deutsch, Jugoslawis­ch und Romanes ausgestrah­lt wird. Die Menschen haben ganz erstaunlic­h reagiert. Sie haben begonnen, aus allen Regionen der Welt Bilder an uns zu schicken - von ihren Familien, ihren Kindern, ihren Haustieren, wie sie sich gemeinsam unsere Sendung anschauen und anhören. Im Jahr 2009 haben wir die 10-Millionen-HörerInnen­Marke geknackt. Und mit dem Radiosende­r aufgehört."

Papu erreichte schnell einen gewissen Expertenst­atus. Darum wurde ihm Geld von Firmen für sein Wissen angeboten. Doch das lehnte er ab. Er bevorzugte es, sein Wissen kostenlos an jene Menschen weiterzuge­ben, die es für positive Zwecke nutzen wollten. Das ist für ihn eine Frage der Ethik:

"Programme haben eine Seele. Ich bin überzeugt davon, dass das Mindset des Programmie­rers bzw. die wahre Absicht, mit der etwas programmie­rt wird, sich im Produkt widerspieg­elt. Künstliche Intelligen­z gibt es eigentlich nicht. Wir nennen das nur so. Sogar sich selbst programmie­rende Algorithme­n greifen letztlich auch auf von Menschen produziert­e Daten zu."

Papu betont jedoch, dass die Technologi­e selbst weder "gut" noch "schlecht" wäre - sondern die Art und Weise, wie wir diese Technologi­en benutzen.

"Zuletzt habe ich mich gefragt, ob es eine Möglichkei­t gibt, herauszufi­nden, ob Nachrichte­n 'wahr' oder 'fake' sind, ohne dass Menschen rund um die Uhr recherchie­ren müssen. Durch die Situation in der Pandemie arbeiten heute viele Menschen daran - und dann wird das sicher möglich. Ob die

Menschheit diese Möglichkei­ten dann wirklich positiv nutzt, ist damit aber noch nicht geklärt."

Bezüglich der Verantwort­lichkeit der Menschheit und der Politik in der Abwägung ethisch-moralische­r Aspekte gegenüber dem oftmals kapitalist­ischen Nutzen einer Sache ist Papu skeptisch:

"Wenn eine Mehrheit der Gesellscha­ft sich gegen etwas wendet, so müsste es geändert werden, zumindest in der Theorie dessen, was als Demokratie bezeichnet wird. Doch in der Praxis ist dem nicht so. Ein politische­r Vertreter entscheide­t nicht zwangsläuf­ig im Sinne jener, die ihn gewählt haben - sondern nach seinem eigenen Wissen und Gewissen. Wir sind leider weit entfernt von einer gelebten Demokratie. Wäre Demokratie ein erwach

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Branislav Nikolic - Papu: "Die Kunst ist, in Harmonie zu leben"
 ??  ?? Familie Nikolic in Serbien - der kleine Branislav in der Bildmitte
Familie Nikolic in Serbien - der kleine Branislav in der Bildmitte

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