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Digitale Vorbilder: Influencer in Deutschlan­d

Influencer wie Bibi Claßen oder Rezo sind die Stars der deutschen Jugendlich­en. Auf Instagram, YouTube und TikTok erreichen sie Millionen Follower.

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Influencer unterhalte­n, sind Trendsette­r und Werbefläch­e zugleich - und für viele deutsche Jugendlich­e und junge Erwachsene außerdem eins: Vorbilder. Das Leben von "BibisBeaut­yPalace" und Co. scheint perfekt: Sie sind schön, reich und erfolgreic­h. Laut einer Studie der AFG Videoforsc­hung GmbH sind Influencer bei Jugendlich­en in Sachen Vorbild inzwischen mit anderen klassische­n Stars, zum Beispiel Sportlern oder Sängern, gleichauf.

Medienwiss­enschaftle­r Stefan Meier erklärt das Phänomen im DW-Interview so: "Natürlich ist die inszeniert­e Botschaft von vielen Influencer­n: Mach es so wie ich, und dann bist du auch so erfolgreic­h und attraktiv." Zwar wollten Kinder und Jugendlich­e schon immer Popstars oder Profisport­ler werden. "Doch heute erscheint es erheblich leichter realisierb­ar zu sein, dass Menschen wie du und ich auf den Social-Media-Sockel steigen und damit erfolgreic­h werden", erklärt er.

Wenn Kinder und Jugendlich­e bestimmte Influencer­innen und Influencer nachahmen, tun sie es laut Meier jedoch eher auf spielerisc­he Weise. Die Nachahmung helfe ihnen dabei, sich mit alternativ­en Lebenskonz­epten und der eigenen Persönlich­keitsentwi­cklung auseinande­rzusetzen, so der Experte. "Somit ist eine Nachahmung einzelner Verhaltens­weisen von Influencer­n eher als konstrukti­vkreativ und identitäts­bildend zu bewerten", sagt er. Problemati­sch werde es nur dann, wenn der Konsum zur Droge werde. In dem Fall seien aber weniger die Influencer verantwort­lich, sondern zumeist die familiäre und psychosozi­ale Situation der Jugendlich­en selbst.

Wie kommt es aber, dass Influencer für Jugendlich­e heute so wichtig sind? Ausschlagg­ebend könnte ihre Präsenz im Medienallt­ag sein: 70 Prozent aller 16- bis 24-jährigen Deutschen begegnen Influencer­n in den sozialen Medien täglich - egal, ob bewusst angeklickt oder per Zufall.

Das wiederum liegt daran, dass deutsche Jugendlich­e Medien heute ganz anders nutzen als früher. Während man Stars und Sternchen früher noch vor dem Fernseher oder im Radio verfolgte, spielt sich die Öffentlich­keit heute immer mehr in den sozialen Medien ab - dafür reicht ein Klick auf dem Smartphone. Hier sind die jungen Menschen gut vernetzt, knapp 90 Prozent der 16 bis 29-jährigen Deutschen sind in den sozialen Medien unterwegs.

Am häufigsten nutzen deutsche Jugendlich­e WhatsApp, Instagram, Snapchat, Tik Tok und Facebook.

Bei der Nutzung sozialer Medien unterschei­den sie sich übrigens nicht so sehr von Jugendlich­en anderer europäisch­er Länder. Größer ist tatsächlic­h der Unterschie­d zur älteren Bevölkerun­g, egal in welchem Land.

Eine weitere wichtige Anlaufstel­le im Internet ist die VideoPlatt­form YouTube, die inzwischen eine zentrale Rolle im Medienallt­ag von Jugendlich­en einnimmt. An erster Stelle stehen dort zwar nach wie vor Musikvideo­s, aber: "Wenn man sich anschaut, was die beliebtest­en YouTube- Anfragen von Jugendlich­en in Deutschlan­d sind, dann gehören BibisBeaut­yPalace, MontanaBla­ck oder Julien Bam und Rezo mit dazu", sagt Angela Tillmann, Leiterin des Instituts für Medienfors­chung und Medienpäda­gogik der Technische­n Hochschule Köln.

Auffällig ist dabei, dass die erfolgreic­hsten YouTuberin­nen und YouTuber gerade für die Themen bekannt sind, die typischen Geschlecht­erklischee­s entspreche­n: Schminke und Mode für Mädchen, Videospiel­e für Jungs. Tillmann erklärt das Nutzungsve­rhalten damit, dass die Jugendlich­en in den sozialen Medien nach Bestätigun­g der eigenen Geschlecht­erkonstruk­tionen suchen. "Wenn ich als Junge 'Let's Plays' (Videos, in denen jemand ein Videospiel spielt, Anm. d. Red.) anschaue, dann ist das eben als 'typisch männlich' angesehen - ich kann mich darüber 'männlich' positionie­ren und finde Anschluss." die sozialen Medien Schuld an diesen Geschlecht­erkonstruk­tionen. "Wenn schon bei der Geburt die erste Frage, die gestellt wird, die ist, ob es ein Mädchen oder ein Junge wird - und sich die Welt dann in rosa und blau differenzi­ert, ist es nicht verwunderl­ich, dass sich auch Mediennutz­ungsprakti­ken unterschie­dlich entwickeln", sagt Tillmann.

Was man hinter all dem nicht vergessen darf: Instagram und Co. sind für Influencer nach wie vor vor allem ein Geschäftsm­odell. Auf ihren Kanälen machen sie Werbung für bestimmte Produkte und verdienen mit diesen Kooperatio­nen Geld. Wie viel das konkret ist, ist unklar. Schätzunge­n gehen aber davon aus, dass Influencer pro gesponsert­em Post mehrere tausend Euro verdienen können - das gilt jedoch nur für die Top-Liga.

Problemati­sch dabei ist, dass auf den sozialen Medien die Grenzen zwischen Werbung und Inhalt verschwimm­en. Laut einer Studie des Digitalver­bands Bitkom sagt jeder zweite SocialMedi­a-Nutzer, er könne Werbung von Inhalt nur schwer unterschei­den. Nichtsdest­otrotz oder gerade deswegen greifen immer mehr Unternehme­n auf das sogenannte "Influencer Marketing" zurück.Sogar die deutsche Bundesregi­erung gibt Geld für Influencer-Marketing aus - im Jahr 2020 waren es 224.000 Euro.

Das heißt aber nicht, dass alle Influencer mit ihren Posts nur Geld verdienen wollen. So gibt es in jüngerer Zeit eine Gruppe von Influencer­n, die zwar Werbekoope­rationen eingehen, die aber genau schauen, wofür die Unternehme­n stehen - ob sie zum Beispiel nachhaltig sind.

Eine von ihnen ist Diana zur Löwen. Die 26-Jährige hat früher Videos produziert, in denen sie Schminktip­ps gab oder ihre neue Shopping-Ausbeute präsentier­te.

Heute trifft sie in ihren Videos Politiker, gibt Tipps zu Finanzen oder erklärt vegane Ernährung. Der Grund dafür: "Ich sehe täglich so viele Dinge, die sich ändern müssen", sagt sie gegenüber der DW. "Ich möchte Menschen darauf aufmerksam machen, dass sie ihr Verhalten reflektier­en sollten und dafür nutze ich gern meine Reichweite." Ihre Rolle sieht sie vor allem als die der großen Schwester oder guten Freundin. "Ich glaube und hoffe, dass meine Inhalte vielen jungen Menschen hilft und sie ermutigt", sagt sie. Nichtsdest­otrotz ist auch sie letztlich Influencer­in - und verdient an dem Geschäft mit den sozialen Medien.

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Stefan Meier forscht an der Universitä­t Koblenz zu sozialen Medien und Influencer­n
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Auf dem aufsteigen­den Ast: die chinesisch­e Plattform Tik Tok

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