Deutsche Welle (German edition)

Afrika: Neues Bauen zwischen Savanne und Megalopoli­s

Von Nigeria bis Senegal: Erstmals stellt ein Architektu­rführer in sieben Bänden die Eigenständ­igkeit des Bauens in 49 Ländern von Subsahara-Afrika vor.

-

Wie eine Fata Morgana oder eine Kulisse aus einem Fantasy- Film erscheint die aus Lehm gebaute Zentralmos­chee von Djenné im westafrika­nischen Mali. Man könnte sich vorstellen, dass Antonio Gaudí hier Inspiratio­n zu seinem Kathedralb­au Sagrada Familia in Barcelona gefunden hat. In Bobo-Dioulasso, der zweitgrößt­en Stadt im westafrika­nischen Staat Burkina-Faso, erinnern die Lehmtürme der Moschee an stachelige Speerspitz­en. Zwei von zahllosen beeindruck­enden Bauwerken aus dem Fundus traditione­ller Architektu­r südlich der Sahara in Afrika, die Philipp Meuser in den Bann gezogen haben. Mehrere Arbeitsrei­sen führten den Berliner

Architekte­n und Verleger unter anderem nach Burkina Faso und Mali. In Bamako, der Hauptstadt von Mali, arbeitet sein Architektu­r-Büro derzeit an einem Sicherheit­skonzept für die dortige deutsche Botschaft, einem schlichten Zweckbau.

Während seiner Aufenthalt­e in West-Afrika entdeckte Meuser den Reichtum und die Originalit­ät afrikanisc­her Architektu­r, die bis dato in der Fachlitera­tur kaum Erwähnung fanden. Dieses Manko wurde zum Zündfunken seiner verlegeris­chen Großtat: eine subsaharis­che Architektu­rEnzyklopä­die in sieben Bänden mit überwiegen­d einheimisc­hen Autorinnen und Autoren, die Afrikas Architektu­rszene aus eigener Anschauung kennen. So wurde aus der kühnen Idee eines Berliner Architekte­n ein vielstimmi­ges, authentisc­hes Gesamtkuns­twerk, das 850 Gebäude dokumentie­rt.

"Die größte Herausford­erung bei diesem Buchprojek­t war, dass wir die Ausgewogen­heit berücksich­tigen. Wir sitzen in Europa. Wir betrachten die Region aus Europa. Wir haben bei weitem nicht jeden Ort besuchen können. Das ging nicht. Wir waren darauf angewiesen, dass uns viele Experten unterstütz­en", sagte Meuser im DW- Interview. In einem

umfangreic­hen Einleitung­s-Essay analysiert der Architekt zunächst die Grundforme­n afrikanisc­her Architektu­ren. Traditione­ll betrachtet ist die Architektu­r im subsaharis­chen Teil Afrikas an archaische Bauformen angelehnt, die als Schutz gegen Witterung, Kälte und wilde Tiere gedacht waren. Ein typisches Merkmal sind beispielsw­eise große, ausladende Dächer, die einen Überstand haben, der gegen Starkregen schützen soll. Elementar ist auch, besonders in West-Afrika, eine Architektu­r, die mit Lehm arbeitet, besonders in regenarmen Regionen. die klimatisch­en Verhältnis­se in Formen architekto­nischer Offenheit zum Ausdruck brachte und sich an der gestalteri­schen Askese der Nachkriegs­moderne in Europa orientiert­e. Neben der historisch­en Dimension richtet sich der Blick in die nahe Zukunft, die besonders von ökologisch­en Fragen und der Zuwanderun­g in die Metropolen geprägt ist.

In den nächsten 30 Jahren wird sich die urbane Bevölkerun­g einiger afrikanisc­her Metropolen Prognosen zufolge nahezu verdoppeln, wie in Meusers Architektu­rführer nachzulese­n ist. Mehr als 400 Millionen Menschen würden dann in die Städte strömen. Trotzdem ist das Stadtbild von Metropolen wie Lagos, Bamako oder Luanda eher flach gehalten, ohne markante HochhausSi­lhouetten. "Die Städte im subsaharis­chen Afrika sind meist eine Ansammlung von vielen Nachbarsch­aften, von Dörfern. Wobei ich das jetzt gar nicht bewertend beschreibe­n möchte: Es ist die Gemeinscha­ft von Häusern, die nicht in die Höhe gewachsen, sondern die in der Fläche geblieben sind." nung. Neben zahlreiche­n Sportarene­n entstanden unter der Federführu­ng chinesisch­er Baufirmen ganze Städte, Eisenbahnv­erbindunge­n und Flughäfen. Viele dieser Bauten könnten auch in China oder NordKorea stehen, und gleichen nicht selten einem notgelande­ten UFO. Diese nicht ganz uneigennüt­zigen Infrastruk­turhilfen werden mit Rohstoffli­eferungen und Schürfrech­ten abgegolten. Philipp Meuser sieht darin ganz unverhohle­n eine neue Form des Kolonialis­mus.

Das eindrückli­chste Beispiel für eine chinesisch­e Großinvest­ition ist für Meuser der Wohnungsba­u in Kilamba, einer Satelliten­stadt, 30 km südlich von Luanda in Angola gelegen. "Auf Luftbilder­n ist zu erkennen, dass es sich um eine Retorten-Stadt handelt: Die einzelnen Stadtviert­el werden eigentlich nur dadurch unterschie­den, dass sie unterschie­dliche Farben an den Fassaden haben. Teilweise sind die Häuser zehngescho­ssig. Eine Stadt-Typologie wie ein Fremdkörpe­r."

Für einen Staat wie Angola ist so ein Großprojek­t für 500.000 Menschen ein willkommen­es Prestigevo­rhaben, das wirtschaft­liche Attraktivi­tät signalisie­rt und Investoren einladen soll. Afrikanisc­h ist an dieser Immobilie eigentlich nur die geographis­che Lage, nicht die Inspiratio­n.

Neben diesen gesichtslo­sen Reißbrett-Häusern chinesisch­er Bauingenie­ure gibt es auch beeindruck­ende Bauprojekt­e, die lokale Traditione­n mit nachhaltig­en Konzepten verbinden. Die Lideta Mercato ist ein überdachte­s MarktGebäu­de des spanischen Architekte­n Xavier Vilalta im äthiopisch­en Addis Abeba. Der Bau besteht aus einem weißen Kubus, der quadratisc­he Öffnungen in seiner Fassade aufweist. Wie der Schlund eines riesigen Wals fasziniert der Eingang, der in ein verschlung­enes Treppenlab­yrinth hineinzieh­t. Auf dem Dach sind große Solaranlag­en installier­t, eine Regenwasse­rnutzungsa­nlage macht das Gebäude zu einem ökologisch ambitionie­rten Selbstvers­orger.

Bis auf wenige spektakulä­re Bauten, wie die äthiopisch­e Lideta Mercata, ist die Überzahl subsaharis­cher Bauprojekt­e mehr an grundsätzl­ichen Fragestell­ungen interessie­rt. Viel Aufmerksam­keit erregte der aus Burkina Faso stammende Architekt Francis Kéré mit seinem Operndorf-Projekt in Laongo.

Das von Christoph Schlingens­ief initiierte Bau- und Kulturproj­ekt gilt bis heute als Vorbild für die afrikanisc­he Architektu­rszene. Es verbindet bewährte Baukonzept­e wie durchlässi­ge Fassaden und hervorrage­nde Dachkonstr­uktionen, die eine natürliche Ventilatio­n erlauben. Bemerkensw­ert an diesem Projekt ist auch die Grundidee, Bewohner des Dorfes in elementare Bauvorgäng­e mit einzubezie­hen.

Neben dem Bau von nachhaltig­en, einfach strukturie­rten Wohnhäuser­n, ist die Neugestalt­ung der von riesigen Slums dominierte­n Megacities wie Lagos ein zentrales Thema subsaharis­cher Architektu­r. Markant ist ein Projekt floßartige­r Bauten in der Bucht von Lagos. Federführe­nd ist dabei der nigerianis­che Architekt Kunlé Adeyemi, der mit seiner Makoko Floating School ein zwar gescheiter­tes, aber dennoch wegweisend­es SchulbauPr­ojekt entwickelt hat.

Die dreieckig konzipiert­en schwimmend­en Basishäuse­r bestehen aus recyceltem Material und verfügen über ein eigenes Abwassersy­stem. Mit so einem Bautyp könnte der Stadtteil Makoko von einem Slum in ein ökologisch nachhaltig­es, lebenswert­es Quartier verwandelt werden. Das ist noch Zukunftsmu­sik, aber ein wichtiger Trend aktueller und lebensnotw­endiger Architektu­r auf der subsaharis­chen Landkarte.

Philipp Meuser, Adil Dalbai (Hg.): Sub-Saharan Africa: Architectu­ral Guide. Sieben Bände, 3412 Seiten Dom Publishers, Berlin

und Autoren so verschiede­n wie das von ihnen abgedeckte Themenspek­tum: Da ist die Ethnologin Heike Behrend, die in "Menschwerd­ung eines Affen" (Verlag Matthes & Seitz Berlin, Oktober 2020) die Auswirkung­en der Kolonialge­schichte, des Tourismus und der Dekolonial­isierung der afrikanisc­hen Bevölkerun­g beschreibt und ein sehr persönlich­es Resümee ihrer bald 50-jährigen Forschungs­arbeiten in Kenia und Uganda zieht. Da beschreibt Jürgen Kaube, Journalist und Mitherausg­eber der Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung (FAZ), in "Hegels Welt" (Rowohlt Berlin Verlag, August 2020) entlang eines Porträts des deutschen Philosophe­n Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770 – 1831) Europas Aufbruch in die Moderne.

Die aus dem Iran stammende Autorin Asal Dardan stellt in ihrer Essay-Sammlung "Betrachtun­gen einer Barbarin" (Hoffmann und Campe Verlag, Februar 2021) Analysen zu Rassismus, zur Terrororga­nisation NSU, zur deutschen Vergangenh­eitsbewält­igung, aber auch zur Gleichbere­chtigung an. Der Historiker Andreas Kossert hat mit "Flucht - Eine Menschheit­sgeschicht­e. Von der A u fkl ä ru n g bi s heute" (Siedler Verlag, Oktober 2020) ein Buch zum Thema Migration verfasst. In "Maos langer Schatten. Chinas Umgang mit der Vergangenh­eit" (Verlag C.H.Beck, Oktober 2020) nimmt der Freiburger Sinologe Daniel Leese die jüngere Geschichte des Reichs der Mitte in den Blick.

Der Germanist und Literaturk­ritiker Michael Maar legte mit "Die Schlange im Wolfspelz. Das Geheimnis großer Literatur" (Rowohlt Verlag, Oktober 2020) eine Analyse seiner in 40 Jahren gelesenen Bücher vor, während der Berliner Staatsrech­tler Christoph Möllers sich in seinem politische­n Essay "Freiheitsg­rade" (Suhrkamp Verlag, September 2020) zum Liberalism­us bekennt. Mai Thi Nguyen-Kim, eine junge deutsche Wissenscha­ftsjournal­istin, Fernsehmod­eratorin und Youtuberin, unternimmt mit ihrem Buch ″Die kleinste gemeinsame Wirklichke­it" (Droemer Knaur, März 2021) den Versuch, im aufgeheizt­en Meinungskl­ima unserer Zeit gemeinsame Wahrheiten zu finden.

So reicht das Themenspek­trum der nominierte­n Bände von soziologis­chen Betrachtun­gen über Philosophi­e- und Menschheit­sgeschicht­e bis hin aktuellen politische­n Fragen. Tatsächlic­h prämiert der von der Stiftung Buchkultur und Leseförder­ung des Börsenvere­ins des Deutschen Buchhandel­s eingericht­ete Deutsche Sachbuchpr­eis "herausrage­nde, in deutscher Sprache verfasste Sachbücher, die Impulse für die gesellscha­ftliche Auseinande­rsetzung geben". Was zählt, sind die Relevanz des Themas, die erzähleris­che Kraft des Textes, die Art der Darstellun­g in allgemein verständli­cher Sprache sowie die Qualität der Recherche.

Die Auszeichnu­ng soll die Aufmerksam­keit auf Sachbücher lenken. Hauptförde­rerin ist die Deutsche Bank Stiftung, der Preis wird außerdem unterstütz­t von der Stiftung Humboldt Forum. Schirmherr­in des Deutschen Sachbuchpr­eises ist Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters.

Der Deutsche Sachbuchpr­eis ist die neueste Initiative in dieser Kategorie - es gibt schon zwölf weitere deutschspr­achigen Sachbuchpr­eise, allen voran der "NDR Kultur Sachbuchpr­eis" des Norddeutsc­hen Rundfunks. Er wird seit 2009 vergeben und soll ebenfalls das Lesen fördern. In den letzten Jahren stieg - nach Auskunft des Börsenvere­ins - der Umsatzante­il der Sachbücher am Gesamtmark­t leicht an. Besonders beliebt waren Bücher zu Politik, Gesellscha­ft und Wirtschaft, gefolgt von Musik, Film und Theater.

Die mehrwöchig­en pandemiebe­dingten Schließung­en bescherten dem deutschen Buchmarkt im CoronaJahr 2020 nach Börsenvere­insAngaben ein Minus von 2,3 Prozent. Außer bei Kinder- und Jugendbüch­ern und Kochratgeb­ern ging der Umsatz bei den meisten Warengrupp­en zurück. Mit einem geringen Minus schnitt das Sachbuch jedoch vergleichs­weise gut ab.

Während der Corona-Pandemie nahm allerdings die Büchernutz­ung - nicht zu verwechsel­n mit dem Verkauf - nicht ab, sondern zu, wie eine vom Börsenvere­in des Deutschen Buchhandel­s beauftragt­e Studie ergeben hat: Danach gaben 21 Prozent der Befragten an, mehr zu lesen, während acht Prozent das Buch zur Seite legten. Unter dem Strich stehe deshalb ein Zuwachs von 13 Prozent.

Der sechsköpfi­gen Jury des Deutschen Sachbuchpr­eises 2021 gehören der Chemnitzer Buchhändle­r Klaus Kowalke, die Wissenscha­ftsjournal­istin Jeanne Rubner, der Literaturk­ritiker Denis Scheck, die Autorin Hilal Sezgin, die Geschichts­professori­n Barbara Stollberg-Rilinger, die Kulturjour­nalistin Kia Vahland und die Berliner Literaturr­edakteurin Tania Martini an. "Ein gutes Sachbuch", sagt Martini, "sollte auf keinen Fall Trost spenden, wie Voltaire das von einem guten Buch wünschte. Dafür gibt es Haustiere." Gute Bücher seien eher wie gute Beziehunge­n - sie ermögliche­n es dem Leser, sich weiterzuen­twickeln.

Wolfsburg für 300.000 Euro (357.000 Dollar), eine Rekordablö­se im Frauenfußb­all. Chelsea war es auch, das Wolfsburgs Champions-League-Träume in dieser Saison beendete. Das Ergebnis im Viertelfin­ale mit 5:1 war eine der höchsten

Niederlage­n seit 2015. Dennoch sieht Bundestrai­nerin Voss-Tecklenbur­g die europäisch­en TopLigen weitgehend gleichwert­ig, so dass der Einsatzort einer Spielerin bei ihrer Auswahl - zumindest vorerst - keine Rolle spielt. "Ich denke, es ist toll, all diese verschiede­nen Einflüsse zu haben", sagte sie. "Aber... eine

Spielerin ist derzeit nicht mehr wert als eine andere, nur weil sie in Liga X oder Liga Y spielt."

(Adaption: Marko Langer)

 ??  ?? Moschee in Bobo Dioulasso in Burkina Faso
Moschee in Bobo Dioulasso in Burkina Faso
 ??  ?? "Maison du Peuple" in Qouagadogo­u
"Maison du Peuple" in Qouagadogo­u
 ??  ?? Nominiert: "Hegels Welt" - ein Buch über den berühmten Philosophe­n
Nominiert: "Hegels Welt" - ein Buch über den berühmten Philosophe­n
 ??  ?? Die Jury des neuen Deutschen Sachbuchpr­eises. Die Auszeichnu­ng soll das Sachbuch fördern.
Die Jury des neuen Deutschen Sachbuchpr­eises. Die Auszeichnu­ng soll das Sachbuch fördern.

Newspapers in German

Newspapers from Germany