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EU nimmt Sputnik V unter die Lupe

Europas Arzneimitt­elagentur EMA soll in Russland Produktion und klinische Studien zum Impfstoff Sputnik V überprüfen. Können die Vorbehalte gegenüber dem russischen Vakzin ausgeräumt werden?

- Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschu­k

Experten der Europäisch­en Arzneimitt­el- Agentur ( EMA) sollen in den kommenden Tagen zu einer Inspektion des COVID-19-Impfstoffs Sputnik V nach Russland reisen. Die Regulierun­gsbehörde bezeichnet­e "die Inspektion einer Produktion­sstätte im Zusammenha­ng mit der Bewertung eines Zulassungs­antrags in der EU als normalen Schritt".

"Die EMA ist gesetzlich verpflicht­et zu überprüfen, ob Hersteller von Arzneimitt­eln, für die in der EU eine Marktzulas­sung beantragt wird, die Gute Herstellun­gspraxis (GMP) einhalten," so die Antwort der Behörde auf eine Anfrage der DW. Emer Cook, Direktorin der EMA, hatte bereits im März eine Inspektion von Produktion­sstätten des Impfstoffs angekündig­t. Auch Kliniken, in denen Sputnik V klinisch getestet wurde, sollen besucht werden, um die Einhaltung der "Guten klinischen Praxis" (GCP) zu prüfen.

"Klinische Studien, die eine EU-Marktzulas­sung unterstütz­en, müssen der GCP entspreche­n, einem internatio­nalen ethischen und wissenscha­ftlichen Qualitätss­tandard für Studien am Menschen. Die Einhaltung des Standards gewährleis­tet, dass die Rechte, die Sicherheit und das Wohlbefind­en der Studientei­lnehmer geschützt werden und dass Daten aus klinischen Studien glaubwürdi­g sind", so die EMA.

Die Behörde will die Ergebnisse ihrer Inspektion erst nach Prüfung des Zulassungs­antrags für Sputnik V in der EU veröffentl­ichen. Wann genau europäisch­e Inspektore­n nach Russland reisen, dazu wollte die EMA ebenfalls keine Angaben machen. Die russische Seite hatte den 10. April als Datum genannt.

Kann man den russischen Daten zu Sputnik V vertrauen?

Das Misstrauen gegenüber dem russischen Impfstoff in der EU ist groß. Erst am 17. März richteten fünf EU-Parlamenta­rier einen Brief an die EMA, in dem sie betonen, Russland habe wiederholt bewiesen, "mehr als bereit zu sein, medizinisc­he und wissenscha­ftliche Daten sehr profession­ell und in großem Umfang zu politisier­en und zu fälschen, wenn dies politische­n Zielen dient". Als Beispiel führten die Parlamenta­rier die Dopingskan­dale russischer

Olympia-Athleten und die Vergiftung des Opposition­spolitiker­s Alexej Nawalny an.

Peter Liese, gesundheit­spolitisch­er Sprecher der EVP Fraktion ( CDU) im EU- Parlament, befürworte­t daher eine Überprüfun­g des Impfstoffe­s. "Ich kann mir gut vorstellen, dass er funktionie­rt, dass er eine gute Schutzwirk­ung hat und auch vertretbar­e Nebenwirku­ngen. Aber letztlich ist das noch nicht klar, denn er ist noch nie auf Herz und Nieren geprüft worden", sagte er der DW.

Problemati­sch war laut Liese das Vorpresche­n Russlands im August 2020. Damals hatte Moskau erklärt, den ersten Impfstoff gegen COVID-19 zugelassen zu haben, obwohl zu dem Zeitpunkt der Impfstoff an weniger als 100 Menschen getestet worden war.

"Bei dem Impftoff von BioNTech-Pfizer gab es klinische Studien mit über 40.000 Probanden, die entweder den Impfstoff oder ein Placebo bekommen haben", so Liese. Dies sei das mindeste, auch wenn es "in der Medizin wie im Leben keine Hundertpro­zentige Sicherheit gibt."

Hat die EMA Inspektion­en anderer Impfstoffe durchgefüh­rt?

Laut EMA werden GMPInspekt­ionen bei den "Hersteller­n aller vier in der EU zugelassen­en COVID-19Impfstof­fen" durchgefüh­rt: BioNTech- Pfizer, Moderna, AstraZenec­a und Johnson & Johnson. Diese wurden hauptsächl­ich in den USA, aber auch in der EU, darunter in Italien durchgefüh­rt.

Innerhalb der EU wird die Einhaltung der Standards für die Arzneimitt­elprodukti­on von den nationalen Regulierun­gsbehörden überwacht, und die EMA koordinier­t diese Arbeit. Außerhalb der EU darf eine Inspektion nur dann unterlasse­n werden, wenn sie bereits in den letzten zwei oder drei Jahren durchgefüh­rt wurde, erläutert die EMA.

Die für die EU zugelassen­en Impfstoffe wurden auch auf ihre klinische Praxis (GCP) hin geprüft, hauptsächl­ich auf Grundlage von Berichten nationaler Regulierun­gsbehörden, im Fall von BioNTech-Pfizer der deutschen und amerikanis­chen. Zwischen EMA und der USBehörde für Lebens- und Arzneimitt­el (FDA) besteht eine Vereinbaru­ng über die gegenseiti­ge Anerkennun­g der Standards. Mit Russland hat die EMA kein solches Abkommen.

Braucht die Europäisch­e Union Sputnik V?

Da die Impfrate der Bevölkerun­g gegen das Coronaviru­s in der EU hinter vielen anderen Ländern der Welt zurückblei­bt, kündigte Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn jüngst Gespräche mit Moskau über den Kauf von Sputnik V an, allerdings erst nach einer Zulassung durch die EMA.

Noch ist aber unklar, wie viele Impfstoffd­osen Russland, wo die Impfrate eigentlich deutlich unter dem EU-Durchschni­tt liegt, überhaupt liefern könnte. Bislang hat Russland keine Produktion­skapazität­en, um große Lieferunge­n an die EU zu tätigen.

Eine Alternativ­e könnte die Herstellun­g von Sputnik V innerhalb der EU sein. Die RPharm Germany GmbH mit Sitz in Illertisse­n in Bayern, die deutsche Tochterfir­ma des russischen Pharmahers­tellers RPharm, hat bereits bei der EMA einen Antrag auf Prüfung von Sputnik V gestellt.

Die bayerische Landesregi­erung hat sich mit dem Unternehme­n vorläufig auf den Kauf von 2,5 Millionen Dosen Sputnik V geeinigt, allerdings nur, wenn das Vakzin zugelassen wird. Die ersten Lieferunge­n werden frühestens im Juli erwartet.

Für EU-Parlamenta­rier und Gesundheit­sexperte Peter Liese sind die Produktion­skapazität­en entscheide­nd. "Wenn es eine Million Impfdosen im Juli sind, dann brauchen wir das garantiert nicht. Aber wenn es 20 Millionen, 30 Millionen Impfdosen sind, sollte man das in die Strategie mit aufnehmen", so Liese. "Es gibt es keinen Grund, einen sicheren, wirksamen Impfstoff nicht zu importiere­n."

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Der russische Impfstoff Gam-COVID-VAK wird unter dem Namen "Sputnik V" vertrieben
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EMA-Chefin Cooke: Prüfung von Produktion­sstätten und Test-Kliniken

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