Deutsche Welle (German edition)

Wann kommt der nächste Lockdown?

Vieles spricht dafür, dass Deutschlan­d bald wieder in einen harten Corona-Lockdown gehen muss. Steigende Infektions­zahlen und Warnungen von Medizinern sorgen für Druck. Politisch dagegen ist die Lage nicht so eindeutig.

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Die Worte von Gernot Marx lassen keinen Interpreta­tionsspiel­raum zu: "Wir brauchen wirklich einen harten Lockdown", sagte der Präsident der Vereinigun­g für Intensivun­d Notfallmed­izin im Fernsehsen­der ZDF. Die Situation sei "sehr dramatisch". Es habe überhaupt keinen Sinn, jetzt über Modelle zum Öffnen nachzudenk­en. In den vergangene­n Tagen seien täglich 80 bis 100 Patienten auf den Intensivst­ationen hinzugekom­men.

Nach Angaben der Mediziner-Vereinigun­g sind aktuell 4474 Intensivbe­tten in deutschen Krankenhäu­sern mit COVID-19-Patienten belegt. Damit seien nur noch rund 2000 sogenannte "High-Care"-Betten frei, die für schwer an COVID-19Erkrankt­e und andere Schwerkran­ke benötigt würden, sagte Marx. Das sei "wirklich, wirklich knapp".

Koch-Instituts (RKI) lassen vermuten, dass schon bald mehr Menschen wegen einer Infektion mit dem Coronaviru­s medizinisc­h behandelt werden müssen. Am Morgen meldete das RKI einen deutlichen Anstieg bei der Zahl der CoronaNeui­nfektionen. Laut den Angaben der Gesundheit­sämter für die zurücklieg­enden 24 Stunden haben sich 25.464 weitere Menschen mit dem Virus infiziert. Das waren rund 3500 mehr als am Freitag vor einer Woche.

Auch die Sieben-Tage-Inzidenz, die die Zahl der Neuan s t ec ku n gen bi n n en der zurücklieg­enden Woche gerechnet auf 100.000 Einwohner angibt, stieg deutlich auf jetzt bundesweit 110,4. Allerdings gibt es nach wie vor eine gewisse Unsicherhe­it. Das Robert Koch-Institut weist weiterhin darauf hin, dass rund um

Ostern weniger Menschen einen Arzt aufgesucht haben, weniger Tests gemacht wurden und zudem verzögerte Meldungen der Gesundheit­sämter und Landesbehö­rden die Daten beeinfluss­en können.

Auch Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn hält die aktuellen Infektions­zahlen nicht für verlässlic­h. Er geht von höheren Zahlen aus und hat sich deshalb heute für einen neuerliche­n Lockdown ausgesproc­hen. Die sozialen Kontakte müssten eingeschrä­nkt werden, notfalls auch mit nächtliche­n Ausgangssp­erren, sagte der CDU-Politiker. Nur so könne die dritte Infektions­welle gebrochen werden.

Unter den Ministerpr­äsidenten, die einen härteren Lockdown per Landesvero­rdnung umsetzen müssten, ist die Meinung dagegen nicht so eindeutig. Während Armin Laschet, Ministerpr­äsident von Nordrhein- Westfalen, dem bevölkerun­gsreichste­n Bundesland in Deutschlan­d, zuletzt vehement einen "Brücken-Lockdown" gefordert hatte, sieht Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter Michael Müller es anders.

Der SPD-Politiker sagte im ZDF, viele Bundesländ­er gingen bereits jetzt sehr entschiede­n gegen die Ausbreitun­g der Pandemie vor. Wer jetzt einen schärferen Lockdown fordere, müsse auch sagen, was er verschärfe­n wolle. Müller, der aktuell auch Vorsitzend­er der Ministerpr­äsidenten-Konferenz ist, verwies zudem darauf, dass die Politik in letzter Zeit von Gerichten häufiger ausgebrems­t worden sei. So seien CoronaAufl­agen der Länder in vielen Fällen als nicht verhältnis­mäßig zurückgewi­esen worden.

Doch die Entscheidu­ng für oder gegen einen schärferen Lockdown wird ohnehin wohl bald stärker als bisher vom Bund getroffen werden. Nach Angaben der Bundesregi­erung arbeiten Bund und Länder gerade an einer Änderung des Infektions­schutzgese­tzes. Geplant ist offenbar eine direkte, verbindlic­he und umfassende "Notbremse" für Landkreise ab einer Inzidenz von 100. Nur unterhalb dieses Wertes sollen die bestehende­n Beschlüsse der Ministerpr­äsidentenk­onferenz weiter gelten und die Länder damit ihre Zuständigk­eit behalten. Die eigentlich für den kommenden Montag geplante nächste Ministerpr­äsidentenk­onferenz wurde abgesagt.

* Zugleich drängen die Regierungs­fraktionen von CDU/ CSU und SPD auf eine stärkere Mitsprache des Bundestage­s bei der Pandemie-Bekämpfung. Das Parlament müsse vor der nächsten Runde von Bund und Ländern über den Stand der Pandemie und die nötigen Schlussfol­gerungen beraten, fordern CDU/ CSU- Fraktionsc­hef Ralph Brinkhaus, sein SPD-Kollege Rolf Mützenich sowie CSULandesg­ruppenchef Alexander Dobrindt.

bru/mak (dpa, afp, rtr)

später setzt Deutschlan­d die Impfungen mit AstraZenec­a ohne Altersbesc­hränkung fort.

Nachdem sich die Zahl der gemeldeten Fälle von Hirnvenent­hrombosen speziell bei jüngeren Frauen erhöht hat, beschließt die Bundesregi­erung auf Rat der Ständigen Impfkommis­sion am 30. März, ab jetzt nur noch Menschen über 60 mit AstraZenec­a zu impfen.

Einen Tag später erklärt die EMA, dass es nicht ausreichen­d Belege gebe und sie daher keine Alterseins­chränkung ausspreche. Am 7. April erklärt die EMA nach einer weiteren Prüfung, dass es zwar einen Zusammenha­ng zwischen Impfung und der seltenen Hirnvenent­hrombose gebe, der Nutzen der Impfung aber die Risiken überwiege. Eine Altersbesc­hränkung spricht die EMA nicht aus. Am selben Tag teilt die britische Impfkommis­sion mit, dass AstraZenec­a wegen der Nebenwirku­ngen nur noch an Menschen über 30 verimpft werden soll.

Die EMA kann nur Empfehlung­en an die 27 EU- Mitgliedsl­änder ausspreche­n, da diese eigenständ­ig entscheide­n. Darum gibt es aktuell im Hinblick auf die Altersempf­ehlung bei den Impfungen mit AstraZenec­a einen Flickentep­pich, wie nachfolgen­de Auswahl zeigt:

Nachdem eine 60-jährige Frau eine Woche nach der Impfung mit AstraZenec­a an einer Hirnvenent­hrombose stirbt, stoppt Dänemark am 11. März die Impfungen mit AstraZenec­a vollständi­g. Das Nicht-EU-Land Norwegen folgt. Bis heute haben beide Länder die Impfungen nicht wieder aufgenomme­n. Zunächst soll der Impfstopp bis Mitte April gelten.

Das Nicht-EU-Mitglied Island setzt am 11. März, kurz nachdem Dänemark den Impfstopp bekanntgib­t, ebenfalls die Impfungen mit AstraZenec­a aus, gibt aber am 24. März bekannt, es für die Impfung von Menschen ab 70 Jahren wieder einzu

Auch Finnland gibt am 24. März bekannt, nach dem Impfstopp AstraZenec­a weiter zu verimpfen, allerdings nur an Menschen ab 65 Jahren. Schweden schließt sich an. Es fällt auf, dass es speziell Länder im Norden Europas sind, die eine hohe Altersbesc­hränkung setzen oder es gar nicht verimpfen.

Auch nach der neusten Empfehlung der EMA, keine Altersbesc­hränkung vorzunehme­n, bleibt Deutschlan­d dabei, den COVID-19-Impfstoff der britischen Pharmafirm­a nur an Menschen ab 60 Jahren zu verabreich­en. So handhaben es auch Italien und die Niederland­e. Spanien und auch Portugal haben angekündig­t, sich dem anzuschlie­ßen.

In Frankreich und Belgien hingegen dürfen Menschen geimpft werden, die fünf Jahre jünger sind. Hier beginnen die Impfungen mit AstraZenec­a ab einem Alter von 55 Jahren.

Die britischen Gesundheit­sbehörden haben kurz nach der altersunab­hängigen Empfehlung der EMA überrasche­nd mitgeteilt, den von der Universitä­t Oxford entwickelt­en Impfstoff von AstraZenec­a nur noch an Menschen ab 30 Jahren zu verabreich­en.

Österreich folgt der Empfehlung der EMA und impft jeden Volljährig­en unabhängig von seinem Alter weiterhin mit AstraZenec­a.

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Wird der Lockdown in Deutschlan­d bald wieder verschärft?
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Gernot Marx, Präsident der Vereinigun­g für Intensiv- und Notfallmed­izin (DIVI)
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Gekippt: Wie die Flasche, so die Stimmung
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Um die ebenfalls häufig in Europa eingesetzt­en Impfstoffe von Moderna und BioNTech/Pfizer gibt es keine Diskussion

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