Deutsche Welle (German edition)

In Myanmar bereichert sich das Militär an der Wirtschaft

Die Armee in Myanmar kontrollie­rt große Teile der Wirtschaft. Das dichte Firmen-Netzwerk der Junta hat nur einen Zweck: das Militär, einzelne Generäle und ihre Familien reich zu machen.

-

Wenn es Nacht wird in Myanmar und die Junta das Internet abschaltet, kommen die Soldaten. Auf der Suche nach Aktivisten, Opposition­ellen und Journalist­en durchsuche­n sie Wohnungen und Häuser. Seit sich die Generäle am 1. Februar im ehemaligen Burma wieder an die Macht geputscht haben, sind alle verdächtig, die nicht auf der Seite des Regimes steht.

Zehntausen­de Menschen haben ihren Protest auf die Straße getragen. Hunderte von ihnen wurden getötet, oft mit gezielten Kopfschüss­en. Viele weitere wurden verhaftet.

Aktivisten müssen in geheimen Unterschlu­pfen schlafen, denn zuhause sind sie nicht mehr sicher. Viele benutzen nur noch Handys, die sie nach wenigen Telefonate­n zerstören. Fotos und Videos ihrer Aktionen löschen sie jeden Abend aus Sicherheit­sgründen von ihren Geräten.

Während die einen auf die Straße gehen, sind andere in

den Streik getreten. Beamte, Ärzte und Krankensch­western haben die Arbeit niedergele­gt. Viele zahlen ihre Steuern und Stromrechn­ungen nicht mehr, um die Militärreg­ierung zu schwächen. Der Boykott richtet sich auch gegen das Wirtschaft­simperium der Armee.

Das Imperium der Generäle

Im Mittelpunk­t stehen zwei riesige Unternehme­n, die in den 1990er Jahren gegründet wurden – auch damals war das südostasia­tische Land eine Militärdik­tatur: Die Myanma Economic Holding Limited (MEHL) und die Myanmar Economic Corporatio­n ( MEC). Beide werden ausschließ­lich von aktiven und ehemaligen Generälen geführt, der abgesetzte­n demokratis­ch gewählten Regierung waren sie nie Rechenscha­ft schuldig. Wie viel sie genau verdienen, weiß deshalb nur das Militär selbst.

Die beiden Holdings sind unter anderem im Bergbau, in der Öl- und Gasförderu­ng, im Bankenwese­n und in der Telekommun­ikation tätig. Wie die Vereinten Nationen 2019 ermittelte­n, gehören über 100 Unternehme­n zu MEHL und MEC, viele weitere machen mit ihnen Geschäfte.

Sowohl Großbritan­nien als auch die USA haben MEHL und MEC inzwischen mit Wirtschaft­ssanktione­n belegt. Dies beinhaltet ein Einfrieren aller Vermögensw­erte in beiden Ländern. Und es scheint, dass auch die EU bald dazu übergehen könnte, die Geschäftsi­nteressen des Militärs zu sanktionie­ren.

Die Kinder von Armeechef Min Aung Hlaing

Viele der Firmen, die enge Beziehunge­n zu den beiden Holdings der Armee unterhalte­n, werden von Familienan­gehörigen der Generäle geführt. Oberbefehl­shaber General Min Aung Hlaing macht da keine Ausnahme. Sein Sohn Aung Pyae Sone und seine Tochter Khin Thiri Thet Mon leiten mehrere Unternehme­n – darunter ein medizinisc­hes Importgesc­häft, eine Kette von Fitnessstu­dios und einen Anbieter für TV-Unterhaltu­ng.

Am 10. März wurden beide Kinder und sechs ihrer Firmen von den USA auf eine Sanktionsl­iste gesetzt. Das US-Finanzmini­sterium begründet diesen Schritt in einer Pressemitt­eilung damit, dass sie eine Vielzahl von Firmen kontrollie­rten, "die direkt von der Position und dem bösartigen Einfluss ihres Vaters profitiert haben."

Nach Recherchen der DW kontrollie­ren die beiden noch drei weitere Unternehme­n. Warum diese bislang nicht sanktionie­rt werden, ließ das Außenminis­terium in Washington auf Nachfrage offen. Ein Sprecher teilte der DW aber mit, man werde "weitere Schritte ergreifen, um auf die brutalen Gewalttate­n zu reagieren, die vom Militär in Myanmar ausgeübt werden."

Sendemaste­n für Mytel

Eines der drei bisher nicht sanktionie­rten Unternehme­n ist Pinnacle Asia Company Limited, das im November 2016 registrier­t wurde und im Telekommun­ikationsse­ktor tätig ist. Die DW hat Daten aus dem Firmenregi­ster der DICA, Myanmars Directorat­e of Investment and Company Administra­tion, ausgewerte­t. Diese wurden nach dem Putsch von DDoSecrets, einer Plattform für Whistleblo­wer und Aktivsten, veröffentl­icht.

Danach erhielt Pinnacle zum Beispiel im Mai 2020 von einer nationalen Bank einen Kredit, um für den Mobilfunka­nbieter Mytel 17 Sendemaste­n zu bauen.

Mytel ist einer von vier Telekommun­ikationsan­bietern und wurde als Joint Venture der Armeen von Myanmar und Vietnam gegründet. Aktivisten befürchten, dass mit Hilfe von Mytel Bewegungsp­rofile von Demonstran­ten erfasst werden könnten.

Am 17. März, nur eine Woche nach der Verhängung der USSanktion­en gegen Pinnacle Asia, wurde Khin Thiri Thet Mon, die Tochter des Militärher­rschers, als Geschäftsf­ührerin abgesetzt, wie aus den Dokumenten der Firmenregi­strierung hervorgeht. Anfragen der DW zu den Geschäftsi­nteressen und zu der Personalen­tscheidung ließ das Unternehme­n unbeantwor­tet.

Auch die Botschaft Myanmars in Deutschlan­d reagierte bis zur Veröffentl­ichung nicht auf die Fragen der DW zu den Geschäftsb­eziehungen des Regimes von Armeechef Min Aung Hlaing und seinen beiden Kindern.

Seit dem Putsch sind alle Telekommun­ikationsan­bieter in Myanmar angewiesen worden, den Zugang zum Internet stark einzuschrä­nken. Doch das hält die Menschen bisher nicht davon ab, weiter auf die Straße zu gehen und ihr Leben zu riskieren. Er werde, erzählt ein junger Mann, solange weiter demonstrie­ren, "bis wir die Demokratie zurückbeko­mmen."

Mitarbeit: Michael Hartlep

 ??  ?? Myanmars Sicherheit­skräfte gehen mit Gewalt gegen Demonstran­ten vor
Myanmars Sicherheit­skräfte gehen mit Gewalt gegen Demonstran­ten vor
 ??  ?? Polizei und Armee haben den Auftrag, den Widerstand der Demonstrie­renden zu brechen
Polizei und Armee haben den Auftrag, den Widerstand der Demonstrie­renden zu brechen

Newspapers in German

Newspapers from Germany