Deutsche Welle (German edition)
Wie gut ist der Corona-Impfstoff von AstraZeneca?
Billig, einfach zu lagern - AstraZenecas Corona-Vakzin galt als Hoffnungsträger. Doch Thrombose-Fälle und Einschränkungen sorgen für Verunsicherung. Wie wirksam ist der Impfstoff? Ist er für alle Altersgruppen geeignet?
Das können auch Forscher und Experten noch nicht beantworten. Nach der Impfung mit dem Impfstoff von AstraZeneca sind seltene Fälle von Hirnvenenund Sinusvenenthrombosen aufgetreten, die zum Teil zum Tode führten. Diese Nebenwirkungen habe man "überwiegend bei Frauen im Alter ≤55 Jahren beobachtet", schreibt die deutsche STIKO am 1. April. "Inwieweit die vermehrte Anwendung des Impfstoffs bei jüngeren Frauen eine Rolle für die beobachtete Geschlechtsund Altersverteilung spielt, ist noch unklar." Dis Symptome traten vier bis 16 Tage nach der Impfung auf, hätten aber auch Männer und Ältere betroffen. Die EMA mutmaßt in den AstraZeneca- Produktinformationen, dass die häufigeren Fälle von Thrombosen bei Frauen unter 55 Jahren "möglicherweise auf die verstärkte Anwendung des Impfstoffs in dieser Bevölkerungsgruppe zurückzuführen ist". Die These basiert auf der Annahme, dass mehr Frauen in Pflegeberufen sowie Hospitälern arbeiten, die bei der Impfung priorisiert wurden. sind, auf dieses zurückzuführen sind, ist weiterhin nicht abschließend geklärt. Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) berichtet von 86 ThromboseFällen, die über die Datenbank "EudraVigilance" in Europa bis zum 22. März erfasst wurden. Diese Fälle stehen rund 25 Millionen verabreichten Impfdosen gegenüber. 18 der 86 Fälle endeten laut EMA tödlich. Aktuellere Zahlen auf europäischer Ebene liegen nicht vor. Einzelne Mitgliedsstaaten haben bereits aktuellere Erhebungen.
Spezifische Risikofaktoren könne man laut EMA nicht erkennen. Der Nutzen übersteige weiterhin die Risiken einer Impfung mit AstraZeneca.
Auch andere Experten hatten zuvor betont, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen Impfungen und Thrombosen bisher nicht einwandfrei festgestellt worden sei. Für Bedenken gesorgt hatte, dass es sich teils um eine spezielle, eher seltene Form der Blutgerinnsel im
Gehirn handelte, und nicht um gewöhnliche Thrombosen.
Als entscheidend für die Frage, ob der AstraZenecaImpfstoff das Thrombose-Risiko nun erhöht oder nicht, könnte sich der Hinweis von Wissenschaftlern aus Greifswald herausstellen: Dem Team um Transfusionsmediziner Andreas Greinacher zufolge soll der Grund für diese Art der Komplikation ein bestimmter Mechanismus des Immunsystems sein. Das AstraZeneca-Serum könne bei einigen Geimpften eine starke Abwehrreaktion auslösen, bei der auch die Blutplättchen aktiviert werden, was wiederum zu den schwerwiegenden Hirnvenenthrombosen mit Blutplättchenmangel führen würde. Betroffene können jedoch laut einer Pressemitteilung der Universität Greifswald mit einem Wirkstoff gegen die Thrombose therapiert werden - somit könne weiter mit AstraZeneca geimpft werden.
Vertrauensverlust lässt sich in mehreren Umfragen erkennen. In einer Erhebung von YouGov erklärte Mitte März 2021 jeweils ein großer Bevölkerungsanteil, dass der Impfstoff von AstraZeneca unsicher sei: 61 Prozent der befragten Franzosen, 55 Prozent der Deutschen, 52 Prozent der Spanier und 43 Prozent der Italiener beurteilen die Vakzine als nicht sicher - Tendenz steigend. In Großbritannien lag der Wert dagegen nur bei vier Prozent, während zumindest Mitte März dort noch 79 Prozent den Impfstoff als sicher einstuften. In einer Umfrage der Universiät Wien sagten 57 Prozent der befragten Österreicher, dass sie sich nicht oder eher nicht mit dem AstraZenecaWirkstoff impfen lassen würden. Wie in der YouGov-Umfrage erzielten andere Impfstoffe bessere Resultate.
Dem gegenüberstehen allerdings Meldungen, wonach sich viele Menschen auf frei gewordene Impftermine mit dem AstraZeneca- Präparat melden. In Deutschland gab es beispielsweise am Osterwochenende einen regelrechten Ansturm auf AstraZenecaImpfangebote von Menschen, die älter als 60 sind.
Fast 200.000 Impfungen wurden allein im Gebiet Nordrhein, das zum Bundesland NRW gehört, kurzfristig vergeben. Knapp 100 Millionen Zugriffe auf die Buchungsseite habe man registriert, teilte die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein mit. Viele Menschen ziehen das statistisch geringere Risiko einer Impfung mit AstraZeneca der Gefahr einer möglichen Corona-Infektion vor.
Für andere Menschen ist der AstraZeneca- Impfstoff jedoch ein weniger attraktiver Impfstoff, da seine statistische Wirksamkeit etwas unter der von anderen Präparaten wie BioNtech/Pfizer liegt. sei ein "unvollständiges Bild der Wirksamkeit vermittelt" worden, teilte die Behörde mit. In den USA ist AstraZeneca bislang nicht zugelassen. AstraZeneca hatte daraufhin neue Daten angekündigt. An der neuen Studie nahmen 32.449 Probanden teil, zwei Drittel seien geimpft worden, teilte der Pharmakonzern mit.
Frühere Studien zeigten, dass die Wirksamkeit auf 82 Prozent steigt, wenn eine zweite Dosis zwölf oder mehr Wochen nach der ersten Dosis verabreicht wird. Eine andere Studie kommt auf eine Wirksamkeit von 84 Prozent. Auch hinsichtlich Hospitalisierungen sind die Werte gut: Eine Studie der Universität von Edinburgh, die als eine der ersten die Wirksamkeit von Corona-Impfstoffen in der realen Anwendung untersuchte, zeigte, dass vier Wochen nach der ersten Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff das Risiko der Geimpften, wegen COVID-19 ins Krankenhaus zu müssen, um 94 Prozent zurückging. Bei Impfungen mit dem Präparat von BioNTech/Pfizer sinkt das Risiko der Studie zufolge um 85 Prozent.
In mehreren Ländern wurden die Impfungen mit dem Serum des britisch-schwedischen Konzerns zwischenzeitlich wegen des Auftretens der Thrombosen ausgesetzt. Als erstes Land hatte am 7. März Österreich die Impfungen mit einer bestimmten AstraZeneca-Charge gestoppt - dort hatten drei Menschen nach der Impfung eine Thrombose erlitten, eine Person verstarb. Einige Tage später entschied sich auch Dänemark nach einem Todesfall, vorerst das AstraZeneca-Präparat nicht mehr einzusetzen.
Aufgrund dieser und weiterer Fälle von Blutgerinnseln und Thrombosen zogen in der Folge auch Italien, Norwegen, Bulgarien, Rumänien, Island, Estland, Litauen, Luxemburg, Portugal, Slowenien, Zypern, Frankreich, Spanien, Lettland sowie weitere Länder Chargen des Vakzins aus dem Verkehr oder stoppten den Einsatz komplett. Thailand und Indonesien verschoben den Impfstart mit AstraZeneca.
Die meisten Länder erklärten, es handle sich um eine Vorsichtsmaßnahme und man wolle weitere Untersuchungen abwarten. Genau diese wurden von der EMA durchgeführt - die Europäische Arzneimittelbehörde stufte AstraZeneca am 18. März erneut als sicher ein und empfahl die Verwendung. Der Nutzen des Impfstoffs beim Schutz vor einer COVID-19-Erkrankung überwiege "mögliche Risiken", so die EMA. Daraufhin setzten viele Staaten die Impfungen fort - einige Länder wie zum Beispiel die Niederlande riefen allerdings nach weiteren Thrombose-Fällen erneute Stopps aus.
In Deutschland, das die Impfungen ebenfalls ausgesetzt hatte, wird das Vakzin von AstraZeneca seit dem 19. März wieder verimpft - allerdings wie zuvor erwähnt mit Einschränkungen. In mehreren europäischen Ländern ist es ähnlich.
Eine Studie über die Wirkung des Impfstoffs von AstraZeneca gegen die B.1.1.7-Variante, über die zuerst in Großbritannien berichtet wurde, ergab eine ähnliche Wirksamkeit wie gegen das ursprüngliche Virus. Die Studienergebnisse zeigen, dass der Impfstoff gegen die britische Variante zu 75 Prozent wirksam ist.
Nach derzeitigem Kenntnisstand ist die Wirksamkeit bei der Mutation B1351 deutlich geringer, exakte Zahlen liegen aber noch nicht vor. Die südafrikanische Regierung hatte Anfang Februar die Einführung des Impfstoffs von AstraZeneca gestoppt. Denn eine kleine, noch nicht begutachtete Studie mit 2.000 Personen in Südafrika hatte ergeben, dass der Impfstoff nur einen "minimalen Schutz" gegen leichte und mittelschwere Infektionen durch die Coronavirus-Variante B1351 bietet. Diese gilt als gefährlicher, da sie sich schneller verbreitet. Sie verursacht die Mehrzahl der Corona-Infektionen in Südafrika.
AstraZeneca verteidigte den Impfstoff gegen Zweifel: "[Die] neutralisierende Antikörperaktivität ist gleichwertig mit der anderer COVID-19-Impfstoffe, die eine Aktivität gegen schwerere Erkrankungen gezeigt haben, insbesondere wenn das Dosierungsintervall auf 8- 12 Wochen optimiert wird", hieß es in einer Stellungnahme.
Experten bestätigten der DW ebenfalls, dass es zumindest einen gewissen Schutz vor der südafrikanischen Variante gebe. Denn die nach der Impfung gebildeten Antikörper würden Teile der Virusvariante erkennen und blockieren, sagte Sarah Pitt, wissenschaftliche Mitarbeiterin am britischen Institute of Biomedical Science. Pei-Yong Shi, Professor für Mikrobiologie an der University of Texas Medical Branch, machte im DWGespräch deutlich: "Wir haben eine schützende Abwehr nach jeder zugelassenen [COVID-19-] Impfung." Vielleicht werde man einen sehr milden Krankheitsverlauf haben, aber es sei viel besser, als nicht geimpft zu sein.
Der Grund, weshalb das AstraZeneca- Vakzin weniger wirksam gegen die südafrikanische Variante des Coronavirus ist, sind Veränderungen am Spike-Protein. Das ist der Teil des Virus, der sich mit menschlichen Zellen verbindet und es ihm ermöglicht, sie zu infizieren.
Die bisher zugelassenen Corona-Impfstoffe erzeugen Antikörper gegen das Spike-Protein des ursprünglichen Stammes des Coronavirus. Doch nun bekämpfen die Antikörper Viren, deren Spike-Proteine sie nicht vollständig erkennen. Somit können nur Teile der Virusvariation blockiert werden.
Studien von BioNTech-Pfizer und Moderna sagen aus, dass diese Impfstoffe ebenfalls etwas weniger effektiv gegen die B1351-Variante des Virus sind.
Sarah Gilbert, die federführende Entwicklerin des AstraZeneca-Impfstoffs, sagte der BBCim Februar, dass die Entwickler an einem modifizierten Impfstoff arbeiteten, um die südafrikanische Variante zu bekämpfen. Dies dauere wahrscheinlich bis zum Herbst.
Diese Frage stellt sich selbstredend nur in Ländern, in denen der Impfstoff zugelassen und verfügbar ist. Der Impfstoff von AstraZeneca bietet auch gegen Virusvarianten einen gewissen Schutz. Die WHO empfiehlt den Impfstoff vorläufig auch im Angesicht der jüngsten Thrombose-Fälle und auch gegen Coronavirus-Varianten.
Weiter empfiehlt sie den Impfstoff gerade für Menschen mit Vorerkrankungen, die das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs erhöhen, darunter Adipositas, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Atemwegserkrankungen und Diabetes. Für Menschen, die mit HIV und Autoimmunerkrankungen leben oder immungeschwächt sind, seien weitere Studien erforderlich. Wenn jemand aber zu einer Gruppe gehöre, denen die Impfung allgemein empfohlen werde, könnte die Person nach einer Beratung ebenfalls mit dem Impfstoff geimpft werden.
Bisher gibt es nur wenige Daten darüber, ob der Impfstoff während der Schwangerschaft sicher ist. Wenn der Nutzen der Impfung einer Schwangeren allerdings die möglichen Risiken überwiegt, sei eine Impfung möglich. Menschen mit einer Vorgeschichte von schweren allergischen Reaktionen auf eine Komponente des Impfstoffs sollten diesen nicht einnehmen. Dies gilt aber auch bei mRNAImpfstoffen, wie Claus Cichutek, der Präsident des Paul-EhrlichInstituts im exklusiven DW-Interview erklärte.
Der von einem Team der Oxford University und dem britisch-schwedischen Arzneimittelkonzern AstraZeneca entwickelte Impfstoff ist vor allem aus zwei Gründen attraktiv: Im Gegensatz zu den Impfstoffen von BioNTech/Pfizer und Moderna muss der Impfstoff von AstraZeneca nicht bei extrem niedrigen Temperaturen gelagert werden. Der Impfstoff kann bei normalen Kühltemperaturen (2-8 Grad Celsius/
36-46 Grad Fahrenheit) mindestens sechs Monate lang gelagert und damit auch einfacher transportiert werden. Das macht es einfacher, dass auch Hausärzte in ihren Praxen das Vakzin impfen könnten.
Zum Vergleich: Der Impfstoff von BioNTech/Pfizer kann in einem Kühlschrank mit Temperaturen von zwei bis acht Grad maximal 120 Stunden gelagert werden, und muss sonst in UltraTieftemperatur-Gefrierschränken (mindestens bei Minus 70 Grad) deponiert werden.
Zudem gilt der Impfstoff von AstraZeneca als günstiger. Der genaue Preis ist unklar, in einem mittlerweile gelöschten Tweet der belgischen Staatssekretärin Eva De Bleeker wurden angebliche europäische Preise für eine Dosis veröffentlicht: 15 Euro für Moderna, 12 Euro für BioNTech/Pfizer und 1,78 Euro für AstraZeneca. Nach Angaben von
AstraZeneca mache die einfache Lieferkette und ein Versprechen, keinen Gewinn zu machen, den Preis der Impfung günstiger. AstraZeneca und BioNTech/Pfizer trafen beide Vereinbarungen mit COVAX, einer globalen Initiative, die darauf abzielt, kostengünstige Impfstoffe an Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen zu verteilen. COVAX wird von der Globalen Allianz für Impfstoffe und Immunisierung (Gavi), der Coalition for Epidemic Preparedness Innovations (CEPI) und der WHO betrieben.
Bei dem Impfstoff handelt es sich um einen sogenannten Vektorimpfstoff. Dieser basiert nach Angaben des deutschen Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) auf Erkältungsviren von Schimpansen, die für den Menschen harmlos sind. Diese Erkältungsviren aus der Familie der Adenoviren wurden so modifiziert, dass sie das Gen mit dem Bauplan für die Herstellung eines optimierten Oberflächenproteins des Coronavirus (SARSCoV-2-Spikeproteins) enthalten.
Nach der Impfung gelangt das Impfvirus in einige wenige menschliche Körperzellen. Die Zellen verwenden das Gen zur Herstellung des Spikeproteins. Das Immunsystem erkennt dieses dann als fremd an und bildet als Reaktion des Immunsystems Antikörper und T-Zellen, die im Idealfall vor einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 schützen.
Im Kern geht es um zwei Streitpunkte: vereinbarte Liefermengen und eine mögliche Benachteiligung gegenüber dem Vereinigten Königreich. Die EU warf AstraZeneca immer wieder vor, die zugesagten Liefermengen an die EU deutlich zu unterschreiten, während andere Länder - unter anderem das Stammland des britisch dominierten Konzerns - dagegen pünktlich AstraZeneca-Lieferungen erhielten.
Für Fragen hatte ein Fund von 29 Millionen Impfstoffdosen von AstraZeneca in einer Abfüllanlage bei Rom gesorgt: Die EUKommission habe die italienischen Behörden um Inspektion des Werkes gebeten, weil sie AstraZeneca verdächtigte, "über mehr Produktionskapazität in Europa zu verfügen," als die Firma angegeben habe, sagte ein EU-Vertreter. Das Pharma-Unternehmen wies Medienberichte zurück, wonach der gefundene Impfstoff nach Großbritannien exportiert werden sollte. 13 Millionen Dosen sind demnach für das internationale Impfprogramm COVAX bestimmt, die restlichen 16 Millionen für die EU.
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AstraZeneca hatte immer wieder die Lieferzusagen an die EU senken müssen: Nur 31 Millionen statt 80 Millionen Impfdosen hatte AstraZeneca im ersten Quartal für die 27 EU-Staaten zusagen können. Geschäftsführer Pascal Soriot hatte die Verzögerungen damit erklärt, dass in Werken in Belgien und den Niederlanden der Ertrag in den "Braubehältern" nicht so groß sei wie ursprünglich angenommen. Den Vorwurf von EUVertretern, AstraZeneca beliefere das Vereinigte Königreich bevorzugt und ohne Unterbrechungen, wies das Unternehmen zurück.
Am 24. Februar meldeten Medien mit Verweis auf einen Insider, dass AstraZeneca erneut vorLieferproblemen stehe: Demnach erhalte die EU im zweiten Quartal möglicherweise nur 90 statt der zugesagten 180 Millionen Dosen.
Dieser Artikel wurde mehrfach aktualisiert, zuletzt am 7. April 2021.