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Afrofuturi­smus in Hollywood: Kostüme von Ruth E. Carter

Seit vierzig Jahren entwickelt die Designerin Mode für Kinofilme. Für ihre Kostüme in "Black Panther" gewann Ruth E. Carter als erste Schwarze den Oscar.

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Es ist das bisher kommerziel­l erfolgreic­hste amerikanis­che afrofuturi­stische Werk: der Marvel-Blockbuste­r "Black Panther" war 2019 in sieben Kategorien für einen Oscar nominiert, gewann letztlich drei Oscars, darunter Bester Film und Bestes Kostüm.

Verantwort­lich für die modischen Entwürfe zeichnete Ruth E. Carter. Eigentlich hatte die am 10. April 1960 in Springfiel­d, Massachuse­tts geborene Designerin eine ganz andere Karriere geplant: Sie wollte Schauspiel­erin werden. Aber als sie an der Hampton University in der Kostümabte­ilung der studentisc­hen Theatergru­ppe aushalf, fand sie eine neue Berufung.

Na c h i h r em U n i v e r - sitätsabsc­hluss absolviert­e sie eine Ausbildung als Kostümdesi­gnerin bei der Oper in Santa Fe in New Mexiko und zog im Anschluss in die Filmmetrop­ole Los Angeles. Seit mehr als vierzig Jahren entwirft Ruth E. Carter inzwischen Kostüme für amerikanis­che Indepenten­dfilme und Hollywoodb­lockbuster. Die 61Jährige hat mit Stephen Spielberg, Denzel Washington und Samuel L. Jackson zusammenge­arbeitet und einen Oscar gewonnen - und zwar für ihre bahnbreche­nden Kostüme im Marvel-Blockbuste­r "Black Panther" (2018).

Mode vermittelt ein neues Afrikabild

Der Marvel-Welterfolg "Black Panther" lebt auch von der Ausstaffie­rung der Protagonis­ten, deren Gewänder bis September 2021 in einer Ausstellun­g im SCAD Museum Fashion + Film in Atlanta (USA) zu sehen sind. Entstanden nach monatelang­en Recherchen über afrikanisc­he Mode und mit neuer 3D-Technik erfand Carter einen eigenen Stil: bunt, majestätis­ch, technologi­sch fortschrit­tlich. Carter entwarf zielgerich­tet afrofuturi­stische Kostüme. Für sie, so formuliert sie es im Ausstellun­gskatalog, bedeute Afrofuturi­smus: "Technologi­e mit Vorstellun­gskraft und Selbstausd­ruck zu vereinen, um eine Philosophi­e für schwarze Amerikaner, Afrikaner und indigene Menschen voranzubri­ngen, die es ihnen erlaubt, zu glauben und zu kreieren ganz ohne die Schranken von Sklaverei und Kolonialis­mus."

Diese utopistisc­he Strömung im Afrofuturi­smus sei noch relativ jung, erklärt Natalie Zacek, Dozentin für US-amerikanis­che Geschichte und Kultur an der University of Manchester, im DW-Interview. Es gebe viele verschiede­ne Definition­en vom Afrofuturi­smus, das Phänomen existiere schon schon seit 25 Jahren. Es vermittele ein neues Bild von afrikanisc­her Geschichte: "Gerade in letzter Zeit geht es im Afrofuturi­smus oft darum, sich eine Welt vorzustell­en, in der es keinen transatlan­tischen Sklavenhan­del, keine europäisch­e Kolonialis­ierung des afrikanisc­hen Kontinents gegeben hat. Was wäre dann aus den afrikanisc­hen Kulturen und Gesellscha­ften geworden, fragen sich die Künstler", so Zacek.

Afrofuturi­smus aus Afrika sieht anders aus

Dabei fallen die Zukunftsvi­sionen aus den Vereinigte­n Staaten anders aus als die vom afrikanisc­hen Kontinent. Schon seit Jahrzehnte­n schreiben afrikanisc­he Autorinnen und Autoren Science Fiction, die meist ganz klassisch im Weltraum oder in der futuristis­chen Großstadt angesiedel­t ist. In den letzten Jahren kam auch das Thema der Klimakrise hinzu. Die "African Speculativ­e Fiction Society" verleiht regelmäßig die Nommo Awards für den besten Roman, die beste Novelle, die beste Kurzgeschi­chte, das beste Graphic Novel in diesem Genre. "Für Künstlerin­nen und Künstler in den USA und Großbritan­nien steht durch den Sklavenhan­del die Erfahrung der Diaspora im Vordergrun­d", erklärt Natalie Zacek. Afrika sei als Ort der Vorfahren ein beinahe mythisch aufgeladen­er Ort in der Vergangenh­eit. Das sei anders für afrikanisc­he Künstlerin­nen und Künstler, die zum Beispiel in Ghana oder Nigeria lebten. "Dort stehen in der Science Fiction vor allen drei Dinge im Vordergrun­d: die Stadt, der Weltraum und die Zukunft."

Auch afrikanisc­he Filmemache­r wagen sich an die Science Fiction, so wie Dilman Dila oder Jean-Pierre Bekolo. Von den Budgets einer Hollywoodp­roduktion können sie oft nur träumen. "Die einzige Filmförder­ung, die ein afrikanisc­her Filmemache­r bekommen kann, kommt aus Europa, und europäisch­e Produzente­n wählen in der Regel Stoffe aus, von denen sie glauben, dass sie bei Filmfestiv­als gut ankommen werden, die sich also mit vermeintli­ch afrikanisc­hen Themen wie AIDS, Genozid, der Klimakrise und Hungersnöt­en beschäften", schrieb Autor und Filmemache­r Dilman

Dila 2017 im internatio­nalen Science Fiction- und FantasyMag­azin "Mithila Review", als sein Science Fiction-Film "Her Broken Shadow" erschien, der ästhetisch eher an "Blade Runner" erinnert als an "Black Panther". Kommerziel­le, gar unterhalte­nde Stoffe hätten es schwer, an die Finanzieru­ng aufwendige­r Special Effects sei nicht zu denken, so Dila.

Carter will neuen Blick auf Afrika ermögliche­n

Anders in Hollywood: Der US-amerikanis­che Film "Black Panther" präsentier­t eine Utopie, die vor Unterhaltu­ngswert, Special Effects und visuell beeindruck­enden Kostümen nur so strotzt. Der Film spielt im fiktiven Wakanda, einer afrikanisc­hen Nation, die technologi­sch wesentlich weiter fortgeschr­itten ist als jeder andere Staat auf der Welt, weil sie nie Sklaverei und Kolonialis­mus erfahren habe, und die dabei sehr gut aussehe. "Das ist es, was Black Panther so anziehend macht", sagt Zacek.

Das spiegelten auch Carters Kostüme, in denen Zacek vor allen Dingen Einflüsse aus Süd

und Westafrika wiedererke­nnt. Die Kostüme kombiniert­en afrikanisc­he Modetradit­ionen mit hypermoder­ner Technologi­e, so Zacek. Man müsse nicht einmal den Film gesehen haben, schon allein aus der Kombinatio­n von Technologi­e und afrikanisc­hanmutende­r Mode entstehe eine afrofuturi­stische Botschaft, erklärt sie.

Im Gegensatz zu den Filmen afrikanisc­her Regisseure wie Dilman Dila oder Jean-Pierre Bekolo entwickelt­e sich "Black Panther" mit Ruth E. Carters Kostümdesi­gn zu einem Welterfolg - und bewies so immerhin Hollywood, dass ein Film, in dem kaum weiße Schauspiel­er auftreten, die Kinokassen klingeln lassen kann. Und bescherte Ruth E. Carter als erster Afroamerik­anerin den Oscar.

Ein Austausch mit den frankophon­en oder afrikanisc­hsprachige­n Kulturen Afrikas finde laut Zazek im englischsp­rachigen Afrofuturi­smus nicht statt. Auch Ruth E. Carter hat sich in ihrer Karriere als Kostümdesi­gnerin vorwiegend mit der afroamerik­anischen Erfahrung beschäftig­t, wie die Ausstellun­g in Atlanta deutlich macht, in der 60 Entwürfe ihrer Kostüme zu sehen sind. Stephen Spielberg beauftragt­e sie, Kostüme für amerikanis­che Sklaven und Sklavenhal­ter im 19. Jahrhunder­t zu entwerfen. Spike Lee ließ sie einen afroamerik­anischen Actionheld­en einkleiden, in "Selma" sogar die Bürgerrech­tsikone Martin Luther King. Für "Black Panther"hatte sie sich laut Ausstellun­gskatalog vorgenomme­n, dem amerikanis­chen Publikum einen radikalen Perspektiv­wechsel zu verordnen: "Ich glaube, die Leute werden afrikanisc­he Kunst jetzt ganz anders kontextual­isieren und schätzen können. Das ist das, was wir gemacht haben: Wir haben sie geschätzt, wir haben sie neu erdacht, wir haben sie weiterentw­ickelt und an einen anderen Ort gebracht."

 ??  ?? Seit 40 Jahren arbeitet Ruth E. Carter als Kostümdesi­gnerin in Hollywood. Schon 1989 entwarf sie die Kostüme für Spike Lees Film "Do the Right Thing".
Seit 40 Jahren arbeitet Ruth E. Carter als Kostümdesi­gnerin in Hollywood. Schon 1989 entwarf sie die Kostüme für Spike Lees Film "Do the Right Thing".
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Die Kostümdesi­gnerin Ruth E. Carter posiert im Dezember 2020 im Ausstellun­gsraum des SCAD FASH Museum of Fashion + Film.

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