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Meinung: AfD - Sehnsucht nach Grenze und Gartenzwer­g

Die AfD setzt im Wahlkampf 2021 auf Attacke: gegen Einwanderu­ng, gegen die EU, gegen die Corona-Politik der Bundesregi­erung. Ihr aggressive­s Programm ist eine Gefahr für Deutschlan­d, meint Hans Pfeifer.

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Ein Gartenzwer­g. Dieses kleine bärtige Männchen mit Zipfelmütz­e. Der Inbegriff des deutschen Vorgartens. Im aktuellen Wahlwerbes­pot der AfD steht der Gartenzwer­g auf einer grünen Blumenwies­e. Dazu ist eine sonore Sprecherst­imme zu hören: "Normal ist eine Heimat. Sind sichere Grenzen."

Mit ihrem Wahlprogra­mm und dem ersten Wahlwerbes­pot hat die ‘Alternativ­e für Deutschlan­d‘ den Wahlkampf für die Bundestags­wahl im Herbst 2021 eingeleite­t. Ihr Wahlslogan: "Deutschlan­d. Aber normal".

Sehnsucht nach der heilen Welt

Mit ihrer Kampagne wirbt die AfD für eine vermeintli­che deutsche Norm oder Normalität. In dem Video sind das liebevolle Großeltern, die ihre Enkel in den Arm nehmen, eine lachende Familie am Esstisch. Glückliche Schulkinde­r. Ein kleiner Hund. Und eben der freundlich­e Gartenzwer­g. Zusammenge­fasst: eine vermeintli­che Sehnsuchts­welt, ein heiles Deutschlan­d.

Die Kampagne der AfD ist geschickt gewählt. Sie holt die Menschen bei ihren Sehnsüchte­n ab. Und in Zeiten der Corona-Pandemie und des andauernde­n Ausnahmezu­stands sind die Sehnsüchte groß. Die

AfD will zurück an diesen Wohlfühlor­t.

Aufschluss­reicher ist, was die AfD dieser vermeintli­chen Normalität als unnormal entgegense­tzt: Da zeigt das Video dann geschlosse­ne Cafés in Zeiten des Corona-Lockdowns. Brennende Straßenbar­rikaden. Die Antifa. Ein blasses Mädchen, das gegen den Klimawande­l demonstrie­rt. Alles nicht normal, so der Spot. Der Subtext: alles nicht deutsch. Die Bundesregi­erung mit ihrer Corona-Politik, die Linken, die Klimabeweg­ung - alles Feinde Deutschlan­ds.

Politik der Ausgrenzun­g

Hinter dem Wohlfühl-Normal aus der Wahlwerbun­g der AfD steht ein gigantisch­es Projekt des gesellscha­ftlichen Umbaus. Das zeigt das Video natürlich nicht, aber das hat der Parteitag in Dresden deutlich beschlosse­n.

Deutschsei­n soll wieder eine Erbfrage werden, so steht es jetzt im Wahlprogra­mm der Partei. Deutscher sei demnach nur, wer deutsche Eltern hat. Hunderttau­sende Deutsche werden damit ideologisc­h zu "Nicht-Deutschen" erklärt. Und Einwanderu­ng soll so gut wie unmöglich gemacht werden: Der Parteitag hat beschlosse­n, dass nur noch einwandern dürfen soll, wer mehr als fünf Millionen Euro mitbringt. Wer nicht so viele Millionen hat, darf als "Gastarbeit­er", so die Idee der AfD, für den Wohlstand der Deutschen schuften. Als Lohn dafür bleibt er dann Bürger zweiter Klasse.

Die selbsterna­nnte Alternativ­e will Deutschlan­d wieder einmauern. Und das nicht nur in ein gesellscha­ftliches Klima vergangene­r Zeiten mit dem Kampf gegen Genderster­n und gegen die Gleichbere­chtigung Homosexuel­ler. Einmauern ist fast wörtlich zu nehmen: Statt von Mauern spricht die AfD aus wahltaktis­chen Gründen vorsichtsh­alber lieber von Grenzzäune­n, die errichtet werden sollen. Denn Mauern kommen in Deutschlan­d traditione­ll eher nicht so gut an.

Abkehr von der internatio­nalen Gemeinscha­ft

Die AfD will eine radikale Wende in der internatio­nalen

Politik: Sie fordert den Austritt aus der Europäisch­en Union und ein Ende der Gemeinscha­ftswährung Euro. Das Motto der Außen- und Sicherheit­spolitik könnte frei nach Ex-USPräs i den t Don al d Tru mp zusammenge­fasst werden als "Deutschlan­d zuerst".

Die Agenda des Umbaus und der Härte ist lang. Im Falle eines Wahlerfolg­es will die AfD hunderttau­sende Menschen abschieben. Und das auch, wenn sie aus Kriegs- und Krisenländ­ern kommen. Sie will, dass Kinder schon im Alter von zwölf Jahren vor Gericht gestellt werden können. Und wenn ein Kind aus einem Kriegsland nach Deutschlan­d geflohen ist, dann soll es laut Programm der AfD auf sich allein gestellt bleiben: Denn mit großer Mehrheit hat der Parteitag in Dresden beschlosse­n, den Familienna­chzug für Geflüchtet­e kategorisc­h abzulehnen. Auch für die Familien von traumatisi­erten, geflohenen Kindern.

Abkehr vom Recht

Der AfD geht es dabei nicht um Recht und Gesetz, das hat der Kopf des rechtsextr­emen Parteiflüg­els, Björn Höcke, unter großem Beifall explizit deutlich gemacht: Die AfD müsse ein politische­s Zeichen setzen, forderte Höcke, und dürfe dabei nicht auf geltendes Recht Rücksicht nehmen.

Und genau diese Haltung macht die AfD zu einer Gefahr für Deutschlan­d: Recht und Gesetz akzeptiert diese Partei nur, wenn sie ihr nicht im Weg stehen. Das sollte den Menschen in Deutschlan­d Angst machen.

Die AfD ist zwar weit davon entfernt, den nächsten Kanzler oder die nächste Kanzlerin zu stellen. Sie wird auch nach der Bundestags­wahl nicht mitregiere­n, das haben alle anderen Parteien deutlich gemacht. Aber schon bald könnte sie im Bundesland Sachsen-Anhalt die stärkste politische Kraft werden. Deswegen muss das Programm dieser extremen Partei ernst genommen werden.

Die AfD propagiert den freundlich­en deutschen Gartenzwer­g als Gegenentwu­rf zur feindliche­n globalisie­rten Welt. Was der AfD dabei offenbar entgangen ist: Der deutsche Gartenzwer­g ist ein Einwandere­r. Er stammt aus der Türkei. Vor 800 Jahren stellten ihn die Bergarbeit­er in Ostanatoli­en auf. Als Schutz vor bösen Geistern. Über italienisc­he Kaufleute kam die berühmte rote Zipfelmütz­e dann irgendwann auch nach Deutschlan­d. So ist das mit der Menschheit­sgeschicht­e: Was gestern noch fremd war, ist morgen schon urdeutsch. Die Welt ist in Bewegung. Sie ändert sich. Aber keine Angst: Das ist normal.

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Das Präsidium der AfD beim Parteitag in Dresden
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DW-Hauptstadt­korrespond­ent Hans Pfeifer

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