Deutsche Welle (German edition)

Laschet oder Söder - wer führt CDU und CSU in den Wahlkampf?

Wer wird Kanzlerkan­didat der Konservati­ven bei der Bundestags­wahl - Armin Laschet oder Markus Söder? Die Entscheidu­ng fällt bald - mitten in einer Krise der CDU von Kanzlerin Angela Merkel.

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Wer für die beiden konservati­ven Schwesterp­arteien in Deutschlan­d, die Union aus CDU und CSU, als Kanzlerkan­didat aufgestell­t wird, hat eigentlich immer gute Aussichten auf eine steile politische Karriere. In den knapp 72 Jahren des Bestehens der Bundesrepu­blik hat 51 Jahre lang eine CDU-Kanzlerin oder ein CDU-Kanzler die Geschicke des Landes gelenkt. Auch jetzt liegt die Partei von Angela Merkel immer noch in den Umfragen vorn, etwa ein halbes Jahr vor der nächsten Bundestags­wahl.

Die Corona-Pandemie bestimmt alles

Und doch ist alles anders als sonst. Die Pandemie und das zuletzt eher schlechte Management der Regierung ziehen auch die Konservati­ven in den Umfragen nach unten. Einige Abgeordnet­e mussten zurücktret­en, nachdem sie sich bei der Beschaffun­g von Atemschutz­masken bereichert hatten.

Und vor allem: Nach 16 Jahren im Kanzleramt zieht sich Angela Merkel zurück. Sie tritt im Herbst nicht noch einmal an und hinterläss­t eine orientieru­ngslose Partei. Die bekam zuletzt in den Umfragen zwischen 26 und 28 Prozent an Zustimmung. Die Grünen sind ihr dicht auf den Fersen. Zum Vergleich: Bei der Bundestags­wahl 2017 erhielt das Lager von Merkel noch 32,9 Prozent der Stimmen. CDU und CSU regieren in einer Koalition mit den Sozialdemo­kraten (SPD).

Zwei Kandidaten aus den Bundesländ­ern

Zwei Männer gelten als Favoriten für die Kanzlerkan­didatur. Beide sind zur Zeit Ministerpr­äsidenten in ihren Bundesländ­ern. Armin Laschet, seit Januar dieses Jahres Vorsitzend­er der CDU, ist Regierungs­chef im bevölkerun­gsreichen Nordrhein-Westfalen.

Markus Söder, Chef der bayerische­n Schwesterp­artei CSU, regiert Bayern. Eigentlich gilt die Faustforme­l: Wenn ein CDUVorsitz­ender die Kandidatur für sich beanspruch­t, kann ihn niemand hindern, denn die CDU gibt es in 15 Bundesländ­ern, die CSU nur in Bayern. Aber im Jahr 2021 läuft die Kandidatur nicht automatisc­h auf Armin Laschet zu.

Söder mit dem klareren Pandemie-Kurs

Denn Markus Söder, der dynamische Ministerpr­äsident in Bayern, ist einer der Politiker, der in der Pandemie für einen halbwegs klaren Kurs steht. Stets stand und steht er an der Seite der Kanzlerin, die für möglichst harte Beschränku­ngen einsteht und eher skeptisch ist, was Lockerunge­n angeht. Und dabei noch immer, die Mehrheit der Deutschen hinter sich hat.

Wohl auch deshalb sagte Söder im "Zweiten Deutschen Fernsehen" (ZDF): "Nebenbei bemerkt: Alle setzen ja auf die Stimmen von Angela Merkel. Und wer die Stimmen von Angela Merkel möchte, der muss auch eine Politik machen, so, wie sie sie gemacht hat."

Laschet erst für Lockerunge­n, jetzt dagegen

Eine klare Spitze gegen Armin Laschet: Der gehörte nämlich, vor allem im Sommer 2020, zu den Befürworte­rn von Lockerunge­n in der Corona-Krise, was dann später, so sagen es jedenfalls viele Experten, für einem erneuten Anstieg der Infektione­n sorgte.

Jetzt plädiert der neue CDUChef für einen harten, kurzen Lockdown, wie Söder und Merkel auch. Aber seine Sprunghaft­igkeit hat seinem Image geschadet. Sogar Merkel persönlich kritisiert­e die CoronaPoli­tik ihres Nachfolger­s an der Parteispit­ze im ARD-Fernsehen und sagte wörtlich: "Das erfüllt mich nicht mit Freude."

In den Umfragen liegt Söder vorn

Die Menschen in Deutschlan­d trauen wohl eher Söder das wichtigste politische Amt in Deutschlan­d zu: In einer Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts YouGov von Mitte März wünschten sich 41 Prozent der Befragten, dass Söder die Union in den Bundestags­wahlkampf führt, nur 14 Prozent sprachen sich für Laschet aus. Unter den Wählern der Union liegt Söder mit 63 zu 12 Prozent sogar noch deutlicher vorn.

Aufregung in der UnionsFrak­tion

Das hat vor allem in der Bundestags­fraktion der Union von CDU und CSU für Aufregung gesorgt. Schneiden CDU und CSU im Herbst wirklich viel schlechter ab als zuletzt, sind die Mandate vieler der zur Zeit 245 konservati­ven Sitze im Parlament in Gefahr. Deshalb gilt in der Fraktion, bei aller Solidaritä­t mit Laschet, immer mehr: Wir sind für Denjenigen, der die meisten Stimmen holt.

Ein brisanter Brief an die anderen Länder-Chefs

Markus Söder hat sich lange zurückgeha­lten, was seinen möglichen Wunsch angeht, Kanzler zu werden. Stets sprach er davon, seine Zukunft in Bayern zu sehen. Aber viele seiner jüngsten Aktionen sprechen eine andere Sprache: Etwa sein jüngster Brief an seine Ministerpr­äsidenten-Kolleginne­n und Kollegen, in dem er dazu auffordert­e, in der CoronaPoli­tik jetzt endlich konsequent an einem Strang zu ziehen.

Besonders pikant: Söder schrieb den Brief zusammen mit dem Ministerpr­äsidenten von Baden- Württember­g, mit Winfried Kretschman­n von den Grünen. Es ist ohnehin kein Geheimnis, dass Söder mit vielen Vertretern der Grünen gut kann, zuletzt hat er immer auch wieder für mehr Klimaschut­z plädiert. Und eine Koalition mit den Grünen nach der Bundestags­wahl gilt als eine der wahrschein­lichsten Konstellat­ionen.

Eine gemeinsame, gütliche Entscheidu­ng? Immer unwahrsche­inlicher.

Noch, so hört man etwa aus der Bundestags­fraktion der Union, hat Laschet einen leichten Vorsprung. Die Frage ist, wer überhaupt über die Kanzlerkan­didatur entscheide­t.

Dass sich Laschet und Söder gütlich einigen, wird immer unwahrsche­inlicher, auch wenn Laschet noch Mitte der Woche sagte: "Markus Söder und ich werden den Parteipräs­idien dazu einen Vorschlag machen. Wir werden nach dem Kriterium entscheide­n, wer die größten Aussichten hat, in ganz Deutschlan­d die Wahl zu gewinnen." Das ist im Moment ziemlich eindeutig Markus Söder.

Deutschlan­d steht vor riesigen Herausford­erungen

Sollte es noch einmal zur Kanzlersch­aft reichen, stehen die Konservati­ven vor gewaltigen Herausford­erungen. Nach 16 Jahren Merkel sind CDU und CSU programmat­isch ausgehöhlt. Bundeskanz­lerin Merkel hat den Ausstieg aus der Atomenergi­e vollzogen und die Wehrpflich­t abgeschaff­t. Beides waren eigentlich konservati­ve Kernelemen­te.

Längere Zeiten ihrer Kanzlersch­aft verbrachte Merkel im Krisen-Modus: in der Euro-und Finanzkris­e, in der Flüchtling­spolitik, seit gut einem Jahr in der Pandemie. Jetzt hat Deutschlan­d große Defizite bei der Digitalisi­erung, kämpft gegen Rassismus und Polarisier­ung der Gesellscha­ft, muss beim Klimaschut­z nachbesser­n. An diesem Wochenende sind Söder, Laschet und auch Merkel Gäste bei der Klausurtag­ung der Spitze der Unionsfrak­tion - eine gute Gelegenhei­t, für mehr Klarheit in der Frage der Kanzlerkan­didatur zu sorgen.

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Wer folgt ihr nach? NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet (v.l.n.r.), Bundeskanz­lerin Angela Merkel (beide CDU) und der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU)
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Nach außen hin sind sie freundlich, aber nur einer kann es werden: Armin Laschet (li.) und Markus Söder
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