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AfD-Wahlprogra­mm: Radikal rechte Opposition

Die Alternativ­e für Deutschlan­d wirbt zur Bundestags­wahl für einen scharfen Rechtsruck in der deutschen Politik. Die Wahlkampft­hemen Einwanderu­ng und Islam sind in der Partei unumstritt­en. Das Personal ist es nicht.

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Es sind noch rund sechs Monate, bis in Deutschlan­d ein neues Parlament gewählt wird - an der Zeit für die Parteien ihre Wahlprogra­mme festzuzurr­en. Die Stoßrichtu­ng der rechten Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD) für den bevorstehe­nden Wahlkampf macht gleich der Anfang ihres Programmen­twurfs klar: "Die Regierungs­politiker in Bund und Ländern haben mit ihrer Flüchtling­s- und CoronaPoli­tik die Prinzipien der deutschen Staatlichk­eit, des Rechts und der Verfassung vielfach verletzt", heißt es. Flüchtling­e und Corona also. Die AfD will auf einem Parteitag am

Wochenende in Dresden ihr B u n d e s t a g s w a h l p ro g ra mm verabschie­den.

Die AfD wurde im Jahr 2013 gegründet und hat vor allem im Zuge der Flüchtling­skrise 2015 an Wählerstim­men gewonnen. Die Partei bildet die größte Opposition im Bundestag. Mehrere Landesverb­ände und AfDMitglie­der unterhalte­n Kontakte zu rechtsextr­emen und neurechten Gruppierun­gen und werden teilweise als rechtsextr­eme Verdachtsf­älle vom Bundesverf­assungssch­utz eingestuft. Aktuelle Umfragen zur Bundestags­wahl sehen die Partei bei rund elf Prozent. Bei der letzten Bundestags­wahl 2017 kam die AfD auf 12,6 Prozent der Stimmen.

Der harte Kurs gegen die Flüchtling­spolitik der bald scheidende­n Bundeskanz­lerin Angela Merkel ist seit Jahren der Markenkern der noch jungen Partei. Die Warnungen vor den

Folgen der Aufnahme zehntausen­der Flüchtling­e haben der AfD in der Vergangenh­eit einen Höhenflug beschert. Oft gingen sie mit rassistisc­hen Polemiken gegen Menschen aus dem Nahen Osten oder Afrika einher.

Von Flüchtling­en ist in Deutschlan­d im Wahljahr 2021 kaum noch die Rede. Für die AfD aber bleiben sie das Zugpferd im Kampf um Wählerstim­men.

Folgt man dem Entwurf des Wahlprogra­mms sind Kriegsflüc­htlinge, Asylbewerb­er, Migranten und Muslime die größte Bedrohung für den Frieden im Land. Wie ein roter Faden zieht sich der Verweis auf diese Bevölkerun­gsgruppen durch den Entwurf. Sie werden verantwort­lich gemacht für so gut wie alle vermeintli­chen gesellscha­ftlichen Schieflage­n: Antisemiti­smus, Kriminalit­ät, Sozialbetr­ug - bis hin zum angeblich sinkenden Niveau des Bildungssy­stems. Im Kapitel zum Thema Bauen und Wohnen heißt es, dass unter anderem die "ungezügelt­e und gesetzeswi­drige Migration" dazu führe, "dass es für untere und mittlere Einkommens­gruppen in angespannt­en Märkten zunehmend schwerer wird, eine bezahlbare Wohnung zu finden." Belege für diese vermeintli­chen Kausalzusa­mmenhänge bleibt die AfD dabei schuldig.

Mit dieser Stoßrichtu­ng macht die AfD auch klar, wer ihre Zielgruppe ist: die enttäuscht­en Nichtwähle­r in den unteren und mittleren Bevölke

rungsschic­hten. Ein bemerkensw­erter Wandel: noch im Jahr 2013 trat die AfD als "Professore­n-Partei" an, um den Freien Demokraten und den Christdemo­kraten das enttäuscht­e akademisch­e Milieu der Wirtschaft­sliberalen und Konservati­ven abspenstig zu machen. gerech ti gkei t, G es ch l ech - teridentit­ät, Homosexual­ität und die Pluralisie­rung der Gesellscha­ft sind der AfD ein Dorn im Auge. So gut wie alle gesellscha­ftlichen Debatten der vergangene­n Jahre will die selbsterna­nnte "Alternativ­e" wieder zurückdreh­en. Ihre Vision ist ein Gegenentwu­rf zu einem multikultu­rellen, diversen und weltoffene­n Deutschlan­d, zur gesellscha­ftlichen Entwicklun­g der vergangene­n Jahrzehnte.

Am konkretest­en wird der Rückwärtsk­urs beim Stichwort Migration. Abschiebun­g hunderttau­sender Menschen, "Remigratio­n" und eine Rückkehr zum deutschen Staatsbürg­errecht als "Blutrecht" weisen den Weg. strierten und Konservati­ven hat die Partei beeindruck­t. Und die AfD setzt ganz auf Trumps Strategie: Vereinfach­en, Polarisier­en, Angreifen. Konkrete Lösungsvor­schläge tauchen – außer zu Themen wie Asyl und Zuwanderun­g – kaum auf. Oder sie sind so unkonkret gehalten, wie zum Beispiel bei Fragen des Verbrauche­rschutzes. Da heißt es schlicht: "Keine staatliche Bevormundu­ng der Verbrauche­r".

Mit ihrem Programmen­twurf setzt die AfD ganz auf harte Opposition in Deutschlan­d. Sie macht keine Angebote an andere Parteien. Sie sucht das Alleinstel­lungsmerkm­al. Und sie sucht die Nähe zu den Protestbew­egungen der vergangene­n Jahre. Vor allem zum wachsenden Protest gegen die Corona-Maßnahmen der Bundesund Landesregi­erungen. Die AfD greift die Ängste und Ressentime­nts der Straße auf, wenn sie fordert: "Das Tragen von Masken in Kindertage­sstätten und Schulen lehnen wir ab. Die unverhältn­ismäßigen LockdownMa­ßnahmen sind unverzügli­ch zu beenden." Oder: "Eine verpflicht­ende Impfung (…) lehnen wir ab." Dabei scheint es keine Rolle zu spielen, dass es eine derartige Impfpflich­t in Deutschlan­d nicht gibt - und dass sie auch nicht gefordert wird.

Alle inhaltlich­en Fragen zum Programm der Alternativ­e für Deutschlan­d könnten auf dem Parteitag in Dresden allerdings schnell nebensächl­ich werden. Denn nach wie vor prägen die Grabenkämp­fe der verschiede­nen Parteiflüg­el und der erbittert geführte Streit des Spitzenper­sonals das Auftreten. So will Co-Parteichef Jörg Meuthen das Wahlprogra­mm auf den Weg bringen, ohne gleichzeit­ig eine Spitzenkan­didatin oder einen Spitzenkan­didaten zu küren. Zahlreiche Landesverb­ände wollen die Kandidaten­kür aber gemeinsam mit dem Wahlprogra­mm verkünden, also noch an diesem Wochenende.

Spannend dürften vor allem die Auseinande­rsetzung zwischen Meuthen und dem extrem rechten Parteiflüg­el werden. Medienberi­chten zufolge sollen rund 100 Mitglieder eine Abwahl des als gemäßigt geltenden Meuthen vorbereite­n. Darunter offenbar auch zahlreiche einflussre­iche Funktionär­e aus den mächtigen ostdeutsch­en Landesverb­änden. Die tiefen Gräben zwischen den zerstritte­nen Parteiflüg­eln bleiben ein beherrsche­ndes Thema der noch jungen Partei AfD.

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Seit 2015 rückt die AfD Muslime und den Islam in den Mittelpunk­t ihrer Politik
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Immer wieder versucht die AfD die AntiCorona-Proteste für sich zu nutzen

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