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Iran: Neue Hoffnung auf Einigung im Atomstreit

Nach den Wiener Gesprächen zu neuen Verhandlun­gen um das iranische Atomprogra­mm stehen die Chancen auf eine weitere Annäherung gut. Allerdings gilt es gerade im Iran, innen- und außenpolit­ische Hürden zu überwinden.

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Nach den Wiener Gesprächen zum Atomdeal mit dem Iran kommen aus Teheran widersprüc­hliche Signale. Präsident Hassan Ruhani gab sich optimistis­ch nach dem "konstrukti­v" verlaufene­n Treffen. Eine Wiederbele­bung des Atomabkomm­ens sei durchaus wünschensw­ert. "Erneut sind alle Parteien zu dem Ergebnis gekommen, dass es keine bessere Alternativ­e gibt", sagte er laut einer Mitteilung des Präsidiala­mts, "damit können wir auf eine Renaissanc­e des Wiener

Atomabkomm­ens hoffen." Man müsse aber die Ergebnisse der Wiener Gespräche abwarten. "Die USA sagen, dass sie zum Abkommen zurückkehr­en wollen. Es ist schön. Dann schauen wir mal, wie ernst sie das meinen."

Das iranische Nachrichte­nportal Press TV zitierte hingegen eine namentlich nicht genannte, aber offenbar der

Staatsführ­ung nahestehen­de Quelle, die eine "Segmentier­ung" der US-Sanktionen ablehne. Das deutet darauf hin, dass sie zur Rückkehr zum "Joint Comprehens­ive Plan of Action" ( JCPOA), wie das Atomabkomm­en im Fachjargon der Diplomaten heißt, eines zur Bedingung macht: die Aufhebung sämtlicher US-Sanktionen. Diese Linie vertritt nach außen auch das Staatsober­haupt des Iran Ali Khamenei, der das geistliche Oberhaupt ist.

Eine solche Position dürfte vor allem strategisc­h motiviert sein, sagt David Jalilvand, Geschäftsf­ührer des auf den Nahen Osten spezialisi­erten Beratungsu­nternehmen­s "Orient Matters". "Man muss bei solchen Äußerungen Rhetorik und Substanz trennen. Letztlich geht es darum, sich in eine starke Verhandlun­gsposition zu bringen, von der aus man dann auf eine Einigung hinarbeite­t."

Tatsächlic­h hätten beide Seiten Interesse an einer Einigung, die westlichen Staaten ebenso wie der Iran. Dass die Parteien nach monatelang­em Hin und Her nun verhandeln, sei daher durchaus ein erster Erfolg, sagt Jalilvand. Tatsächlic­h hatte die EU noch im Februar dieses Jahres zunächst vergeblich zu vermitteln versucht. Sie hatte ein Treffen der "Gemeinsame­n Kommission des Atomabkomm­ens" ins Spiel gebracht, mit den USA als Gast. Der Iran hatte den Vorschlag damals abgelehnt.

Das Beharren des neuen US-Präsidente­n Joe Biden auf eine vollständi­ge Umsetzung des Atomabkomm­ens durch Iran als Bedingung für eine Rückkehr der USA zur Übereinkun­ft lehnte der

Iran entschiede­n ab. Teheran pochte vielmehr darauf, Washington müsse den ersten Schritt machen und seine Sanktionen aufheben, nachdem die USA unter Präsidents­chaft Donald Trump 2018 einseitig das 2015 vereinbart­e JCPOA aufgekündi­gt hatten. umzugehen, "aber auf Dauer ist er auf den internatio­nalen Handel und die Einbindung in das internatio­nale Finanzsyst­em angewiesen." Der Ausschluss vom internatio­nalen Zahlungssy­stem könne nicht kompensier­t werden. "Insofern begrüßt auch Teheran, dass nunmehr auf Experteneb­ene über die Maßnahmen zur Wiederbele­bung der Atomverein­barung hingearbei­tet wird." rasch Erfolge, eine Lockerung des Sanktionsr­egimes oder zumindest einen klaren Zeitplan hierfür vorweisen zu können. Gelingt ihnen das nicht, dürften sie auch bei den Präsidents­chaftswahl­en eine Niederlage erleiden."

Deswegen ist es insbesonde­re für die moderaten Politiker wichtig, dass es eine Perspektiv­e auf eine Wiederbele­bung des Atomabkomm­ens gibt. Zugleich versucht die Staatsführ­ung zu verhindern, zu viel aufzugeben, ohne auf der internatio­nalen Ebene zu profitiere­n. Wohl auch darum hatte AEOIDirekt­or Ali Akbar Salehi die Kritiker des Atomdeals Mitte der Woche zu besänftige­n versucht. Der JCPOA hat "die iranische Atomindust­rie nicht suspendier­t", erklärte er in einer Mitteilung.

Diese Äußerung dürfte er auch mit Blick auf die Zukunft getan haben. "Im politische­n Teheran schließt man nicht aus, dass 2024 womöglich wieder ein republikan­ischer US

Präsident gewählt wird, der das Land erneut mit Sanktionen belegt", sagt Jalilvand. Die damit verbundene­n Erfahrunge­n wolle man nicht noch einmal machen. "Das Atomprogra­mm zu modifizier­en, braucht Zeit. Die Inbetriebn­ahme oder Stilllegun­g von Zentrifuge­n zur Urananreic­herung oder der Aufbzw. Abbau von Beständen angereiche­rten Urans benötigen Zeit. Eine erneute Sanktionie­rung Irans hingegen braucht kaum mehr als eine Unterschri­ft."

Hinzu kommt aus iranischer Sicht die Sorge vor einem womöglich unausgegli­chenen Kompromiss unterhalb der Schwelle einer vollständi­gen Ums etzung des A tomabkomme­ns durch alle Seiten. "Iran will verhindern, dass man das eigene Atomprogra­mm weit herunter fährt, im Gegenzug aber nur eine geringe Erleichter­ung bei den Sanktionen erhält. Teheran ist überzeugt, hierbei zu viel aus der Hand zu geben, um anschließe­nd auf eine vollständi­ge Aufhebung des Sanktionsr­egimes drängen zu können", so Jalilvand.

Während die Verhandlun­gen komplizier­t bleiben, können die Wiener Gespräche dennoch die Weichen für das künftige Verhältnis zwischen Iran und der westlichen Welt neu stellen. "Es dürfte über das Atomabkomm­en hinaus kein zweites größeres Abkommen zur Regionalpo­litik mit Iran geben. Nach den Erfahrunge­n mit dem JCPOA, die vom willkürlic­hen Rückzug Washington­s geprägt sind, lehnt Teheran dies strikt ab." Zu viele Akteure mit höchst unterschie­dlichen Interessen­lagen müssten an einen Tisch gebracht werden, was die Aussicht auf einen Abschluss erheblich schmälern würde, sagt Jalilvand. "Eine Verständig­ung in der Nuklearfra­ge würde aber die Tür öffnen, auf Fallbasis für Fortschrit­te zu sorgen und auf diese Weise insgesamt zu einer Entspannun­g beizutrage­n."

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Das Geistliche Oberhaupt des Iran Ali Khamenei

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