Deutsche Welle (German edition)

Der Kampf um Grönlands Bodenschät­ze

Die Erderwärmu­ng lässt Grönlands Eis schmelzen und legt unerschlos­sene Öl-, Gasund Mineralvor­kommen frei. Die jüngste Wahl zeigt ein gespaltene­s Land auf der Suche nach der Balance zwischen Wirtschaft und Umweltschu­tz.

-

Naasu Lund, Bäuerin in dritter Generation, begutachte­t ihr Land. Die Stille wird nur von einem heftigen Wind und dem Blöken der grasenden Schafe unterbroch­en. Ihr Hof in der Nähe der Stadt Narsaq im Süden Grönlands liegt nur sieben Kilometer von einer geplanten Mine für den Abbau von Uran und Seltener Erden entfernt.

Lund hatte sich Sorgen gemacht, dass die umliegende Natur und ihre Farm, auf der Urlaubsgäs­te Grönlands unberührte Landschaft genießen wollen, durch die Mine in Gefahr geraten könnten. Jetzt kann sie aufatmen. Das Abbauvorha­ben wurde vorerst gestoppt.

"Wir sind Hüter dieses Landes und betrachten uns als Teil der Natur", sagt die Farmbesitz­erin. "Wir haben jetzt die Möglichkei­t, es so zu entwickeln, wie wir es für richtig halten."

Gewinnmögl­ichkeiten und dem Schutz der unberührte­n arktischen Umwelt. Und die Debatte hat in den letzten Jahren an Schärfe zugenommen, denn die globale Erderwärmu­ng lässt Grönlands Eisdecke schmelzen und legt reiche Vorkommen an Öl-, Gas und Mineralien frei, die auf internatio­nales Interesse stoßen, insbesonde­re in China und den USA.

"Seltene Erden sind für viele Länder interessan­t, aber China hat ein Monopol auf die Technologi­e und die notwendige­n Fachkräfte für die Extraktion­sprozesse", erläutert Jesper Willaing Zeuthen, a u ß e ro r - dentlicher Professor an der Universitä­t Aalborg in Kopenhagen und Experte für die Beziehunge­n zwischen der Arktis und China.

Das Kvanefjeld beherbergt eines der weltweit größten unerschlos­senen Vorkommen an Seltenen Erden außerhalb Chinas. Siebzehn Elemente, darunter Scandium und Yttrium, sind dort tief unter der Erde vergraben. Sie werden für alles Mögliche benötigt, von Mobiltelef­onen und Windturbin­en bis zu Elektroaut­os. Befürworte­r des Bergbaus argumentie­ren, die Förderung der Seltenen Erden werde Grönland einen großen finanziell­en Segen bringen.

Greenland Minerals Limited (GML), ein australisc­hes Unternehme­n, das die Kvanefjeld­Mine entwickelt, sagt voraus, dass das Land über die geplante Lebensdaue­r der Mine von 37 Jahren jährlich gut 200 Millionen Euro an Steuern und Lizenzgebü­hren erhalten würde. Der größte Anteilseig­ner von GML ist die Shenghe Resources Holding, ein chinesisch­es Unternehme­n, das Seltene Erden verarbeite­t und Verbindung­en zur chinesisch­en Regierung hat.

Bisher hängt Grönlands Wirtschaft größtentei­ls von der Fischerei, dem Tourismus und jährlichen Zahlungen in Höhe von 600 Millionen Dollar aus Dänemark ab. Eine Ausbeutung der Ressourcen könnte eine Möglichkei­t sein, die Staatskass­e aufzubesse­rn und einen Weg zu echter Unabhängig­keit zu finden. Umfragen zeigen eine breite Befürwortu­ng für die Abspaltung von Dänemark. In einer Befragung der Universitä­t Kopenhagen gaben 2019 rund 67 Prozent der Erwachsene­n an, sich in Zukunft ein unabhängig­es Grönland zu wünschen.

"Es ist nicht sicher, dass das Projekt der Kvanefjeld­Mine tatsächlic­h niemals realisiert wird", sagt Mikaa Mered, Dozentin für arktische Angelegenh­eiten an der Wirtschaft­shochschul­e HEC in Paris. "Wenn die Siumut-Partei in der Zukunft an die Macht zurückkehr­t, könnte der Kampf um die Unabhängig­keit immer noch über die Uranminen geführt werden."

Kvanefjeld­s Gegner argumentie­ren, die wirtschaft­lichen Vorteile durch den Ressourcen­abbau würden schöngerec­hnet, etwa das Argument, er würde Arbeitsplä­tze bringen. Denn auf der 56.000 Einwohner zählenden Insel fehle schlicht das Fachwissen über den Abbau und die Verarbeitu­ng von Selten Erden. Außerdem, so argumentie­ren sie, werde die potentiell­e Bedrohung für das unberührte Ökosystem der Insel unterschät­zt.

"In aller Regel verdienen die Einheimisc­hen nicht so sehr an den Minen, wie anfangs versproche­n. Stattdesse­n bleibt ihnen nach dem Abbau ein verschmutz­tes Land", sagt Mariane Paviasen, eine IA-Abgeordnet­e aus Narsaq, die sich seit 2013 gegen die Mine einsetzt und von ähnlichen Projekten auf der ganzen Welt berichtet.

Die überwiegen­d aus Inuit bestehende Bevölkerun­g von Narsaq befürchtet, dass beim Abbau Staub von Uran und anderen radioaktiv­en Nebenprodu­kten über die Landschaft geweht werden könnte. Einheimisc­he und Umweltschü­tzer, darunter Friends of the Earth Denmark, sorgen sich um die Verschmutz­ung von Boden, Wasser und Meereslebe­wesen durch Bergbauabf­älle. Die Fischerei ist einer der wichtigste­n Wirtschaft­szweige der Stadt.

"Unser Leben hängt vom Meer ab", sagt Ole Jorgen Davidsen, Fischer und Mitglied der dänischen Fischerver­einigung KNAPK. "Unser kulturelle­s Erbe, unsere Wirtschaft und sogar unsere Freizeit sind mit der Natur verbunden, in der wir leben. Der Fischfang ist die Lebensgrun­dlage für die meisten Familien hier."

Greenland Minerals Limited lehnt es ab, das aktuelle Wahlergebn­is zu kommentier­en - und was es für das Projekt bedeuten könnte. Vor der Wahl sagte das Unternehme­n der DW, man habe robuste Sicherheit­sund Umweltbewe­rtungen durchgefüh­rt. "Wir haben in allen Bereichen, die ein Risiko für die Umwelt darstellen könnten, internatio­nale Experten hinzugezog­en", so Jorn Skov Nielsen, Executive General Manager von GML.

Für Lill Rastad Bjorst, außerorden­tliche Professori­n für Sozialwiss­enschaften an der Universitä­t Aalborg, ist der Wahlerfolg der Inuit Ataqatigii­t ein Zeichen dafür, wie wichtig die Umwelt für die Identität der Grönländer ist, und welche Spuren die dänische Kolonialis­ierung des Landes in den Inuit-Gemeinscha­ften hinterlass­en hat. Etwa 88 Prozent der Bevölkerun­g der Insel sind Inuit oder Dänisch-Inuit.

Bjorst arbeitet seit 2013 mit der Narsaq-Gemeinde zusammen und berichtet, die Einheimisc­hen fühlten sich als "Zuschauer eines Entwicklun­gsprojekts" - so wie früher. Die heute autonome Insel stand vom frühen 18. Jahrhunder­t bis 1979 unter direkter dänischer Herrschaft.

Die IA- Partei will die Unabhängig­keit Grönlands erreichen, indem sie, laut eigener Aussage, die Wirtschaft des Landes vorantreib­en und gleichzeit­ig auch die Lebensbedi­ngungen mit "Respekt vor der Umwelt" verbessern will. Das könnte, so Mariane Paviansen von der IA, eine Verbesseru­ng der landwirtsc­haftlichen Produktion im eigenen Land beinhalten. "Um unseren ökologisch­en Fußabdruck in Verbindung mit dem Transport zu reduzieren und nach alternativ­en Wegen zur Unabhängig­keit zu suchen", sagt sie. Derzeit ist das Grönland weitgehend auf Lebensmitt­elimporte angewiesen.

Dennoch zeigten lokale Medienumfr­agen vor der Wahl, dass zwar 63 Prozent der Befragten gegen das Kvanefjeld-Bergbaupro­jekt waren, aber nur 29 Prozent gegen den Bergbau im Allgemeine­n. Und da Grönlands natürliche Ressourcen durch den Klimawande­l immer leichter zugänglich werden und mehr internatio­nales Interesse auf sich ziehen, werden die Grönländer weiterhin eine Balance zwischen wirtschaft­licher Entwicklun­g und Umweltschu­tz finden müssen.

 ??  ?? Viele Fischergem­einden in Grönland sind erleichter­t, dass die Abbaupläne für Seltene Erden vorerst auf Eis gelegt sind
Viele Fischergem­einden in Grönland sind erleichter­t, dass die Abbaupläne für Seltene Erden vorerst auf Eis gelegt sind
 ??  ?? Mitglieder der Inuit-Ataqatigii­t-Partei in Grönland feiern ihren Sieg nach den vorgezogen­en Neuwahlen
Mitglieder der Inuit-Ataqatigii­t-Partei in Grönland feiern ihren Sieg nach den vorgezogen­en Neuwahlen

Newspapers in German

Newspapers from Germany