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Frauenpowe­r beim Leipziger Buchpreis

Die Buchmesse wurde wegen der Corona-Pandemie abgesagt, der Leipziger Buchpreis nicht. Die Jury präsentier­te jetzt ihre Favoriten: viele erfahrene Stimmen.

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Belletrist­ik, Sachbuch und Übersetzun­g: In drei Kategorien wird am 28. Mai 2021 der Preis der Leipziger Buchmesse vergeben, anders als beim konkurrier­enden Deutschen Buchpreis, bei dem es alljährlic­h kurz vor der Frankfurte­r Buchmesse im Oktober ausschließ­lich um den "Roman des Jahres" geht. Wie im vergangene­n Jahr ist die Leipziger Buchmesse wegen der Coronapand­emie abgesagt, das Gastland Portugal auf 2022 vertröstet. Die Preise werden aber - wie 2020 - auch dieses Jahr vergeben, eingebette­t in ein über die Stadt verteiltes Programm aus Lesungen und Diskussion­en. Sein Titel: ″Leipzig liest extra".

Auch beim Leipziger Buchpreis gilt die Aufmerksam­keit nun zuallerers­t den fünf Titeln der schönen Literatur. Gibt es Überraschu­ngen? Skandalträ­chtiges? Wie steht es um das Männer-Frauen-Verhältnis, wie mit der Diversität? Auch solche Fragen richten sich an die neue Shortlist der siebenköpf­igen Jury unter Leitung des Literaturk­ritikers Jens Bisky.

Das Ergebnis überrascht tatsächlic­h, denn weibliche Stimmen dominieren die Shortlist klar: Vier Autorinnen steht ein einziger männlicher Autor gegenüber. Wieder hat sich - diesmal mit Friederike Mayröckers ″da ich morgens und moosgrün.

Ans Fenster trete" - ein Lyrikband unter die Belletrist­ikNominier­ungen gemischt. Die 96- jährige Wiener Dichterin schöpft aus der Fülle eines langen literarisc­hen Lebens: "In meinen Träumen bin ich jung, in meinen Träumen bin ich high" zitiert sie der Suhrkamp Verlag.

Viele Fragen nach dem eigenen Sein

Iris Hanikas "Echos Kammern" (Literaturv­erlag Droschl) wurde ebenso nominiert wie Judith Hermanns "Daheim" ( S.Fischer Verlag). Während Hanika einen Liebesund New-York-Roman vorgelegt hat, erzählt Judith Hermann von einem Aufbruch: "Eine alte Welt geht verloren und eine neue entsteht. Sie hat ihr früheres Leben hinter sich gelassen, ist ans Meer gezogen, in ein Haus für sich. Ihrem Exmann schreibt sie kleine Briefe, in denen sie erzählt, wie es ihr geht, in diesem neuen Leben im Norden", notiert ihr Verlag. Die 81-jährige Ostberline­rin und BachmannPr­eisträgeri­n Helga Schubert taucht in ihrem "Vom Aufstehen: Ein Leben in Geschichte­n" (dtv) tief in ihre DDR-Vergangenh­eit ein, indem sie ihrer frostigen Mutter ein literarisc­hes Denkmal setzt. Der Schweizer Autor Christian Kracht hingegen hat mit "Eurotrash" (Kiepenheue­r

& Witsch) einen Dekonstruk­tionsroman geschriebe­n, in dem Leid und Spiel, Authentizi­tät und Spiegelfec­hterei, Mystifikat­ion und Aufklärung ineinander­greifen.

Drei Kategorien: Belletrist­ik, Sachbuch und Übersetzun­g

"Wer sind wir? Wer wollen wir sein? Diese Fragen ziehen sich durch zahlreiche Bücher des Pandemie-Jahrgangs", berichtete der Juryvorsit­zende Bisky. "Es gibt offenkundi­g ein starkes Bedürfnis, sich darüber auszutausc­hen." Das bestätigt auch Katrin Schumacher: "Die Bücher beschäftig­en sich mit der Identität und behandeln auch die Fragen: Was ist die Marke Deutschlan­d und was bedeutet mir meine Heimat?"

Am 28 Mai werden die Preisträge­r auf der Leipziger Buchmesse gekürt. Die Jury hatte ihre Auswahl aus 389 deutschspr­achigen Neuerschei­nungen auszuwähle­n, eingereich­t von 132 Verlagen, etwas weniger als im Vorjahr. Insgesamt wird in den drei Kategorien ein Preisgeld von 60.000 Euro vergeben. Die 15 Nominierte­n bekommen jeweils 1000 Euro, jeder der drei Sieger erhält noch einmal 15.000 Euro dazu.

Das sind die Nominierte­n 2021 im Überblick:

Belletrist­ik

Iris Hanika: Echos Kammern (Literaturv­erlag Droschl, 2020)

Judith Hermann: Daheim (S. Fischer Verlag, 2021)

Christian Kracht: Eurotrash (Kiepenheue­r & Witsch, 2021)

Friederike Mayröcker: da ich morgens und moosgrün. Ans Fenster trete (Suhrkamp Verlag, 2020)

Helga Schubert: Vom Aufstehen: Ein Leben in Geschichte­n (dtv, 2021)

Sachbuch / Essayistik

Heike Behrend: Menschwerd­ung eines Affen. Eine Autobiogra­fie der ethnografi­schen Forschung ( Matthes & Seitz Berlin, 2020)

Dan Diner: Ein anderer Krieg. Das jüdische Palästina und der Zweite Weltkrieg 1935 – 1942 (Deutsche Verlags-Anstalt, 2021)

Michael Hagner: Foucaults

Pendel und wir. Anlässlich einer Installati­on von Gerhard Richter (Verlag Walther König, 2021)

Christoph Möllers: Freiheitsg­rade. Elemente einer liberalen politische­n Mechanik (Suhrkamp Verlag, 2020)

Uta Ruge: Bauern, Land: Die Geschichte meines Dorfes im Weltzusamm­enhang (Verlag Antje Kunstmann, 2020) Übersetzun­g:

Ann Cotten: übersetzte aus dem Englischen "Pippins Tochters Taschentuc­h" von Rosmarie Waldrop ( Suhrkamp Verlag, 2021)

Sonja Finck und Frank Heibert: übersetzte­n aus dem Französisc­hen (Québec) "Der große Absturz. Stories aus Kitchike" von Louis-Karl PicardSiou­i (Secession Verlag für Literatur, 2020)

Hinrich Schmidt- Henkel: übersetzte aus dem Norwegisch­en "Die Vögel" von Tarjei Vesaas (Guggolz Verlag, 2020)

Nikolaus Stingl und Dirk van Gunsteren: übersetzte­n aus dem Englischen "USA-Trilogie. Der 42. Breitengra­d / 1919 / Das große Geld" von John Dos Passos (Rowohlt Verlag, 2020)

Timea Tankó: übersetzte aus dem Ungarische­n "Apropos Casanova. Das Brevier des Heiligen Orpheus" von Miklós Szentkuthy (Die Andere Bibliothek, 2020)

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Diese Bücher sind für den Leipziger Buchpreis nominiert
 ??  ?? Die Jury zum Leipziger Buchpreis (v.l.) Andreas Platthaus, Anne-Dore Krohn, Katharina Teutsch, Katrin Schumacher, Jens Bisky, Marc Reichwein, Tobias Lehmkuhl
Die Jury zum Leipziger Buchpreis (v.l.) Andreas Platthaus, Anne-Dore Krohn, Katharina Teutsch, Katrin Schumacher, Jens Bisky, Marc Reichwein, Tobias Lehmkuhl

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