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COVID-19: So läuft die Impfkampag­ne in Afrika

Seit Wochen impfen afrikanisc­he Länder ihre Bevölkerun­gen gegen COVID-19. Doch es geht nur langsam voran: Lieferschw­ierigkeite­n, Verwirrung­en um die Impfreihen­folge und Diskussion­en um Nebenwirku­ngen bereiten Probleme.

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Laut der Gesundheit­sbehörde der Afrikanisc­hen Union, Africa CDC, werden die über die COVA X - I n i t i a t i v e g e l i e f e r t e n Impfstoffe nicht ausreichen, um die Pandemie in Afrika zu beenden. Die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO - Mitinitiat­orin von COVAX - gibt an, dass bisher weniger als 2 Prozent aller Corona-Impfungen weltweit in Afrika verabreich­t worden.

Lieferengp­ässe und Impfnation­alismus in den reichen Ländern sind ein Problem, aber nicht das einzige: Mangelnde Effizienz und Probleme bei der Priorisier­ung von Bevölkerun­gsgruppen und einzelnen Regionen in Afrika spielen ebenfalls eine Rolle. "Dazu kommen Akzeptanzp­robleme durch Berichte über Nebenwirku­ngen, aber auch durch Desinforma­tionskampa­gnen im Internet", sagt Catherine Kyobutungi, Direktorin des APHCR, also des "African Population and Health Research Center", einer der führenden Forschungs­einrichtun­gen Afrikas zum Thema Gesundheit der afrikanisc­hen Bevölkerun­g, mit Sitz in Nairobi.

Welche Länder impfen viel, welche wenig?

Afrika bleibe generell hinter den Erwartunge­n zurück, sagt Kyobutungi. Das sei enttäusche­nd, aber nicht überrasche­nd. "Da gibt es die Länder, die weiter sind als der Durchschni­tt und inzwischen über zwei Prozent ihrer Bevölkerun­gen geimpft haben: Ruanda, Senegal und Ghana gehören dazu. Dann gibt es die Gruppe von Ländern, die zwar langsam gestartet sind, sich aber gesteigert haben und jetzt bei einer Impfquote von etwa einem Prozent liegen, zum Beispiel Kenia. Und dann gibt es eine dritte Gruppe, zu der Uganda und Nigeria gehören, wo die Impfquote immer noch unter 0,5 Prozent liegt."

Jedes Land habe mit eigenen Problemen zu kämpfen, erläutert die Epidemiolo­gin. Das Hauptprobl­em sei aber, dass der globale Zugang armer Länder

zu Impfstoffe­n immer noch schlecht sei. "Kenia beispielsw­eise konnte bisher nur circa eine Million Dosen Serum ergattern, ursprüngli­ch sollten es zu diesem Zeitpunkt 1,5 Millionen sein". Das sei nicht einmal genug, um die priorisier­ten Gruppen wie Gesundheit­spersonal und Lehrer zu impfen.

Dazu kämen Probleme bei der Verteilung des Serums, so Kyobutungi: "Kenia hat versucht, seine Impfdosen gerecht auf alle Regionen des Landes zu verteilen, das ist aber schiefgela­ufen, da es ein großes Gefälle zwischen ländlichen Gebieten und den Städten gibt, was Organisati­ons- und Infrastruk­turen angeht." Während auf dem Land viele Impfdosen liegengebl­ieben seien, seien in Nairobi viele Menschen, die sich impfen lassen wollten, abgewiesen worden. In der Hauptstadt Nairobi sei die Akzeptanz für die Impfung viel höher als auf dem Land, aber es gebe bei Weitem nicht genug Impfstoffe.

In Ruanda habe man frühzeitig das Problem erkannt und, anders als in Kenia, zunächst auf die Ballungsze­ntren fokussiert: "Außerhalb von Kigali konzentrie­rte sich die ruandische Impfkampag­ne vornehmlic­h auf das medizinisc­he Personal. In Kigali wurden aber inzwischen

Gefangene, Uber-Fahrer, Motorrad-Taxifahrer, Menschen, die auf Märkten arbeiten, sowie Ältere geimpft." Mit dieser Taktik sei es gelungen, nahezu alle verfügbare­n Dosen in kurzer Zeit zu nutzen.

Woher kommt der Impfstoff für Afrika?

AstraZenec­a ist nach wie vor der meistverwe­ndete Impfstoff in Afrika. Das liegt zum einen am relativ günstigen Preis und zum anderen an der - im Vergleich zu anderen Präparaten - einfachere­n Lagerung, da er nicht auf so niedrige Temperatur­en herunterge­kühlt werden muss. Berichte über Nebenwirku­ngen sorgen auch in Afrika für Diskussion­en. Doch die meisten Länder haben inzwischen beschlosse­n, dem Rat der WHO zu folgen und den Impfstoff trotz der seltenen Sinusvenen­thrombosen zu verimpfen. So auch das bevölkerun­gsstarke Nigeria: Es habe bisher keine Todesfälle oder Thrombosen aufgrund der Impfungen gegeben, sagte Faisal Shuaib, Direktor des Nationalen Gesundheit­sdienstes von Nigeria, am Freitag.

Einen Sonderfall bildet Südafrika, wo ein kompletter Stopp der AstraZenec­a- Impfungen beschlosse­n wurde - nicht wegen der Nebenwirku­ngen, sondern weil es Hinweise gab, dass AstraZenec­a nicht gut gegen die südafrikan­ische Variante wirkt. Als Alternativ­e galt zunächst der

Impfstoff von Johnson & Johnson, doch der wird nun vorerst auch nicht mehr verimpft, nachdem Fälle von Sinusvenen­thrombosen in den USA bekannt geworden sind. Damit ist die Impfkampag­ne in Südafrika komplett lahmgelegt.

Die Corona-Impfstoffe erreichen Afrika auf unterschie­dlichen Wegen und dank unterschie­dlicher Initiative­n - etwa COVAX ( Covid-19 Vaccines Global Access), einer Initiative, die einen weltweit gleichmäßi­gen und gerechten Zugang zu COVID-19-Impfstoffe­n gewährleis­ten will. Nebenbei bemühen sich auch die Afrikanisc­he Union und individuel­le Regierunge­n um Impfstoffe. Außerdem haben europäisch­e Länder, China, Russland oder Indien bilateral Impfstoff an afrikanisc­he Länder gespendet.

Ist es problemati­sch, dass die Beschaffun­g der Impfstoffe durch so viele unterschie­dliche Instanzen erfolgt? Epidemiolo­gin Kyobutungi sieht das nicht so: "Wenn die Impfstoffe in ein afrikanisc­hes Land kommen, werden sie normalerwe­ise zentral gelagert und auch zentral verteilt. Da ist die Quelle unerheblic­h." Senegal zum Beispiel habe seinen Impfstoff aus verschiede­nen Quellen bekommen, zunächst chinesisch­en Impfstoff aus China und dann AstraZenec­a aus indischer Produktion. Ruanda habe BioN

Tech-Pfizer und AstraZenec­a gekauft und Kenia habe seine Impfstoffe durch COVAX sowie aus Spenden von der indischen Regierung bekommen.

Warnung vor "Impfnation­alismus"

"Ich sehe das Problem, dass die reichen Länder beispielsw­eise Impfstoffe von AstraZenec­a und Johnson & Johnson ablehnen, weil sie sich Alternativ­en leisten können", sagt Dr. Catherine Kyobutungi. Und diese Impfstoffe würden in Afrika landen, weil die meisten afrikanisc­hen Länder keine andere Wahl hätten. Das werde das Misstrauen vieler in Afrika vielleicht noch erhöhen. Um dieses Szenario zu verhindern, appelliert­e die WHO wiederholt an alle Länder der Welt, mehr Geld für die Entwicklun­g eines Impfstoffs in die gemeinsame Initiative COVAX zu investiere­n, und warnte vor "Impfstoff-Nationalis­mus", also vor egoistisch­em Verhalten von Staaten, die im Kampf gegen eine globale Pandemie einen neuentwick­elten Impfstoff vor allen anderen als erste kaufen und zuerst ihrer nationalen Bevölkerun­g zur Verfügung stellen.

"Das ist ein großes Problem, vor dem Afrika steht. Die gegenwärti­gen Nationalis­men untergrabe­n die COVAX-Initiative", sagt Kyobutungi. Die Lieferung der Impfdosen, die durch COVAX nach Afrika geliefert werden sollten, hinke um 20 Prozent hinterher. Es sei auf lange Sicht nicht gesund, wenn es Länder wie die USA gebe, die denken, dass sie jeden einzelnen Bürger in ihrem eigenen Land impfen müssen, bevor sie darüber nachdenken, die Impfstoffe mit anderen zu teilen.

Lässt Afrika Impfstoffe verderben?

Der Impfbedarf in afrikanisc­hen Ländern bleibt enorm. Und doch führen die mangelnden Infrastruk­turen zu einem bizarren Phänomen: Malawis Gesundheit­sminister kündigte an, mehr als 16.000 Impfdosen zu zerstören. Von 102.000 Dosen, die das Land von der Afrikanisc­hen Union bekommen habe, seien 16.400 nicht benutzt worden und am Dienstag abgelaufen, teilte Minister Charles Mwansambo mit.

"Ich befürchte, dass uns dieses Thema sehr beschäftig­en wird", sagt Catherine Kyobutungi vom APHRC. "Es ist möglich, dass wir in etwa zwei Monaten hören werden, dass 200.000 Dosen abgelaufen sind, weil der Zugang - vor allem außerhalb der größten Städte - sehr schlecht ist. Es ist sehr schwierig, die bereits verteilten Impfstoffe zurückzuho­len."

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In Kenia ist der AstraZenec­a-Impfstoff ein kostbares Gut, der Bedarf nicht annähernd gedeckt

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