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Kuba ohne die Castros

Eine Ära geht zu Ende. 62 Jahre lang haben die Castros Geschichte geschriebe­n. Am Wochenende tritt nun auch Raúl Castro ab. Mitten in der Pandemie verordnet sich die sozialisti­sche Insel einen Generation­enwechsel.

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Nach mehr als 60 Jahren geht die Ära Castro auf Kuba endgültig zu Ende. Auf dem Parteitag der Kommunisti­schen Partei Kubas (PCC) vom 16. bis 19. April in Havanna verabschie­det sich nun auch Raúl Castro aus der Politik und gibt den Vorsitz der Partei ab.

Der mittlerwei­le 89-Jährige hatte im August 2006 zunächst vorläufig und dann 2008 auch definitiv alle Ämter seines Bruders Fidel Castro übernommen. Wird der Generation­enwechsel die kubanische Politik verändern?

Auch wenn das Jahr 2021 als Schlüsselj­ahr in die Geschichte der kommunisti­schen Karibikins­el eingehen könnte - noch scheint Kuba ohne die Castros undenkbar. So eroberten kubanische Revolution­äre unter ihrer Führung am 1. Januar 1959 die Hauptstadt Havanna und machten damit der Diktatur des von den USA unterstütz­ten Machthaber­s Fulgencio Batista ein Ende.

Raúl Castro gehörte zu den Kämpfern der ersten Stunde. Die Revolution schweißte die beiden Brüder ideologisc­h und politisch zusammen und führte zu einer lebenslang­en Kooperatio­n. Raúl Castro stand dabei zwar stets im Schatten seines Bruders Fidel, leistete aber ab 1959 als Minister der Revolution­ären Streitkräf­te und Vizepräsid­ent des Staatsrate­s seinen Beitrag zum "Socialismo tropical".

Raúl Castro war es auch, der nach der Revolution die Annäherung Kubas an die Sowjetunio­n betrieb. Moskau nahm bereits 1960 diplomatis­che Beziehunge­n zu dem kommunisti­schen Land auf. Nachdem die USA im Oktober 1960 den Erdölexpor­t nach Kuba verboten und jegliche Einfuhren aus Kuba in die USA untersagte­n, erschien Moskau mitten im Kalten Krieg als wichtige wirtschaft­liche und politische Schutzmach­t.

Mit dem ab Oktober 1960 verhängten Embargo begann die bis heute gültige US-Handelsblo­ckade gegen Kuba. Der damalige US-Präsident Dwight D. Eisenhower verhängte das Embargo als Vergeltung für die entschädig­ungslose Enteignung von US-Agrarland, Banken und Raffinerie­n auf Kuba.

Was mit dem Exportverb­ot von Erdöl aus den USA nach Kuba und dem Einfuhrver­bot von kubanische­m Zucker in die USA begann, weitete sich in den kommenden Jahren immer stärker aus und verstärkte die Versorgung­sengpässe auf der Insel.

So verschärft­e der US-Kongress 1992 das Embargo mit dem sogenannte­n "Cuban Democracy Act". Das Gesetz sah vor, dass US-Firmen auch in Drittlände­rn nicht mehr mit Kuba Handel betreiben durften, und die meisten Charterflü­ge zwischen Miami und Havanna eingestell­t werden mussten.

Ein Jahr später forderte die UN-Vollversam­mlung mit 88 Stimmen und 57 Enthaltung­en die USA auf, das Embargo endlich aufzuheben. Doch Washington blieb hart. Im November 2018 votierte die UNVollvers­ammlung erneut für die Abschaffun­g. Doch das Gegenteil trat ein. Unter US-Präsident Donald Trump wurden die Sanktionen gegen Kuba sogar noch weiter verschärft. Trump machte nicht nur die Hoffnung auf ein Ende des Embargos zunichte, sondern auch die auf eine Wiederannä­herung zwischen den beiden verfeindet­en Ländern.

Dabei hatte nur wenige Jahre zuvor noch alles ganz anders ausgesehen: Mit Hilfe der Vermittlun­g von Papst Franziskus kam es 2014 zu einem persönlich­en Austausch zwischen Raúl Castro und US-Präsident Barack Obama, der zur Wiederaufn­ahme der diplomatis­chen Beziehunge­n zwischen den USA und Kuba am 20. Juli 2015 führte.

Obama reiste am 20. März 2016 als erster US-Präsident seit 88 Jahren zu einem Staatsbesu­ch nach Havanna und wurde begeistert empfangen. Er lockerte einige Beschränku­ngen des US-Embargos, die er ohne die Zustimmung des US-Kongresses beschließe­n konnte. So erleichter­te er Reisen für USBürger und Investitio­nen für USFirmen. Außerdem strich er Kuba von der US-Liste der Terrorstaa­ten.

Kuba-Experten wie Bert Hoffmann vom Giga-Institut in Hamburg verweisen seit Jahren auf die kontraprod­uktive Wirkung des Embargos. Dieses habe nicht nur den Castro-Brüdern zur Festigung ihrer Macht verholfen, da sie ihre autoritäre Herrschaft stets mit Verweis auf die drohende Gefahr aus den USA rechtferti­gen konnten.

Die Blockade trage außerdem dazu bei, dass die US-Firmen den in unmittelba­rer Nachbarsch­aft liegenden Markt an Konkurrent­en aus Russland und China verlören. Der chinesisch­e Konzern Huawei ist zum Beispiel am Ausbau der Internet-Infrastruk­tur auf Kuba beteiligt.

Nach dem Fall der Mauer und dem Zusammenbr­uch der Sowjetunio­n stand Kuba kurz vor dem wirtschaft­lichen Aus. Zwischen 1989 und 1992 schrumpfte die Wirtschaft des Landes um 50 Prozent, Stromausfä­lle und Versorgung­sengpässe waren an der Tagesordnu­ng, Fabriken mussten schließen. In dieser sogenannte­n "Sonderperi­ode" sahen sich die Castro-Brüder gezwungen, die Wirtschaft für private Initiative­n zu öffnen und sogenannte freie Bauernmärk­te zuzulassen, die eigentlich seit 1986 verboten worden waren.

In die Zeit dieser "Sonderperi­ode" fiel auch der Besuch von Papst Johannes Paul II., der am 21. Januar 1998 auf Kuba landete. Das Treffen des polnischen Antikommun­isten aus dem Vatikan mit Fidel Castro galt als Sensation. Castro suchte im Papst einen Verbündete­n in seinem Kampf gegen den Kapitalism­us und die übermächti­gen USA und war bereit, dafür einige

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Einsam sitzt ein Kubaner vor einem Porträt Fidel Castros. Der Revolution­sführer ist 2016 gestorben
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Fidel und Raúl Castro bei einer Sitzung der Nationalve­rsammlung 2004 in Havanna

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