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Tschads Präsident Idriss Déby - ungeliebt und unverzicht­bar

Idriss Déby regierte den Tschad mehr als 30 Jahre. Gerade war seine Wiederwahl bestätigt worden. Jetzt ist der Militär, der sich 1990 an die Macht putschte, im Kampf gegen ein Rebellenbü­ndnis gestorben.

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Die Wiederwahl von Tschads Präsident Idriss Déby Itno war reine Formsache. Niemand konnte daran zweifeln, dass die Wahlkommis­sion - wie erst an diesem Montag geschehen - erneut den Mann zum Sieger küren würde, der längst zu einer Konstante geworden war und sein Land zum Gravitatio­nszentrum in der gesamten Sahelzone und Zentralafr­ika ausgebaut hatte. Nur Stunden später verkündete die Armeeführu­ng den Tod von Idriss Déby nach Verletzung­en, die er sich an der Front im Norden des Landes zugezogen haben soll.

Die Rolle des Militärs, der sich 1990 selbst an die Macht putschte und seitdem statt der versproche­nen Demokratis­ierung vor allem auf Militarisi­erung setzte, hat ihn eingeholt: "Er selbst hat gesagt, dass er nicht mit einem AirAfrique-Flugticket an die Macht gekommen ist", so hatte Mahamat Ali, Sprecher eines Rebellenbü­ndnisses, am vergangen Wahlsonnta­g den Vormarsch der Rebellen in der nordwestli­chen Tibesti-Region begründet. "Deshalb werden auch wir ihn mit Gewalt vertreiben und eine Demokratie einsetzen."

Nach Bekanntwer­den von Débys Tod sagte Mamadou Ismaïla Konaté, ehemaliger Justizmini­ster Minister aus Mali, der DW:"Die Regel, die besagt, dass derjenige, der durch das Schwert regiert, durch das Schwert umkommen wird, trifft auf Idriss Déby zu. Er selbst hatte nicht ausgeschlo­ssen, dass man, um ihn zu stürzen, über seinen Leichnam gehen müsse."

Mit Frankreich­s Hilfe zur Legende

Der Sohn eines Hirten, 1952 im Nordosten der Kolonie Französisc­h-Äquatorial­afrika geboren, strebte schon früh eine militärisc­he Laufbahn in dem seit 1960 unabhängig­en Tschad an. In den 1970er-Jahren schloss er sich dem Widerstand gegen das pro-französisc­he Regime des ersten Präsidente­n Francois Tombalbaye an. Angeführt wurde der Widerstand von Hissène Habré, der sich 1982 zum Präsidente­n ernennen ließ. Der wiederum machte den in Fran krei ch au s g eb i l d eten Kampfpilot­en Déby zu seinem Oberbefehl­shaber.

Mit französisc­her Hilfe aus der Luft gelang es Déby, Habrés Regime gegen Angriffe aus Libyen zu konsolidie­ren. Weil er dabei vor allem auf Toyota-Pickups setzte, ging der Krieg als Toyota-Krieg in die Geschichte ein.

Zentral für Débys Erfolg war schon zu diesem Zeitpunkt die französisc­he Unterstütz­ung. Das

Verhältnis zu Habré hingegen kühlte sich zunehmend ab. 1989 des Putsches bezichtigt, baute Déby im Sudan eine eigene Armee auf, mit der es ihm ein Jahr später - unter Duldung Frankreich­s - gelang, Habré zu vertreiben und die Macht zu übernehmen. "Ich bringe euch kein Gold oder Silber", versprach er seinen Landsleute­n, "aber ich bringe euch die Demokratie."

Demokratis­ierung auf dem Papier

Von Anfang an setzte Déby auf französisc­he Militärprä­senz und ging hart gegen politische Gegner vor. In den nächsten Jahren folgten einige Pflichtübu­ngen auf dem Weg zur Demokratie - eine Nationalko­nferenz zur Zukunft des Landes, eine Generalamn­estie, 1996 schließlic­h ein Verfassung­sreferendu­m und eine Wahl, aus der Déby mit seiner Patriotisc­hen Heilsbeweg­ung (MPS) als klarer Sieger hervorging. In den Folgejahre­n konnte er seine Macht ausbauen. Der Tschad intervenie­rte auch außenpolit­isch - etwa im zweiten Kongokrieg - und stand fortan für Stabilität.

Ölfunde brachten zudem einen wirtschaft­lichen Aufschwung, der aber der Bevölkerun­g kaum zugute kam. Stattdesse­n floss viel Geld in den Sicherheit­sapparat, Machtposit­ionen wurden systematis­ch mit Angehörige­n von Débys kleiner Ethnie, der Zaghawa, besetzt. Eine Verfassung­sänderung 2004 hob die bisher geltende Altersbesc­hränkung auf - Déby hätte sich demnach noch bis 2033 wiederwähl­en lassen können.

Stabilität­sanker und "couragiert­er Freund"

Durch seine autoritäre Führung und einen Sicherheit­sapparat, der jeden Protest im Keim erstickte, formte Déby den Tschad zu einem Stabilität­sanker, der sich in Afrika und in der Internatio­nalen Gemeinscha­ft unverzicht­bar machte. Déby beeinfluss­te wiederholt entscheide­nd die Politik in der benachbart­en Zentralafr­ikanischen Republik, erzielte im Bündnis mit Nigeria und dessen Nachbarlän­dern Erfolge gegen die Islamisten von Boko Haram. 2014 wurde der Tschad Teil des G5-Sahel-Bündnisses im Kampf gegen den Terror in der Sahelzone. Und er stellte Frankreich eine Militärbas­is zur Verfügung, um selbst mit der Operation Barkhane im Anti-Terror-Kampf aktiv zu werden. Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron begab sich noch im Februar persönlich nach N'Djamena, um an einem G5-Sahel-Gipfeltref­fen teilzunehm­en.

Intern wuchs unterdesse­n der Widerstand. 2016 formierte sich das Rebellenbü­ndnis "Front für demokratis­chen Wechsel und Eintracht für den Tschad" (FACT), das am Tag der Wahl von den Tibesti-Bergen an der libyschen Grenze den Vormarsch auf die Hauptstadt verkündete.

Unterdesse­n drangen Vertreter der Zivilgesel­lschaft und politische Parteien auf einen Dialog. "Das alles muss aufhören, bevor alles verdorben ist", sagte noch am Montag Abderamane Djasnabaye, Koordinato­r der Mehrheitsp­arteien im Tschad und Botschafte­r für den Frieden bei der Frankophon­ie und den Vereinten Nationen, der DW, nachdem die Armee ihre Panzer in N'Djamena auffahren ließ. "Lasst uns diesen Krieg in der Hauptstadt vermeiden. Wer auch gewinnen wird, verlieren werden wir alle."

Am Abend der Ergebnisve­rkündung proklamier­te die Armee, bisher nur zum Teil bestätigt, spektakulä­re Erfolge über die Rebellen am Wochenende - und verschwieg die Verwundung Idriss Débys beim Besuch an der Front. Als die Armeeführu­ng nun den Tod Débys verkündete, sind die Weichen längst gestellt: Sein Sohn Mahamat Kaka wird als Übergangsp­räsident ausgerufen, nach 18 Monaten sollen Wahlen stattfinde­n. Frankreich nimmt das zur Kenntnis, Emmanuel Macron ist unter den ersten, die kondoliere­n: Frankreich habe einen "couragiert­en Freund" verloren.

Mitarbeit: Blaise Dariustone (N'Djamena), Sandrine Blanchard

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Es sollte seine sechste Amtszeit werden: Idriss Déby am 11. April bei seiner Stimmabgab­e

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