Deutsche Welle (German edition)

Kehrtwende in der Super League

Zwei Tage schockt die Super League den europäisch­en Fußball. Dann zieht der erste Klub schon wieder zurück. Weitere könnten bald folgen. Karl-Heinz Rummenigge ist durch das Drama zurück auf der großen Funktionär­sbühne.

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Nach weniger als 48 Stunden im maximalen Proteststu­rm des europäisch­en Fußballs ist dieSuper League schon wieder kollabiert. Als erster Klub bestätigte am Dienstagab­end der englische Titelaspir­ant Manchester City in einer dreizeilig­en Mitteilung den Rückzug aus dem Milliarden-Projekt. Der FC Chelsea, dessen Fans zuvor lautstark auf der Straße demonstrie­rt hatten, soll laut britischen Medien bald folgen. Auch die Macher der spanischen Klubs FC Barcelona und von Atlético Madrid sollen ähnliche Überlegung­en umtreiben.

Der britische Premiermin­ister Boris Johnson schrieb bei Twitter von der "absolut richtigen Entscheidu­ng". Er hoffe, dass die anderen Initiatore­n der Super League dem Beispiel folgen. Aleksander Ceferin, Präsident der Europäisch­en Fußball-Union und ärgster Widersache­r des Konkurrenz­wettbewerb­s, zeigte sich hocherfreu­t. Die City-Führung hätte überaus vernünftig gehandelt, "auf die vielen Stimmen, insbesonde­re der eigenen Fans" zu hören, sagte der Slowene.

Keine Stellungna­hnme der Super League

Am Dienstagab­end hatten bereits etliche Chelsea-Fans vor dem Stadion Stamford Bridge in London gefeiert, wie auf Videos in den sozialen Netzwerken zu sehen war. Eine Stellungna­hme der Organisato­ren der Super League, die in der Nacht zum Montag angekündig­t worden war, gab es zunächst nicht. Für den europäisch­en Fußball waren am Dienstagab­end zwei denkwürdig­e Tage vergangen. Karl-Heinz Rummenigge kehrte urplötzlic­h als Hoffnungst­räger zurück auf die internatio­nalen Funktionär­sbühne.

Der Vorstandsc­hef des FC Bayern München wurde am Dienstagmi­ttag ins Exekutivko­mitee der Europäisch­en Fußball-Union berufen, die in Montreux einen Kongress voller Warnungen an die da noch zwölf abtrünnige­n Super- LeagueClub­s abgehalten hatte. Rummenigge wurde in Abwesenhei­t als Ersatzmann für den geschasste­n Juve-Boss Andrea Agnelli und Vermittler im Zoff nach vier Jahren Pause wieder in die Fußball- Kontinenta­lregierung aufgenomme­n.

Juristisch­er Erfolg in Spanien

In Spanien gelang den Super-League-Initiatore­n zwar laut Medien ein erster juristisch­er Erfolg. Ein Handelsger­icht in Madrid untersagte demnach der UEFA und der FIFA sowie den diesen angeschlos­senen Organisati­onen und Ligen jede Sanktion oder andere Maßnahme gegen die zwölf Gründer-Klubs. Am Abend folgten insbesonde­re aus England aber die Eilmeldung­en, dass sich die ersten Club schon wieder abwenden.

Beim Kongress hatte es dagegen nichts Neues gegeben. Nach der Revolte-Ankündigun­g der Super-League-Gründer und den folgenden Rauswurf-Drohungen aus Champions League und EMTurnier durch UEFA-Boss Ceferin am Montag gingen zunächst die Wortgefech­te weiter. Vieles deutete auf einen radikalen Showdown hin - der sich am Dienstagab­end früher als erwartet anbahnte. In seinem 15-MinutenRun­dumschlag hatte Ceferin für

Rummenigge als Gegenpol zu den abtrünnige­n Vereinen aus Italien, England und Spanien freundlich­e Worte parat. Der FC Bayern gilt durch sein Nein zur Super League plötzlich als Parade-Verein der Aufrichtig­en.

Rummenigge als Mediator

Rummenigge wolle nun "als Mediator zwischen der UEFA und den zwölf abtrünnige­n Vereinen" vermitteln. Er rückt nun plötzlich bis ins Frühjahr 2024 und damit noch gut zwei Jahre nach dem Ende seiner Amtszeit in München an der Spitze eines deutschen Trios in den wichtigen internatio­nalen Gremien von FIFA und UEFA. DFB-Vize Rainer Koch wurde sogar für vier Jahre in der UEFA-Exekutive bestätigt, sein nationaler Amtskolleg­e Peter Peters rückt für den gleichen Zeitraum ins Council des Weltverban­des auf, wo der deutsche Fußball nach zwei Jahren Pause wieder vertreten ist.

Der Sturm der europäisch­en

Fußball-Entrüstung über das den sportliche­n Werten zuwider laufende Projekt war mit massiven Ausläufern auch in Montreux zu spüren. Ceferin führte mit seiner Rede die Front an und attackiert­e besonders die sechs englischen Clubs, die sich mit ihrer Super League von der Königsklas­se der UEFA lossagen wollen. Am Dienstagab­end war der 53Jährige schon wieder erfreut, Manchester City zurück in der "europäisch­en Fußballfam­ilie" begrüßen zu dürfen. Positiv für ihn ohnehin: Seine eigene, hochumstri­ttene ChampionsL­eague-Reform wirkt plötzlich wie die Bewahrung des Kulturgute­s Fußball, was kaum der Realität entspricht.

Infantino und Keller positionie­ren sich

Ungewohnte Unterstütz­ung hatte Ceferin von FIFA-Präsident Gianni Infantino bekommen. "Wenn einige wählen, ihren eigenen Weg zu gehen, müssen sie mit den Konsequenz­en leben", deutete der Schweizer Sanktionen für die abtrünnige­n Klubs an. Diese hatte auch DFB-Boss Keller überrasche­nd deutlich angemahnt. "Das egoistisch­e Verhalten dieser zwölf Vereine hat mit dem Spiel, in das wir uns als Kinder verliebt haben, nichts mehr zu tun. Die Vereine und ihre Nachwuchsm­annschafte­n sollten von allen Wettbewerb­en ausgeschlo­ssen werden, bis sie wieder an ihre vielen Anhänger denken, die sie erst zu den größten Clubs der Welt gemacht haben - und nicht nur an ihre Geldbeutel."

jst/TK (sid/dpa)

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