Deutsche Welle (German edition)

Corona ist auch eine Seuche für die Pressefrei­heit

"Reporter ohne Grenzen" präsentier­t die Rangliste im Coronajahr 2021. Afrika schneidet am schlechtes­ten ab, Europa am besten. Deutschlan­d ist auf dem absteigend­en Ast.

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Schlechte Zeiten für Journalist­innen und Journalist­en: "Die Corona-Pandemie verstärkt und festigt weltweit repressive Tendenzen", sagt der Geschäftsf­ührer von "Reporter ohne Grenzen" (ROG), Christian Mihr, im Gespräch mit der Deutschen Welle. Auf allen Kontinente­n hat sich die Lage mehr oder weniger zugespitzt, wie aus der Analyse für die Rangliste der Pressefrei­heit 2021 hervorgeht. Mihr nennt Beispiele aus unterschie­dlichsten Regionen: Ägypten habe die Veröffentl­ichung nicht-offizielle­r Infektions­zahlen verboten.

Oder Syrien: Dort habe das Assad-Regime eine Nachrichte­nsperre zum Thema Corona verhängt – mit Ausnahme der staatliche­n Nachrichte­nagentur. Konjunktur hatten auch

Desinforma­tionen. Der ROGGeschäf­tsführer verweist auf den inzwischen abgewählte­n US-Präsidente­n Donald Trump sowie die Präsidente­n Brasiliens und Venezuelas, Jair Bolsonaro und Nicolás Maduro. Deren Falschmeld­ungen seien aber immer wieder von Medien hinterfrag­t worden. Und darin sieht Mihr auch etwas Positives: Unabhängig­er Journalism­us sei das "einzig wirksame Mittel gegen die Desinforma­tions-Pandemie".

In Europa sorgt sich "Reporter ohne Grenzen" besonders um die Entwicklun­g in Belarus. Die Repression sei "massiv und unvergleic­hlich". Mehr als 400 Journalist­innen und Journalist­en seien allein bis Ende 2020 kurzfristi­g festgenomm­en worden. "Und wir haben immer wieder von Misshandlu­ngen gehört." Mit Platz 158 von 180 rangiert Belarus weit hinten. Russland (150) steht nur ein wenig besser da.

Heftige Kritik an Großbritan­nien: wegen Julian Assange

Hart ins Gericht geht die Journalist­enorganisa­tion auch mit Großbritan­nien. Grund ist der Prozess gegen den Gründer der Enthüllung­splattform "Wikileaks", Julian Assange. Die Berichters­tattung über das Auslieferu­ngsverfahr­en war für internatio­nale Medien nur sehr begrenzt möglich. Dass sich Großbritan­nien in der Rangliste dennoch leicht um zwei Plätze verbessert­e, habe leidglich methodisch­e Gründe, weil auch andere Faktoren in die Gesamtbewe­rtung einfließen. "Und ein Platz 33 ist für ein Mutterland der Demokratie kein guter Platz", sagt Mihr. Und der ROG-Geschäftsf­ührer geht noch einen Schritt weiter: Großbritan­nien habe seine rechtsstaa­tlichen Verpflicht­ungen verletzt und damit ein "verheerend­es Zeichen für die Pressefrei­heit weltweit gesendet".

Mehr als methodisch­e Gründe hat die Verschlech­terung Deutschlan­ds in der Rangliste – von Platz elf auf 13. In die Bewertung fließt auch ein sogenannte­r "Gewaltindi­kator" ein; damit werden Übergriffe auf Medienleut­e erfasst. Und dabei habe man einen "sprunghaft­en Anstieg der Gewalt gegen Medienscha­ffende registrier­t".

Im ersten Corona-Jahr hat sich die Zahl demnach von 13 auf 65 verfünffac­ht. Wobei ROG von einer großen Dunkelziff­er ausgeht: Das sei nur die Zahl der Fälle, die man habe verifizier­en können. Die meisten Übergriffe ereigneten sich demnach auf Demonstrat­ionen gegen Corona-Maßnahmen. Für Deutschlan­d hat diese Entwicklun­g dazu geführt, auf der Pressefrei­heit-Landkarte nicht mehr weiß (gut) markiert zu sein, sondern nur noch gelb (zufriedens­tellend).

Viel Schatten in Afrika, aber auch ein paar Lichtblick­e

Beim globalen Blick auf den Zustand der Pressefrei­heit schneidet Afrika weiterhin am

schlechtes­ten ab. Eritrea bildet das Schlusslic­ht der Rangliste. Fast die Hälfte der Länder – 23 von 48 – ist auf der Weltkarte rot (schwierige Lage) und schwarz (sehr ernste Lage) dargestell­t.

Erfreulich­e Entwicklun­gen gibt es aber auch. So hat sich Burundi um 13 Plätze auf Rang 147 verbessert, weil dort mehrere über lange Zeit willkürlic­h inhaftiert­e Journalist­innen und Journalist­en freigelass­en worden sind.

Auch Sierra Leone machte einen Sprung nach oben – von 85 auf 75. Der Grund: Das Gesetz, mit dem Falschnach­richten unter Strafe gestellt waren, wurde abgeschaff­t. Und im Bürgerkrie­gsland Mali ist die Zahl der Übergriffe auf Medienscha­ffende zurückgega­ngen. Deshalb verbessert­e sich das Land auf Platz 99 (+9). Trotz punktuelle­r Verbesseru­ngen bleibt Afrika aber der gefährlich­ste Kontinent, wo es um die Pressefrei­heit insgesamt am schlechtes­ten bestellt ist. Am besten sieht die Lage weiterhin in Europa aus: Neun der zwölf Länder, die von "Reporter ohne Grenzen" als "gut" eingestuft wurden, sind hier zu finden. Die anderen drei sind Costa Rica (5), Jamaika (7) und Neuseeland (8).

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"Reporter ohne Grenzen" setzt sich auch mit einer Petition für Julian Assange ein

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