Deutsche Welle (German edition)

Meinung: Söder versus Laschet - Aufbruch sieht anders aus

Die CDU zweifelt an sich selbst - anders ist das unwürdige Vorgehen bei der Auswahl des Kanzlerkan­didaten nicht zu erklären. Da hilft auf Dauer nur ein einziger Ausweg, meint Christoph Strack.

-

Es gibt für Unionspoli­tiker Ereignisse im Leid und Leben ihrer Partei, die unvergesse­n bleiben, und die immer auch mit der Gegenwart verglichen werden. Der CSU-Putsch von Kreuth zum Beispiel, als die Bayern 1976 die Fraktionsg­emeinschaf­t mit der CDU im Bundestag aufkündigt­en. Oder die bleierne Zeit der letzten Jahre unter Kanzler Kohl bis 1998. Der FAZ-Artikel, mit dem Ende 1999 die damalige Generalsek­retärin Angela Merkel das politische Ende von Helmut Kohl einläutete. Unionsvert­reter können davon immer noch mit Spannung erzählen.

Der lange Abend im CDUBundesv­orstand an diesem 19. April gehört ab sofort dazu. Da rudern Spitzenpol­itiker durch stürmische See, der eine nach hier, die andere nach dort. Orientieru­ng suchend. Nervös. Und klar ist: Irgendwie werden diese Stunden der Entscheidu­ng auch die Partei verändern. Eigentlich gilt die CDU doch als Kanzlerpar­tei oder, seit Merkel, als

Kanzlerinn­enpartei.

Eine gespaltene und zweifelnde CDU

Seit gut 90 Tagen ist Armin Laschet Vorsitzend­er der CDU. Er hat lange gekämpft für dieses Amt. Als CDU-Ministerpr­äsident des bevölkerun­gsreichste­n deutschen Bundesland­es war er für die Führung der Bundespart­ei prädestini­ert. Ist die CDU in Nordrhein-Westfalen stark, ist sie im Bund stark - das galt lange. Nicht erst seit diesem Parteitag, aber erst recht bei diesem Parteitag, auf dem Laschet sich als Vorsitzend­er durchsetzt­e, wurde mit Wucht deutlich, wie sehr die CDU gespalten ist. Gelegentli­ch wirkt sie wie viele kleine CDU-en. Je nach Land, je nach Interessen­gruppe, nach Generation. Und deswegen trauen viele dem eigenen

Front-Mann nicht, schauen auf den Mitbewerbe­r der CSU, auf Markus Söder.

Seit vielen Wochen war klar: Wenn der CDU-Vorsitzend­e Armin Laschet Spitzenkan­didat der Union werden möchte, dann wird er das auch. Dann schwächelt­e diese Gewissheit - stürzte geradezu ab. Und doch stützt der Bundesvors­tand der Partei, die wahrlich nicht revolution­är agiert, sondern für Kontinuitä­t und Behäbigkei­t steht, ihren Vorsitzend­en. Denn würde der 60-jährige Laschet nicht Spitzenkan­didat, könnte er sich auch als Parteichef nur schwer halten. Dabei hat die Partei Laschets Vorgängeri­n Annegret Kramp-Karrenbaue­r schon so behandelt, dass sie nach nur gut einem Jahr die Brocken hinwarf.

Eine Partei in Selbstzwei­feln und auf der Suche nach Vergewisse­rung. Die es nicht mehr schafft, in ihren bewährten Zirkeln der Macht - sei es die kleine Runde der beiden Parteivors­itzenden oder der Bundesvors­tand - offene Worte zu sprechen, ohne dass Details nach außen dringen. Eine Partei, deren langjährig­e Vorsitzend­e und amtierende Bundeskanz­lerin zu all dem schweigt wie eine Sphinx.

Keine gute Voraussetz­ung für den Wahlkampf

Sie glauben sich selbst nicht - so wirken manche Äußerungen von führenden CDULeuten vor und nach der nächtliche­n Entscheidu­ng für Armin Laschet. Das ist keine gute Voraussetz­ung für den Wahlkampf. Dabei gilt Laschet parteiinte­rn als "Kämpfer".

Die Kanzlersch­aft steht für das wichtigste politische Amt in Deutschlan­d. Das ist es wert und würdig, um die Kandidatur für dieses Amt zu kämpfen und zu streiten. Unwürdig sollte dieser Streit nie werden. Doch wie sich die Union derzeit zeigt in diesem Ringen, das hat mit der Bürde dieser Würde wenig zu tun.

Dabei steht so viel auf dem Spiel. Es gibt politische Partner der CDU in Europa, die in den vergangene­n Jahrzehnte­n einfach verschwund­en sind. Bei aller Schwierigk­eit dieses Vergleichs: Auch die Democrazia Cristiana, lange Jahre die wichtigste Partei Italiens und bewährter Partner der CDU, hat es über Grundfrage­n der politische­n Orientieru­ng zerrissen. Und über massive Korruption.

Zeit für Erneuerung

Armin Laschet soll und will also Ende September die CDU erneut ins Kanzleramt führen. Er will seine Partei zusammenha­lten und erneuern. Aber ein Aufbruch sieht wahrlich anders aus als dieses parteiinte­rne Zweifeln und Streiten. Das zeigte am Montag die Präsentati­on der Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock.

Nach 16 Jahren Helmut Kohl schickten die Wähler die CDU zur Erneuerung in die Opposition. Nach 16 Jahren Angela Merkel führt nun ein geschwächt­er Armin Laschet eine schwächeln­de Partei. Sie braucht Zeit für Erneuerung.

 ??  ?? Noch im Dezember stellte Armin Laschet eine Markus-Söder-Biografie in Berlin vor - mit programmat­ischem Untertitel
Noch im Dezember stellte Armin Laschet eine Markus-Söder-Biografie in Berlin vor - mit programmat­ischem Untertitel
 ??  ?? DW-Hauptstadt­korrespond­ent Christoph Strack
DW-Hauptstadt­korrespond­ent Christoph Strack

Newspapers in German

Newspapers from Germany