Deutsche Welle (German edition)
Russland hat über 100.000 Soldaten vor der Ukraine
Trotz der größten Massierung russischen Militärs an der ukrainischen Grenze verhängt die EU keine weiteren Sanktionen. Auch auf die Gefährdung von KremlKritiker Alexej Nawalny reagiert sie nur mit Appellen.
Zwar verhängten die EUAußenminister weitere Sanktionen gegen die Militärjunta in Myanmar, diesmal gegen zwei ihrer Konzerne, die Myanmar Economic Corporation (MEC) and Myanmar Economic Holdings Ltd (MEHL). Aber im Kern ihres Treffens stand das mehr als angespannte Verhältnis zu Russland. Und gegenüber Präsident Wladimir Putin belassen es die Europäer bei Appellen.
Gigantischer Militäraufmarsch
"Es ist die größte Stationierung russischer Truppen (an der Grenze zur Ukraine - Red.) überhaupt", erklärte EUChefdiplomat Josep Borrell nach den Gesprächen mit seinen Kollegen und nannte die Zahl von 150.000 Soldaten. Die Quelle dieser Information wollte er nicht nennen. Auch sei die Verlegung vom Militär bis zuletzt fortgesetzt worden, inzwischen gebe es Feldhospitäler und immer mehr Ausrüstung. Die von Borrell genannte Zahl wurde später jedoch nach unten korrigiert. Eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten sagte gegenüber der Deutschen PresseAgentur, die Angabe von "mehr als 150.000" sei ein Fehler gewesen, man solle von "mehr als 100.000" russischen Soldaten sprechen.
"Das Risiko für eine weitere Eskalation liegt auf der Hand", hatte Borrell zuvor betont. Aber entgegen den dringenden Wünschen des ukrai
nischen Außenministers, mit dem sich die EU am Montag erneut beriet, stand am Ende keinerlei Aktion. Dmytro Kuleba hatte weitere Sanktionen gegen Moskau gefordert, er konnte am Ende aber nur Komplimente der Europäer mit nach Hause nehmen - für "die zurückhaltende Antwort der Ukraine" auf die Provokationen Russlands.
Auch der deutsche Außenminister Heiko Maas sprach davon, man solle eine Eskalationsspirale durch unbeabsichtigte Ereignisse vermeiden und rief nach "vertrauensbildenden und deeskalierenden Maßnahmen". Die beteiligten Länder würden sich im sogenannten Normandie- Format (Deutschland, Frankreich, Russland, Ukraine) weiter darum bemühen, das Minsker Abkommen endlich umzusetzen.
Angesichts des massiven Truppenaufmarschs in der Region ist nicht klar, wie viel europäische Uneinigkeit sich hinter diesen diplomatischen Formeln verbirgt. Maas betonte, dass "die EU bei Sanktionen derzeit niemandem hinterher hinkt". Ein Hinweis auf die seit Jahren wegen der illegalen Annexion der Krim bestehenden EUSanktionen und die im März verhängten Listungen von vier Personen aus dem Sicherheitsapparat wegen des NowitschokAnschlags gegen Kreml-Kritiker Alexej Nawalny.
Jedem sei klar, so der deutsche Außenminister, "dass die Dinge (der Truppenaufmarsch) so für uns nicht akzeptabel sind und Konsequenzen haben werden". Wie die aber aussehen, darüber scheint man in Brüssel noch nachzudenken. Am Wochenende war der französische Präsident im Interview mit dem US- Sender CBS deutlicher geworden: Wenngleich der Dialog mit Moskau wichtig sei, so müsse man dennoch "klare rote Linien ziehen", um dem Kreml Grenzen zu setzen. "Nur so kann man glaubwürdig sein. Ich glaube, dass Sanktionen allein nicht genügen, aber sie sind Teil des Pakets."
Chefdiplomat Borrell, seine Kollegen Außenminister und die EU-Kommissionspräsidentin appellierten noch einmal an Moskau, Regimekritiker Alexej Nawalny angesichts seines schlechten Gesundheitszustands aus der Haft zu entlassen. Er habe einen Brief von Nawalnys Team erhalten, so Borrell, wonach sich dessen Situation verschlechtere.
Borell begrüßte zwar die jüngste Mitteilung aus Moskau, dass Nawalny in ein anderes Gefängniskrankenhaus verlegt worden sei, aber er müsse auch Zugang zu Ärzten seines Vertrauens bekommen. "Russland ist für Nawalnys Sicherheit und Gesundheit zuständig, wir werden sie (die Regierung) dafür verantwortlich machen", erklärte der EU-Chefdiplomat. Aber auch diese Drohung blieb im Ungefähren - vermutlich möchte man sich hinter den USA einreihen. Die Regierung in Wash
Die jüngsten Ereignisse in Tschechien bringen das Land jetzt in klaren Kollisionskurs mit Moskau und beenden das Liebäugeln in Prag mit einem besonderen Verhältnis zwischen beiden Ländern. Der tschechische Geheimdienst konnte jetzt eine seit 2014 ungeklärte Bombenexplosion in einem Waffenlager mit zwei Toten russischen Kollegen zuordnen.
Zwei daran beteiligte Männer benutzten übrigens die gleichen Pässe wie die Verdächtigen bei dem Nowitschok-Anschlag 2018 im britischen Salisbury gegen den früheren russischen Agenten Sergej Skripal. Alle Indizien weisen auf den russischen Auslandsgeheimdienst FSB hin. Das explodierte Lager gehörte einem bulgarischen Waffenhändler, der die Ukraine belieferte für ihren Kampf gegen pro-russische Separatisten im Donbas.
Die Regierung in Prag ist erzürnt darüber, dass dieser Sabotageakt auf ihrem Territorium stattfand. Im tschechischen Parlament wurde vom schwersten Anschlag gegen die Souveränität seit 1968 gesprochen. Außenminister Jan Hamacek informierte seine EUKollegen über die Einzelheiten. Die Affäre mündete bislang in eine Zug-um-Zug Ausweisung von Diplomaten der Gegenseite jeweils aus Prag und Moskau.
In Brüssel gab es für die Tschechen Solidaritätsbekundungen. Und der Vorfall gilt als Weckruf für alle EU-Regierungen, dass sie dem Treiben russischer Diplomaten und Agenten noch mehr Aufmerksamkeit schenken müssen. "Die weitere Diskussion ist noch im Fluss", sagte Außenminister Heiko Maas dazu. Tschechien will derweil handfest reagieren und Russland vom Bieterwettbewerb um ein neues Atomkraftwerk ausschließen. Außerdem sagte Prag den Ankauf des SputnikImpfstoffs ab. Die tschechische Regierung verstärkt jetzt die Reihen der Moskau-Kritiker in der Europäischen Union und bringt eine Stimme für weitere Strafmaßnahmen mit an den Tisch.
sisches Territorium" und nannte ihre Annexion eine "vollendete Tatsache", für die man die Ukraine mit russischem Gas und Öl entschädigen könne. zung mehren sich, denn es gibt Gerüchte, dass er schon länger vom Hintergrund der Explosionen in Vrbětice wusste und versuchte, die Arbeit des tschechischen Inlandsgeheimdienstes BIS zu sabotieren."
Die tschechischen Sozialdemokraten, Juniorpartner in der Regierungskoalition, sind in der Russland- Frage gespalten. Kürzlich berief Parteichef Jan Hamáček seinen Parteifreund, den Außenminister Tomáš Petříček, ab, weil dieser in einigen Fragen auf mehr Russland-Distanz gepocht hatte und den Kauf von Sputnik-Impfstoff ablehnte.
Der liberal-rechtspopulistische Regierungschef Andrej Babiš selbst plädierte bisher f ü r p rag m ati s c h e Wirtschaftsbeziehungen mit Russland - ohne sich dabei politisch so stark zu exponieren wie Zeman. Derzeit äußert er sich noch vorsichtig zur Explosionsaffäre - anders als die Opposition spricht er nicht von Staatsterrorismus.
Allerdings scheint klar, dass Babiš wenige Monate vor der Parlamentswahl nach Bekanntwerden einer derart schwerwiegenden Aggression auf tschechischem Gebiet in der Russland-Frage die Reißleine ziehen möchte - alles andere würde ihm und seiner Partei ANO in der Wahl nur schaden.
Als erste weitere Konsequenz nach der Ausweisung von Diplomaten dürfte die tschechische Regierung nun wohl verkünden, dass der russische Konzern Rosatom von der geplanten Erweiterung des AKW Dukovany ausgeschlossen wird. Der Sicherheits-Experte Jakub Janda erwartet, dass die tschechische Regierung auch generell eine "klarere Haltung gegenüber feindlichen Akten durch Russland" vertreten wird.
Der Politologe Jiří Pehe ist sicher, dass sowohl die tschechische Regierung als auch die Öffentlichkeit im Land nun erwarteten, dass die EU und ihre Mitgliedsländer gegenüber Moskau jetzt mindestens ebenso vereint und solidarisch auftreten, wie nach Bekanntwerden der Skripal-Affäre im März 2018 in Großbritannien.