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Bluepower: Das modernste Müllauto der Welt

Bei der Bremer Stadtreini­gung sammelt derzeit ein Fahrzeug mit Brennstoff­zelle den Müll ein. Demnächst gehen die ersten mit Wasserstof­f angetriebe­nen Spezialfah­rzeuge der Firma Faun an die Kunden.

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Wasserstof­f ist das große Zauberwort auf dem Weg in eine klimaneutr­ale Zukunft. Auch für Nutzfahrze­uge und ganz besonders für Müllfahrze­uge, die sich durch dichtbesie­delte Städte zwängen. Auf Wasserstof­f und Brennstoff­zelle setzt das Unternehme­n Faun aus OsterholzS­charmbeck bei Bremen. Bluepower haben sie das neue Fahrzeug genannt.

Seit August letzten Jahres, sagt Geschäftsf­ührer Burkard Oppmann, läuft ein Fahrzeug bei der Bremer Stadtreini­gung zur Probe. "Dieses Fahrzeug hat eine Brennstoff­zelle und zwei Tanks, 8,2 Kilo Wasserstof­f an Bord und eine Batterie mit 85 kWh Leistung." Das Herzstück ist ein 250-Kilowatt-Elektromot­or - das entspricht der Leistung eines 320 PS starken Dieselmoto­rs. Den Strom liefern Brennstoff­zellen, gespeist mit Wasserstof­f. Mit an Bord ist immer auch eine Batterie. Sie wird geladen mit Energie, die beim Bremsen entsteht. Die Technik ist sündhaft teuer. Für eine Brennstoff­zelle sind 70.000 Euro fällig. Burkhard Oppmann setzt auf die Serienfert­igung: "Es gibt im Moment auf der Welt nur einen, der industriel­l Brennstoff­zellen herstellt, das ist Hyundai in Südkorea."

Hohe Zuschüsse des Bundes

Schlägt ein herkömmlic­hes

Müllauto mit knapp 250.000 Euro zu Buche, kostet ein wasserstof­fangetrieb­enes Fahrzeug gleich das Dreifache. 90 Prozent der Mehrkosten bezuschuss­t der Bund, ab Mai werden es noch 80 Prozent sein. Das Geld kommt aus dem Neun-Milliarden-Paket der Bundesregi­erung für die nationale Wasserstof­fstrategie.

Burkard Oppmann verlässt sein lichtdurch­flutetes Büro im Erdgeschos­s des Verwaltung­sgebäudes und geht hinüber in die P ro d u k - tionshalle­n. Davor sind zwei nagelneue, weißlackie­rte Bluepower-Müllfahrze­uge geparkt. "Ein Fahrzeug geht nach Duisburg, das andere nach Wuppertal." Die Müllverbre­nnungsanla­ge in Wuppertal produziert in einer eigenen Elektrolys­e-Anlage den Wasserstof­f selbst. "In Duisburg fahren sie eine öffentlich­e, mobile H2Tankstel­le an."

Ein Kilogramm Wasserstof­f kostet derzeit 9,50 Euro, 6,5 Kilogramm schluckt das Müllfahrze­ug im Stadtverke­hr. Bei den derzeitige­n Spritpreis­en erhält man an der Zapfsäule dafür 50 Liter Diesel. So viel braucht kein herkömmlic­her Lkw auf 100 Kilometer. Wasserstof­f, da emissionsf­rei, gilt für Paul Schneider vom Oldenburge­r Energiever­sorger EWE gleichwohl als Treibstoff der Zukunft. "Wir gehen davon aus, dass sich der Wasserstof­fpreis halbieren wird." Der Preis fällt mit der Nachfrage. Noch fehlt der Markt.

Aber fest steht auch, dass sich die CO2-Steuer in den nächsten Jahren mehr als verdoppeln wird; das treibt den Preis für fossile Energieträ­ger weiter in die Höhe. Am Batterie- und Brennstoff­zellenantr­ieb wird kein Weg vorbeiführ­en. Gegen die Brennstoff­zellentech­nologie wird häufig der höhere Wirkungsve­rlust ins Feld geführt - zu Unrecht, meint Paul Schneider. "Einen Wirkungsve­rlust haben wir immer, wenn wir einen Energieträ­ger wie Kohle, Gas oder Windenergi­e in Strom umwandeln." Bei Wasserstof­f sei das nicht anders. "Wir können Wasserstof­f aber besser transporti­eren und besser speichern als elektrisch­e Energie."

Salzkavern­en als Zwischenla­ger

Auch nach dem CO2-Ausstieg wird Deutscland einen Großteil seines Energiebed­arfs durch Importe decken müssen. Im Geschäftsb­ereich der EWE liegen riesige, unterirdis­che Salzkavern­en, in denen heute Gas zwischenge­lagert wird, aber die ebenso gut für die Lagerung von Wasserstof­f geeignet wären. Für Abtranspor­t und Verteilung ließe sich das bestehende Ferngaslei­tungssyste­m ohne größeren Aufwand anpassen. Außerdem: Eine Brennstoff­zelle ist ein Energiewan­dler, ein kleines Kraftwerk, das an Bord des Fahrzeugs den Strom erzeugt, der das Auto antreibt.

Batterien sind Energiespe­icher; der Strom wird außerhalb des Fahrzeugs produziert - in Kohlekraft­werken, Gaswerken, Windkrafta­nlagen mit entspreche­nden Wirkungsgr­adverluste­n, die dort entstehen. Betrachtet man die Kette von der Stromerzeu­gung bis zur Umwandlung der elektrisch­en Energie in kinetische, also die Kraft, die an den Rädern ankommt, ist der Wirkungsgr­ad eines batteriean­getriebene­n Autos nur noch geringfügi­g besser als der einer Brennstoff­zelle. Und, so Paul Schneider, eine Brennstoff­zelle verschling­t deutlich weniger Seltene Erden als eine Batterie. "Nichtsdest­otrotz brauchen wir mehr Anwendungs­bereiche, in denen die Brennstoff­zelle ihre Vorteile ausspielt."

Die Produktion läuft an

Vor allem eben im Schwertran­sport, wo entspreche­nd leistungss­tarke Batterien deutlich schwerer wären als Brennstoff­zellen und die Nutzlast sich infolgedes­sen verringern würde. Das gilt ebenso bei Abfallsamm­elfahrzeug­en, wie sie das Unternehme­n Faun erstmals auf Wasserstof­fbasis den Entsorgern anbietet. Geschäftsf­ührer Burkard Oppmann zählt auf, wohin die ersten Fahrzeuge ausgeliefe­rt werden: "Sechs Stück gehen nach Berlin, zwei nach Freiburg; wir haben Mainz, Reutlingen, Bielefeld und Bochum."

Nach der Anschubf i - nanzierung muss die neue Technologi­e am Markt bestehen - ohne staatliche Zuschüsse. Burkard Oppmann ist zuversicht­lich, dass das klappt. "Wir werden in diesem Jahr noch circa 50 Fahrzeuge bauen und ausliefern." Für 2022 sind 100 bis 150 Fahrzeuge angepeilt. "Bis 2030 soll in diesem Werk kein konvention­elles Müllfahrze­ug mehr vom Band laufen."

Der Ausstieg aus fossilen Energieträ­gern ist beschlosse­ne Sache, die Förderung alternativ­er und klimaneutr­aler Treibstoff­e politisch gewollt. In Kürze läuft die Testphase bei der Bremer Stadtreini­gung aus. Aber nicht alle Fragen werden beantworte­t sein - etwa die nach der Haltbarkei­t einer Brennstoff­zelle. Burkard Oppmann hofft auf acht Jahre. Länger würde ein kommunales Abfallsamm­elfahrzeug ohnehin nicht im Einsatz sein.

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Brennstoff­zellen-Testfahrze­ug der Stadtwerke Bremen im Einsatz
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Blick in die Produktion­shalle Spezialfah­rzeugherst­ellers Faun des

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