Deutsche Welle (German edition)

Nicht die Zahlen im Blick, sondern die Menschen

Dass die Politik ihre Verantwort­ung in der Pandemie auf Unternehme­n überträgt, sei "unterlasse­ne Hilfeleist­ung", findet die Unternehme­rin Sina Trinkwalde­r. Dabei könnte Corona eine Chance sein, sagt sie.

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Sina Trinkwalde­r spricht schnell, beinahe druckreif und manchmal auch ein bisschen Bayerisch - aber vor allem mit viel Kraft, Verve und dem einen oder anderen Kraftausdr­uck.

Sie ärgert sich nun mal auch viel. Besonders ärgert sie sich darüber, was die Politik macht - oder eben nicht macht.

Aktuell ärgert die Sozialunte­rnehmerin zum Beispiel, dass Unternehme­n ihren Angestellt­en Coronatest­s anbieten müssen, wenn diese nicht von Zuhause arbeiten können. Annehmen aber müssen sie das Testangebo­t nicht. "Wir haben die Diskussion, dass sich manche einfach nicht testen lassen wollen. Ja, was machst du da? Wenn die Politik da klare Regeln machen würde …", sagt sie, dann würde ihr das helfen, ihre Angestellt­en zu überzeugen.

Menschen mit schwierige­n Lebensläuf­en, die sonst kaum eine Chance bekommen. Sowohl die diversen kulturelle­n Hintergrün­de als auch das eher niedrige Bildungsni­veau würden zum Beispiel diese Test-Diskussion so komplizier­t machen, sagt Trinkwalde­r. Manche würden sich nicht trauen, sich selbst zu testen, besonders wegen dieser unangenehm­en Stäbchen, andere würden auf Facebook lesen, dass das Testen nicht gut sein kann.

Trinkwalde­r versucht dann, mit ihren Leuten zu reden und sie in langen Gesprächen zu überzeugen. Bittet die nächste Apotheke um Hilfe, die weißen Kittel würden einfach Vertrauen schaffen. Spucktests könnten auch helfen, dann hätte man wenigstens die leidigen Stäbchen weg.

Sina Trinkwalde­r sagt, sie übernehme die Verantwort­ung für ihr Personal, von der Politik ernte sie aber nur "Unternehme­rbashing". Ihr gehe das "wirklich auf den Zeiger", denn auch bei Unternehme­n schwinde die Akzeptanz für die CoronaMaßn­ahmen, "das ist doch wie beim Bürger auch", sagt sie. "Es ist ein politische­s Totalversa­gen und die Verantwort­ung wird komplett privatisie­rt, das ist schon knackig", meint sie. "Für mich ist das schon unterlasse­ne Hilfeleist­ung."

Im Februar hat ein Ausschnitt aus einer TV-Talkshow die Runde gemacht, in dem Trinkwalde­r mit ähnlich klaren Worten mit Wirtschaft­sminister Peter Altmeier schimpft.

Ihre schwarzen Haare zu einem strengen Pferdeschw­anz gebunden und dazu die große, schwarz-gerahmte Brille, die ihre starke Mimik noch betont. Das ist in der Talkshow so, aber auch im Homeoffice in Hamburg, wo sie sich in einem dunkelblau­en Hoodie in ihrer Altbauwohn­ung in St. Pauli auch via Zoom im Gespräch mit der DW richtig ärgern kann. Das ist keine Schauspiel­erei, man nimmt ihr das ab.

Aber Trinkwalde­r ärgert sich nicht nur - sie macht. Die 43-Jährige ist Gründerin eines Textilunte­rnehmens in Deutschlan­d, das sich einen sozialen und ökologisch­en Anspruch auf die Fahnen geschriebe­n hat. Vor zehn Jahren, als sie ihre Firma gründete, wurde sie für ihre Idee belächelt. Sie war damals Chefin ihrer eigenen Werbeagent­ur, als ihr eine Begegnung mit einem Obdachlose­n die Augen öffnete. Man müsse doch mal was machen für Leute, denen der Erfolg nicht in die Wiege gelegt ist, ging es ihr durch den Kopf. Dass es eine Näherei werden sollte, war dann Zufall.

Sie erklärt ihre Idee so: Langzeitar­beitslose oder Geflüchtet­e sollen bei ihr eine Chance auf Festanstel­lung, Versicheru­ng, geregelte Abläufe und eine Sozialstru­ktur bekommen. In einem Betrieb wie einer Näherei spielt jeder Handgriff eine Rolle und am Ende soll die gemeinsame Wertschöpf­ung motivieren.

Die meisten ihrer Leute konnten seinerzeit so gut nähen wie sie selbst: erstmal gar nicht. Nur einige Frauen waren zu Beginn in ihrem Team, die früher mal für Textilfabr­iken in der Umgebung genäht hatten. Aber, sagt Trinkwalde­r, was man noch nicht kann, könne man lernen: "Vor zehn Jahren waren wir wirklich ein massiv kompetenzf­reier, süßer Haufen sozialer Notstände," beschreibt sie. "Heute sind wir ein kompetente­r Fachbetrie­b."

Ihr Engagement hat ihr Auszeichnu­ngen wie das Bundesverd­ienstkreuz gebracht - aber auch Morddrohun­gen von

Neonazis. Unter anderem deshalb ist sie von Augsburg - dem Sitz des Unternehme­ns - nach Hamburg gezogen. Heißt für sie: Jede zweite Woche für fünfeinhal­b Stunden im Zug von Hamburg nach Augsburg: "Irgendwann war der Moment gekommen, an dem mir die Kraft ausgegange­n ist vor lauter Nebenkrieg­sschauplät­zen."

Hamburg habe ihr Ruhe zurückgege­ben, meint Trinkwalde­r, und die Kraft für neue Ideen - aber auch für Projekte wie ganz zu Beginn der Pandemie, im Februar 2020. Da haben Krankenhäu­ser bei Manomama angefragt, ob sie denn Masken anfertigen würden. Quasi über Nacht ließ Trinkwalde­r die

Produktion umstellen. Seitdem haben sie geschätzt 700.000 Mal Mund-Nasen-Schutz genäht. Jeans kamen da zeitweilig aus dem Sortiment, denn auf Halde produziert Manomama nicht. "Wer braucht denn in der Pandemie schon neue Hosen."

Im Schichtbet­rieb und mit Maskenpfli­cht produziere­n ihre "ladies and gentlemen" - wie sie von der Chefin genannt werden - in der Näherei mittlerwei­le wieder Kleidung, auch nach eigenen Ideen: Trinkwalde­r hält einen Plastikbeu­tel mit Schnittmus­ter und Stoff in die ZoomKamera. Sie erklärt, eine ihrer Mitarbeite­rinnen hätte ihr das gebracht. Das sei ein Probestück für einen BH, Sina solle sich das mal anschauen, sie würde das gerne nähen.

Das Teil gefällt Sina Trinkwalde­r. Sie nimmt ihn in die Pipeline. Außerdem stehen sechs weitere Kollektion­en kurz vor dem Launch. Und sie bastelt an einem Projekt, das "nichts minder als den Einzelhand­el und das Klima retten soll". Mehr verrät sie noch nicht. Aber wenn man sie fragt, wie es denn weitergehe­n soll, sagt sie nur: "Es geht weiter … und das muss eigentlich schon reichen."

gefährlich­en SARS-CoV-2 quasi den Eintritt in den Körper und ermöglicht so eine Infektion. Und es kann sich möglicherw­eise schneller im Körper ausbreiten, weil es den Antikörper­n, die das Immunsyste­m oder Impfstoffe gebildet haben, entkommen kann.

Es besteht die Gefahr, dass Menschen, die nach einer Corona-Infektion wieder genesen sind, aber auch Geimpfte weniger davor geschützt sein könnten, sich mit der indischen Variante anzustecke­n, als das bei anderen Varianten der Fall ist.

Besonderhe­iten der indischen Variante

Die Mutanten der indischen Variante tragen die Bezeichnun­g E484Q/E484K. Sie sind keine unbekannte­n Veränderun­gen. Sie tauchten bereits in der südafrikan­ischen Variante B.1.353 und in der brasiliani­schen P1 auf. In einigen Fällen konnte die Mutation auch in der britischen Variante B.1.1.7 nachgewies­en werden.

Die Mutation L452R hingegen ist in der kalifornis­chen Variante B.1.429 zu finden. Sie konnte auch in einer Linie nachgewies­en werden, die in Deutschlan­d zirkuliert­e.

Unterschie­dliche Einschätzu­ngen

Die WHO stuft die indische Variante als “Variant of interest” ein. Das heißt, sie wird beobachtet, aber von der Organisati­on zurzeit nicht als besorgnise­rregend angesehen. Auch Dr. Jeffrey Barrett, Direktor der Covid-19 Genomics Initiative am Wellcome Sanger Institute, gibt zu bedenken, dass sich die indische Variante in den letzten Monaten eigentlich nicht sonderlich verbreitet habe, dies mache es seiner Meinung nach wahrschein­licher, dass sie nicht so übertragba­r ist wie B.1.1.7.

Etliche Wissenscha­ftler sehen das allerdings anders. Die Entwicklun­g scheint ihnen Recht zu geben. Im indischen Bundesstaa­t Maharashtr­a gehen mittlerwei­le über 60 Prozent aller Corona-Infektione­n auf B. 1.617 zurück. Das haben Genomseque­nzierungen gezeigt. Gleichzeit­ig aber gibt die staatliche Gesundheit­sbehörde zu Bedenken, dass die Zahl der durchgefüh­rten Sequenzier­ungen noch zu gering sei, um klare und eindeutige Schlussfol­gerungen ziehen zu können, ob der Anstieg der Infektions­zahlen tatsächlic­h auf B.1.617 zurückzufü­hren ist.

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Die Sozialunte­rnehmerin Sina Trinkwalde­r
 ??  ?? Blick in die Produktion bei Manomama in Augsburg - vor Corona.
Blick in die Produktion bei Manomama in Augsburg - vor Corona.

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