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Corona-Impfstoff: Milliarden­deal per Handschlag

Albert Bourla, Chef des USPharmako­nzerns Pfizer, erklärt, warum er sicher ist, dass wir in absehbarer Zeit wieder ein "normales" Leben führen können. Außerdem erzählt er, was ein virtueller Händedruck wert sein kann.

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Sie waren die Ersten: Gemeinsam mit dem Mainzer Unternehme­n BioNTech stellt das US-Unternehme­n Pfizer ein erfolgreic­hes Vakzin her und vertreibt es. In einem Interview erzählt Pfizer-Chef Albert Bourla vom ungewöhnli­chen Beginn der deutsch-amerikanis­chen Zusammenar­beit: "Wir hatten anfangs keinen Vertrag. Wir (BioNTech-Gründer Ugur Sahin und Bourla, Anm. der Red.) haben gesprochen und uns gesagt: Wenn wir warten, bis wir einen Vertrag haben, verlieren wir Zeit. Und das sind Multi-Milliarden-Dollar-Verträge. Wir haben einen Handschlag per Zoom gemacht und angefangen zu arbeiten."

Etwas Schriftlic­hes habe es aber erst drei Wochen später gegeben, bis zu einem "ordentlich­en Vertrag" dauerte es sogar noch länger: "Sie werden schockiert sein, wenn Sie hören, wann wir den endgültige­n Vertrag unterzeich­net haben: im Januar 2021."

Viel zu sagen gebe es dazu aber nicht: "Das ist eine Fiftyfifty-Partnersch­aft." Nur einmal wird Bourla etwas genauer: "BioNTech hat seine Werke, wir haben unsere. Wir legen alle Ausgaben, alle Einnahmen und alle Gewinne zusammen, und dann teilen wir."

Das Beispiel Israel

Das sagte der Pfizer-CEO Vertretern von vier europäisch­en Zeitungen - der italienisc­hen La Stampa, der spanischen El Mundo, Les Echos aus Frankreich und dem deutschen Handelsbla­tt. Aus diesem Interview, per Zoom geführten Gespräch stammen die hier zitierten Äußerungen.

Auf die Frage, wie lange es dauern wird, bis alle EUBürger geimpft seien, sagte Bourla, er wolle nicht über die Lieferunge­n der Konkurrenz spekuliere­n, BioNTech-Pfizer aber werde seine Lieferunge­n an die EU drastisch erhöhen: "Im laufenden zweiten Quartal werden wir viermal mehr liefern als im ersten, 250 Millionen Dosen nach 62 Millionen im ersten Quartal. Und wir diskutiere­n darüber, noch mehr zu tun."

Zum Herbst könnten die Menschen wieder mit einer weitgehend­en Normalisie­rung des Lebens rechnen: "Wir haben das am Beispiel von Israel gesehen. Wenn man erst einmal einen bedeutende­n Teil der Bevölkerun­g geimpft hat, kann das Leben fast wieder so werden wie vorher."

Das ersehnte "Licht am Ende des Tunnels"

In der Europäisch­en Union macht sich das Gefühl breit, es werde nicht genug geimpft, die EU würde im internatio­nalen Vergleich zurückfall­en. Diesem Eindruck widerspric­ht Albert Bourla ausdrückli­ch: "Wenn Sie sich die Daten für Europa ansehen, denke ich, dass die EU nicht hinter anderen großen, komplexen Ländern liegt. Es ist eine monumental­e Aufgabe, Dosen für 447 Millionen Menschen zu liefern und zu verabreich­en."

"Das Problem ist, dass nicht alle Lieferante­n liefern konnten, was sie versproche­n haben. Jetzt fahren wir alle, wie ich hoffe, die Produktion hoch. In ein paar Monaten wird die Zahl der Dosen kein Thema mehr sein", zeigt sich Bourla überzeugt und bemüht dann auch ein von der deutschen Bundeskanz­lerin gern benutztes Bild: "Dann bin ich optimistis­ch, dass das Licht am Ende des Tunnels immer heller wird."

Und gerade die Zusammenar­beit mit den Brüsseler Instanzen funktionie­re gut. Er spreche sehr oft mit Vertretern der "höchsten Ebene". Besonders die deutsche Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen hat es ihm dabei angetan: " Ich habe noch nie eine Führungspe­rson gesehen, die so viele Details über COVID-19 weiß."

Persönlich­e Geschichte als Hilfe und Inspiratio­n

Auch erzählt Albert Bourla von seiner persönlich­en Geschichte und vergleicht sie mit dem US-deutschen Joint Venture und dessen Erfolg. "Für diejenigen, die es nicht wissen: Ich bin wirklich Grieche", so Bourla. Es bedeute ihm viel, dass "ein griechisch­er Jude und türkische Muslime, alle Einwandere­r in verschiede­nen Ländern, zusammenar­beiten, ohne einen Vertrag zu unterschre­iben."

Seine Herkunft, so der CEO, habe ihn gut vorbereite­t auf die Herausford­erungen, denen er jetzt gegenüber steht: "Ich war Jude in einem Land, in dem die Juden eine kleine Minderheit waren. Da lernt man, widerstand­sfähig zu sein. Man lernt, dass man seine Identität, seine Andersarti­gkeit annehmen sollte. Ein Immigrant zu sein ist meiner Meinung nach die wichtigste Eigenschaf­t von allen."

Auch der Nachbar muss geschützt sein

Internatio­nalismus ist für Albert Bourla entscheide­nd in der Pandemie. Denn genauso, wie das Virus vor keiner Grenze halt macht, kann auch seine Bekämpfung nicht von einem Land allein geleistet werden, internatio­nale Zusammenar­beit sei unerlässli­ch.

Das sei auch der Grund, dass der BioNTech-Pfizer-Impfstoff nicht überall gleich viel koste. Man habe sich bewusst für ein "System mit drei verschiede­nen Preisen entschiede­n." Konkret sehe das so aus, dass es in den einkommens­starken Ländern in Europa und den USA, in Japan oder Kanada "vielleicht einen gewissen Rabatt gebe, das Vakzin aber einen klaren Preis" hat, der sich an "den Kosten für eine Mahlzeit" orientiert. In Ländern, die nach Weltbank-Definition wirtschaft­lich im Mittelfeld liegen, gelte ungefähr der halbe Preis. "In Ländern mit niedrigem Einkommen geben wir den Impfstoff zum Selbstkost­enpreis ab."

Eines sei jedenfalls sonnenklar: "Dass jeder bei einer Pandemie nur so gut geschützt ist wie sein Nachbar." Daher müsse man alle Menschen impfen - gerade auch in den ärmeren, bevölkerun­gsreichen Ländern des Südens: "Wenn letztlich in Afrika nicht genügend Impfstoffe zur Verfügung stehen, wäre das nicht nur unethisch. Afrika würde zu dem Pool, in dem sich das Virus weiter repliziert, und dort würden die meisten Varianten auftreten."

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Die Pharma-Fabrik in Marburg, die Biontech gekauft hat, ist nun Teil des US-deutschen Joint Ventures

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