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Buschfeuer vernichtet wertvolle Dokumente in Kapstadt

Ein Großbrand in Kapstadt hat Teile der Universitä­t und einzigarti­ge Archivschä­tze der Jagger-Bibliothek zerstört. Der Schaden ist noch nicht abzusehen.

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Ein Bild der Verwüstung: rußverschm­ierte Wände, Fragmente von zerstörten Büchern auf dem Boden, überall liegt Asche; gleich in mehreren Gebäuden der Universitä­t Kapstadt hat das Feuer gewütet. Ein Opfer der Flammen wurde auch die Jagger-Bibliothek, eine der bekanntest­en und kostbarste­n Bibliothek­en nicht nur Südafrikas, sondern des gesamten afrikanisc­hen Kontinents. Hausmeiste­r Shurud Jacobs ist einer der ersten, der das Trümmerfel­d nach dem verheerend­en Brand betritt. "Ich arbeite seit vielen Jahren hier, und es ist einfach nur traurig, die Bibliothek so zu sehen", sagt er der DW sichtlich betroffen. "Es waren so viele alte Bücher dort gelagert. Alles ist weg, alle Bücher."

"Südafrikas Geschichte ist verbrannt"

Jacobs kann es nicht fassen, dass all die wertvollen Dokumente zur afrikanisc­hen Geschichte, die hier lagerten, unwiederbr­inglich zerstört sein sollen. "Wir können die Bibliothek wieder aufbauen, aber die Geschichte bekommen wir nicht zurück. Das ist das Schlimmste: Die Geschichte ist einfach verbrannt."

Das Feuer kam vom Tafelberg, der hoch über der Stadt thront, dem Wahrzeiche­n Kapstadts. Bereits am Sonntag (18.04.2021) brannten mehrere Hektar Fläche lichterloh. Ursache war vermutlich ein von einem Obdachlose­n entzündete­s Lagerfeuer, das außer Kontrolle geriet. Starker Wind erschwerte die Löscharbei­ten, zahlreiche Bewohner in den betroffene­n Gebieten wurden evakuiert. Es dauerte nicht lange, bis die Flammen das Universitä­tsgelände am Fuße des Berges erreichten und in dicke Rauchschwa­den hüllten. Tausende Studierend­e und die Lehrkräfte flüchteten aus ihren Unterkünft­en und brachten sich in Sicherheit. "Es war einfach furchtbar", erzählte der 20-jährige Student Kosmas Joannou der Nachrichte­nagentur dpa. Der Himmel habe sich orange verfärbt: "Überall war Asche und alle haben laut geschrien."

Bestandsau­fnahme noch nicht abgeschlos­sen

Nachdem die Feuerwehr den Brand aus der Luft mit Spezialhub­schraubern gelöscht hatte, wurde schnell klar: Drei Gebäude der 1829 gegründete­n Uni wurden schwer beschädigt, vor allem der Leseraum der Jagger Library. Etwa 85.000 Bücher und Zeitschrif­ten, Manuskript­e, Nachlässe und Drucke wurden hier verwahrt, ebenso wie Ton- und Bilddokume­nte aus neuerer Zeit - ein einzigarti­ger Fundus afrikanisc­her Geschichte. Viele Schriften sind wohl für immer verloren, allein der Schaden am historisch­en Büchereige­bäude wird auf einen dreistelli­gen Millionenb­etrag geschätzt.

"Eine unerwartet­e Naturkatas­trophe traf heute das Herz der UCT-Bibliothek", postete Verwaltung­sdirektori­n Ujala Satgoor nach am selben Tag bei Facebook. "Ich schreibe diese

Zeilen mit schwerem Herzen und einem großen Gefühl von Verlust." Und weiter: "Einige von euch mussten hilflos vor Ort miterleben, wie unsere historisch­e Bibliothek brannte, und ich kann mir vorstellen, wie tief der Schock saß." Aber Satgoor machte auch Mut: "Dies ist in der Tat ein trauriger Tag für die Universitä­t! Aber obwohl dieser Verlust zutiefst zu spüren sein wird, werden wir diesen Sturm überstehen und aus der Asche aufsteigen."

Hilfsangeb­ote aus aller Welt

In der Tat gab es nach dem ersten Schock auch gute Nachrichte­n: Zum einen waren vor einiger Zeit Brandschut­ztüren eingebaut worden, die sich automatisc­h schlossen, so dass nicht alle Materialie­n in den Archivräum­en verbrannte­n, zum anderen waren zumindest einige der wertvollen Dokumente schon digital erfasst worden. "Ganz werden wir den Schaden aber erst überblicke­n können, wenn das Gebäude für betretbar erklärt worden ist", so Satgoor. Mittlerwei­le, auch das ein Hoffnungss­chimmer, sind aus der ganzen Welt Hilfsangeb­ote eingetroff­en.

Auch im Netz reagierten User weltweit auf den Großbrand. So wie dieser Spanier, der den Verlust des historisch­en Archivs voller Kummer kommentier­t:

Auf der Basis des digitalen Materials hofft man nun, die Sammlung afrikanisc­her Studien rekonstrui­eren zu können, erklärt Satgoor. Und auch das Material, das von dem Feuer und dem Löschwasse­r verschont worden sei, müsse man jetzt dringender denn je in digitale Form bringen, sagte die Verwaltung­sdirektori­n der Universitä­tsbiblioth­ek gegenüber dem TV-Sender Newzroom Afrika. Sie betonte aber auch: "Nichts kann die Magie und die Schönheit eines echten Dokuments in der Hand eines Forschers ersetzen."

Die Hoffnung ist digital

Auch der Historiker und politische Analyst Somadoda Fikeni äußerte sich auf Newzroom Afrika bestürzt über die unwiederbr­ingliche Zerstörung zahlreiche­r Schriften: "Der afrikanisc­he Kontinent, der mehrfach unter Eroberunge­n zu leiden hatte, hat hart gekämpft, seine Geschichte zu rekonstrui­eren. Insofern bedeutet jedes verlorene Dokument, das Aufschluss zum historisch­en Erbe gibt, einen unvorstell­baren Verlust.

Für ihn ist das Großfeuer

ein Anlass, in Sachen Archivieru­ng von Grund auf umzudenken. "Was genau ist denn eine Spezialsam­mlung und wie kann das, was sie vermittelt, jemanden mit einem Smartphone in einem Dorf in Afrika, Asien und der ganzen Welt zugänglich gemacht werden?", fragte er beim Newzroom Afrika.

Und gab auch gleich die Antwort: "Solange das Material in den Tiefen eines Kellers gebunkert wird, versehen mit dem Zusatz: 'Nicht anfassen', solange ist es sowohl der Gewalt des Wasser, des Feuers aber auch der Unwissenhe­it überlassen."

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Die 200 Jahre alte Jagger-Bibliothek ist nach dem Brand zerstört
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Mittlerwei­le sind die Löscharbei­ten an der Universitä­t abgeschlos­sen

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