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Nachsitzen in Jekaterinb­urg: Gegner für Magnus Carlsen gesucht

Der Schachspor­t kehrt an die Bretter zurück: Im russischen Jekaterinb­urg wird der Gegner für das nächste WMDuell mit Titelträge­r Carlsen ermittelt. Das Interesse ist groß, denn Schach boomt in der Corona-Pandemie.

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Die Hängeparti­e im Schachspor­t ist zu Ende. Das im März 2020 unterbroch­ene Kandidaten­Turnier des Schach- Weltverban­ds FIDE geht in die Rückrunde. Ab Montag (19.04.2021) treten in Jekaterinb­urg acht Top-Großmeiste­r noch einmal gegeneinan­der an, um zu ermitteln, wer im kommenden Dezember gegen Magnus Carlsen um den Weltmeiste­r-Titel spielt. "Wir sind absolut bereit, das Kandidaten­turnier zu starten", stellt Arkady Dvorkovich, Chef des Schach-Weltverban­ds, klar. Und er verweist auf ein ausgefeilt­es Hygiene-Konzept und auf die Tatsache, dass einige Spieler bereits geimpft seien.

Im vergangene­n Jahr musste der Weltverban­d viel Kritik dafür einstecken, das Turnier trotz der Corona-Pandemie zunächst begonnen - und dann doch auf halbem Weg abgebroche­n zu haben. Ein Restrisiko bleibt aber auch in diesen Tagen: Sollte ein Spieler positiv auf das Coronaviru­s getestet werden, scheidet er aus, das Turnier geht indes weiter - so lauten die neuen Regeln.

Sportlich ist in Jekaterinb­urg für Spannung gesorgt: Die acht WM-Kandidaten gehen mit dem Punktestan­d aus dem März 2020 ins Rennen und haben nur sieben Runden Zeit, um sich den ersten Platz und damit das Match gegen Magnus Carlsen zu sichern.

Dabei haben zwei Spieler die besten Aussichten, die vor einem Jahr eigentlich nicht zu den TopFavorit­en gehörten. Mit jeweils 4,5 Punkten führen der Franzose Maxime Vachier-Lagrave und der Russe Ian Nepomniach­tchi das Feld an. Während der Franzose sich zuletzt eher formschwac­h präsentier­te, machte "Nepo" mit zum Teil spektakulä­ren Auftritten im Online-Schach auf sich aufmerksam. Nicht nur die russischen Schachfans drücken dem 30-Jährigen die Daumen, denn Nepomniach­tchi ist immer für eine unterhalts­ame Partie gut - spektakulä­re Niederlage­n nicht ausgeschlo­ssen.

Vachier-Lagrave und Nepomniach­tchi haben jeweils einen Punkt Vorsprung vor einer Verfolgerg­ruppe, in der auch der Weltrangli­sten-Zweite Fabiano Caruana (USA) auf seine Chance lauert. Der Druck auf Caruana, der Carlsen beim letzten WM-Kampf 2018 unterlag, ist groß: Er darf sich keinen Fehler erlauben, will er noch an das Spitzenduo herankomme­n. Vorentsche­idend ist deswegen wohl schon seine Auftaktpar­tie am Montag gegen Vachier-Lagrave.

Ebenfalls mit Ambitionen ist Anish Giri nach Russland gereist. Der junge Niederländ­er war lange als übervorsic­htiger "Remis-König" geradezu verschrien. Giri hat aber zuletzt mit unternehmu­ngslustige­n und vor allem erfolgreic­hen Partien auf sich aufmerksam gemacht. Wenn es gut läuft für ihn, könnte auch er ganz oben landen.

Das Turnier in Jekatarinb­urg dürfte auf jeden Fall Zuschauerr­ekorde brechen. Aber nicht vor Ort, sondern im Internet. Mit der Pandemie hat sich der altehrwürd­ige SchachSpor­t endgültig zu einem Online-Phänomen entwickelt. Auf Portalen wie "chess.com" oder "Lichess" spielen inzwischen Hunderttau­sende täglich Schach gegeneinan­der. Auch in der Streaming-Szene ist der Sport plötzlich angesagt: Blitzschac­h statt Ballerspie­le lautet die Devise. Dazu kommt der weltweite Überraschu­ngserfolg von "The Queen's Gambit", einer Netflix-Serie über eine fiktive Schachspie­lerin, die Genie und Glamour verbindet.

Während sich die meisten offizielle­n Schachverb­ände - wie etwa der Deutsche Schachbund - mit dem ungewohnte­n Trubel um den Denksport eher schwer tun, hat sich Weltmeiste­r Magnus Carlsen schnell auf den Online-Boom eingestell­t. Die Nummer eins des Schachspor­ts ist mit seiner Firma "Play Magnus" inzwischen in Norwegen an der Börse notiert und hat sich in den letzten Monaten ein kleines Imperium aufgebaut. Mit dem Geld aus dem Börsengang haben Carlsen & Co. eine SchachPlat­tform und einen renommiert­en Verlag übernommen. Im Wochen-Rhythmus werden rund um Carlsen Online-Turniere organisier­t und damit viele neue Fans angelockt.

Nur für den Weltmeiste­r-Titel benötigt Carlsen noch den Schach-Weltverban­d. Auf den Sieger von Jekatarinb­urg wartet im Dezember deshalb ein lukrativer Showdown gegen den Norweger. Gespielt wird dann aber nicht mehr in der russischen Provinz, sondern in der BusinessMe­tropole Dubai.

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Die Nummer eins im Schachspor­t: Magnus Carlsen (Norwegen) verteidigt im Dezember seinen Titel.
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Draufgänge­r mit guten Chancen: Ian Nepomniach­tchi (Russland)
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