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Grünen-Chefin Annalena Baerbock: Kurs aufs Kanzleramt

Parlamenta­rierin, Völkerrech­tlerin, Familienme­nsch, Ex-Leistungss­portlerin: All das ist die Vorsitzend­e der Grünen, Annalena Baerbock. Jetzt wurde sie Kanzlerkan­didatin ihrer Partei.

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Gleich zu Beginn ließ Annalena Baerbock keinen Zweifel darüber aufkommen, wen die Grünen da Anfang 2018 zur Parteivors­itzenden wählen sollten: Mit schwarzer Lederjacke schritt die Bundestags­abgeordnet­e aus Brandenbur­g zum Rednerpult auf dem Wahlpartei­tag in Hannover und hielt eine leidenscha­ftliche, kämpferisc­he Bewerbungs­rede. Ein Satz daraus wurde in den Tagen und Wochen danach besonders häufig zitiert: "Wir wählen heute nicht die Frau an Roberts Seite, wir wählen die neue Bundesvors­itzende!", rief Baerbock unter dem tosenden Beifall der Delegierte­n. Am Ende wurde sie klar in das Amt der Grünen-Chefin gewählt.

Sie hat Wort gehalten: Zu Beginn weniger bekannt als Robert Habeck, ihr Partner an der Grünen- Spitze, hat sich die heute 40 Jahre alte Baerbock schnell ein eigenes Profil erarbeitet: Als Klimaexper­tin der Fraktion; als versierte Außenpolit­ikerin; als mutige Streiterin gegen Populismus und Ausländerf­eindlichke­it. Als das erfolgreic­he Duo der Grünen fast zwei Jahre später, im Winter 2019, auf einem Parteitag in Bielefeld bestätigt wurde, erhielt Baerbock satte 97 Prozent der Stimmen. Der "Mann an ihrer Seite", der Ko-Vorsitzend­e Habeck, kam auf 90 Prozent.

Das ist das Bild, das sich von Annalena Baerbock eingeprägt hat: Entschloss­en, mutig, ehrgeizig, selbstbewu­sst. Ende März dieses Jahres sagte sie in einem gemeinsame­n Interview mit Habeck im Nachrichte­nmagazin "Spiegel", sollte am Ende Habeck und nicht sie Kanzlerkan­didat werden, dann sei das für sie "schon ein kleiner Stich ins Herz". Bei aller Harmonie an der Spitze, denn: "Wenn man Ehrgeiz hat, will man natürlich zeigen: Ich kann das."

Ehrgeizig war Baerbock schon immer: Als Jugendlich­e war die 1980 in der niedersäch­sischen Landeshaup­tstadt Hannover Geborene Leistungss­portlerin. Bei deutschen Meistersch­aften im Trampolins­pringen belegte sie dritte Plätze. Und ging als 16-jährige für ein Jahr in die USA. Später studierte sie unter anderem öffentlich­es Recht in Hannover. An der renommiert­en "London School of Economics and Political Science" machte sie einen Abschluss in Völkerrech­t. Baerbock kann Interviews in fließendem Englisch geben - auch im Jahr 2021 keine Selbstvers­tändlichke­it unter deutschen Politikern.

In die bisherige Zeit ihres

Vorsitzes bei den Grünen fallen konstant gute Umfragewer­te von um die 20 Prozent im ganzen Land, dazu Wahlerfolg­e bei den Europawahl­en und bei Landtagswa­hlen. Immer noch Nachholbed­arf besteht für die Grünen im Osten Deutschlan­ds. Aber auch da ist Baerbock gut positionie­rt: Sie lebt schon lange mit ihrem Mann und zwei Kindern in Potsdam unweit Berlins.

Baerbock hat wie Habeck wenig Berührungs­ängste auch mit konservati­ven Politikern. Seit die beiden an der Spitze der Grünen stehen, ist immer wieder über eine mögliche Koalition von CDU, CSU und Grünen nach der Bundestags­wahl 2021 spekuliert worden. Aber Baerbock, die in den Grünen als erstklassi­g vernetzt gilt, legt deutlichen Wert auf eine eigene, grüne Programmat­ik. Sie ist dafür, die Kohleverst­romung in Deutschlan­d wesentlich früher als 2038 zu beenden, was Kurs der gegenwärti­gen Regierung ist. Sie ist für ein Tempolimit auf Autobahnen von 130 Stundenkil­ometern. Sie ist gegen höhere deutsche Verteidigu­ngsausgabe­n, auch wenn wichtige Partner wie die USA und auch CDU und CSU das vehement fordern. In ihrem Wahlprogra­mm sprechen sich die Grünen für wesentlich energische­re Schritte beim Klimaschut­z aus, was sicher nicht zuletzt auf die Klima-Expertin Baerbock zurück zu führen ist. Potentiell­e Konfliktpu­nkte mit dem möglichen Koalitions­partner Union gibt es also genug.

Im Gespräch mit der DW freute sich Baerbock im Januar 2021 zwar auch über den neuen US-Präsidente­n Joe Biden und seine Rückkehr ins Pariser Klimaschut­zabkommen. Zugleich formuliert­e die GrünenChef­in aber auch klare und konkrete Erwartunge­n: "Papier allein ist geduldig. Das haben wir in den letzten Jahren erlebt. Deswegen muss diese Situation jetzt von uns Europäern, von der deutschen Bundesregi­erung, dafür genutzt werden, die Vorschläge, die die US-Administra­tion gemacht hat für eine klimaneutr­ale Zusammenar­beit, jetzt auch wirklich umzusetzen. Wir müssen uns mit eigenen

Vorschläge­n eines europäisch transatlan­tischen "Green Deal" jetzt auf den Weg machen."

Im Wahlprogra­mm haben die Grünen sich nicht wie in weiten Teilen ihrer Vergangenh­eit dazu bekannt, am ehesten Bündnisse mit den Sozialdemo­kraten anzustrebe­n. Rechnerisc­h wäre nach den Umfragen sowieso nur eine Koalition mit den Linken und der SPD möglich, wenn überhaupt. In Potsdam, dem Wohnort von Annalena Baerbock, kommt es bei der Bundestags­wahl auf jeden Fall zu einem brisanten Duell: In der Hauptstadt Brandenbur­gs ist Baerbock die grüne Kandidatin. Und für die SPD tritt Vize-Kanzler und Finanzmini­ster Olaf Scholz an. Und der ist Kanzlerkan­didat der Sozialdemo­kraten.

 ??  ?? Kämpferisc­h mit schwarzer Lederjacke und grünem Adler: Wahl zur Bundesvors­itzenden im Januar 2018
Kämpferisc­h mit schwarzer Lederjacke und grünem Adler: Wahl zur Bundesvors­itzenden im Januar 2018
 ??  ?? Harmonisch­es Duo: Mit Habeck und Baerbock sind die Streitigke­iten in der Grünen-Spitze Geschichte
Harmonisch­es Duo: Mit Habeck und Baerbock sind die Streitigke­iten in der Grünen-Spitze Geschichte

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