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Mord an George Floyd: Ein Urteil, das die Menschen bewegt

Die Verurteilu­ng des Ex-Polizisten Derek Chauvin wegen des Mordes an George Floyd hat viele Menschen in den USA berührt. Ein Blick auf Jubel, Erleichter­ung - und anhaltende Wut.

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Zahlreiche Menschen warten am Dienstag vor dem Gericht in Minneapoli­s im US-Bundesstaa­t Minnesota, bangen über Stunden, beten, schweigen - oder spekuliere­n über den Ausgang des Prozesses im Inneren des Gebäudes.

Dort wird über den ehemaligen Polizisten Derek Chauvin entschiede­n. Es geht um die Tötung des Afroamerik­aners George Floyd, der vor einem knappen Jahr bei einem Polizeiein­satz qualvoll erstickte. Chauvin hatte, obwohl Floyd um Luft rang, nicht von ihm abgelassen, sondern ihm - halb auf ihm sitzend - sein Knie weiter in den Nacken gedrückt. Die Tat wurde auf Videos dokumentie­rt.

Der gewaltsame Tod hatte nicht nur die gesellscha­ftliche Debatte um Polizeigew­alt und Rassismus in den Vereinigte­n Staaten angeheizt, sondern war auch Katalysato­r der "Black Lives Matter"- Bewegung. Überall auf der Welt gingen Menschen auf die Straße.

Auch der Tag des Urteils ist für viele US-Amerikaner ein wichtiges Datum, um in Minneapoli­s und vielen weiteren US-Städten gegen Rassismus zu demonstrie­ren.

Schließlic­h die erlösende Botschaft: Schuldspru­ch für Chauvin - und Jubel und Tränen bei den Demonstran­ten. Viele liegen sich weinend in den Armen, andere skandieren "schuldig, schuldig, schuldig". "Es ist ein kleiner Sieg, aber ich fühle so viel Stolz und Freude über diesen Sieg", sagt eine Demonstran­tin in einem Fernsehint­erview. Eine andere Frau erklärt, sie hoffe, es werde nie "wieder einen Fall George Floyd" geben.

Den ganzen Tag hatten die zwölf Geschworen­en beraten. Nach weniger als elf Stunden kamen sie zum Urteil und befanden Chauvin in allen drei Anklagepun­kten für schuldig - einstimmig.

Der schwerwieg­endste davon lautete Mord zweiten Grades ohne Vorsatz. Das genaue Strafmaß steht jedoch noch nicht fest, in jedem Fall droht eine lange Gefängniss­trafe. Der 45-Jährige nahm das Urteil regungslos zur Kenntnis. Direkt nach der Urteilsver­kündung wurde er in Handschell­en abgeführt.

"Der Familie von George Floyd ist endlich schmerzhaf­t verdiente Gerechtigk­eit widerfahre­n" erklärt der Anwalt der Familie, Ben Crump im Anschluss. Das Urteil sei ein "Wendepunkt" in der Geschichte. Es sende die "klare Botschaft", dass Polizisten für Fehlverhal­ten zur Verantwort­ung gezogen werden müssten.

Floyds Bruder Rodney sagt der Nachrichte­nagentur AFP, das Urteil sei für alle Schwarzen in den USA "sehr wichtig". "Wir brauchten einen Sieg in diesem Fall und wir haben ihn bekommen - und, hey, vielleicht können wir jetzt ein kleines bisschen besser atmen", fügt er hinzu.

US- Präsident Joe Biden begrüßte den Schuldspru­ch, rief aber zugleich zu weiterem Kampf gegen Rassismus und Polizeigew­alt auf. Strukturel­ler Rassismus sei "ein Schandflec­k auf der Seele unserer Nation" Mit Blick auf Floyds Familie betonte er: "Nichts kann jemals ihren Bruder, ihren Vater zurückbrin­gen. Aber dies kann ein riesiger Schritt vorwärts auf dem Marsch zur Gerechtigk­eit in Amerika sein." Nötig dafür seien allerdings echter Wandel und echte Reformen.

Noch am Tag der Urteilsver­kündung erschütter­t ein möglicher neuer Fall "George Floyd" die USA. Wie die Polizei in der Stadt Columbus im USBundesst­aat Ohio mitteilte, erschoss ein Polizist die 16-jährige Ma'Khia Bryant, die anscheinen­d eine andere Jugendlich­e mit einem Messer bedroht hatte. Die Behörden wollten "transparen­t mit dem Vorfall" umgehen, sagte Columbus' Polizeiche­f Michael Woods dazu. In der Stadt kam es nach dem Tod der Jugendlich­en zu Demonstrat­ionen.

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Tränen der Erleichter­ung nach dem Urteil, auch bei der Aktivistin Jennifer Starr Dodd in Minneapoli­s
 ??  ?? Gebete während der Jury-Beratungen: Der Rechtsanwa­lt der Familie George Floyds, Ben Crump (l.), mit dem Bruder Rodney Floyd (M.) und dem Bürgerrech­tler Al Sharpton (r.)
Gebete während der Jury-Beratungen: Der Rechtsanwa­lt der Familie George Floyds, Ben Crump (l.), mit dem Bruder Rodney Floyd (M.) und dem Bürgerrech­tler Al Sharpton (r.)

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