Deutsche Welle (German edition)
Was will Russland auf dem Westbalkan?
Moskau weitet seinen Einfluss auf die instabilen Gesellschaften Südosteuropas aus, indem es Akteure fördert, die Demokratisierungsprozesse gezielt hintertreiben. Ziel ist es, eine EU-Integration der Region zu verhindern.
Die Versammlung im bosnischen Višegrad glich einer Provokation: Ein Dutzend Männer kam in der zweiten Aprilwoche 2021 in der Heimatstadt des berühmten Schriftstellers Ivo Andrić zusammen, um russischer "Freiwilliger" zu gedenken, die im Bosnienkrieg 1992-95 die serbischen Verbände unterstützt hatten und dabei umkamen. Ein russisch-serbischer Verein hatte die Kranzlegung organisiert.
Angesichts der zahlreichen von Serben begangenen Verbrechen in Bosnien sprachen Überlebende von einer neuerlichen Verletzung der Opfer, 26 Jahre nach Kriegsende. Statt die russischen Kriegsfreiwilligen zu feiern, sollte vielmehr deren Verwicklung in Kriegsverbrechen untersucht werden, so die Forderung eines Frauen-Opferverbandes.
Der Vorfall ist derzeit keineswegs das einzige Störfeuer auf dem Balkan mit russischer Handschrift: Gezielt ist Moskau bemüht, seinen Einfluss auszuweiten. Mit hybrider Vorgehensweise nutzt man dabei die instabilen Gesellschaften der Länder auf dem Westbalkan aus, um eigenes Terrain abzustecken und Akteure zu fördern, die Demokratisierungsprozesse gezielt hintertreiben.
Im fragilsten Land der Region, Bosnien und Herzegowina, stützt Russland tatkräftig serbische und kroatische Politiker, die alles daran setzen, die geltende Friedensordnung zu torpedieren. Milorad Dodik, serbischer Vertreter im bosnischen Staatspräsidium, droht regelmäßig mit Sezession.
nireh Baradaran nach der islamischen Revolution neun Jahre im Gefängnis. Sie erlebte selbst in der Haft, wie ihre Zellengenossinnen zur Hinrichtung abgeholt wurden. Seit 1991 lebt sie im deutschen Exil.
"Wir hören oft nur Zahlen und Statistiken. Aber hinter jeder Zahl versteckt sich eine bewegende Geschichte, die erzählt werden muss. Zum Beispiel das Schicksal der politischen Gefangenen, die massenhaft hingerichtet wurden", sagt Baradaran im Gespräch mit der DW.
1988 wurden Tausende von kommunistischen Häftlingen und Anhängern der sogenannten Volksmudschahedin hingerichtet. Diese seien "Feinde Gottes", entschied der Revolutionsführer Ayatollah Khomeini in einem Geheimdekret. Die genaue Anzahl der Hinrichtungen ist bis heute unklar.
Nach der Massenhinrichtung wurde im Iran über die exzessive Anwendung der Todesstrafe geschwiegen, sagt Baradaran. "Das schlimmste war damals die absolute Stille in der Gesellschaft. Niemand traute sich 1988, irgendetwas zu sagen, nicht einmal die Beileidsbekundung. Die Hinterbliebenen durften keine Trauerfeier organisieren. Viele von ihnen wissen bis heute nicht, wo ihre Geliebten begraben wurden."
Die Familien der Opfer von 1988 fordern restlose Aufklärung. Ihre Stimme bleibt bis heute unerhört. Die Führung ignoriert alle Forderungen.
Solidarität für die Abschaffung der Todesstrafe
Die Gesellschaft im Iran sei aber durch die öffentliche Debatte nach Vollstreckung zahlreicher Todesstrafe sensibilisiert, glaubt Aktivistin Baradran. "Als sich die Familie von Navid Afkari an die Öffentlichkeit wandte, gab es zahlreiche Petitionen für seine Freilassung innerhalb und außerhalb des Landes. Wäre der Druck noch größer gewesen, hätte man ihn vielleicht retten können. So wie die drei zum Tode verurteilten jungen Männer, die nach den Proteste im November 2019 verhaftet wurden."
Auch diese Männer waren zunächst zum Tode verurteilt worden. Dann aber wurden ihr Todesurteil zurückgezogen. Nach heftigen Protesten innerhalb und außerhalb des Irans entschied der Oberste Gerichtshof im Dezember, den Fall vor einem anderen Gericht neu verhandeln zu lassen. Dem Antrag der Anwälte der Verurteilten auf Wiederaufnahme des Verfahrens sei stattgegeben worden, teilte die iranische Justizbehörde mit. Am 12. Mai beginnt die Verhandlung.