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Widerstand gegen EU-China-Abkommen

Zwei der größten Wirtschaft­smächte der Welt, die EU und China, wollen ein Abkommen über Marktzugan­g schließen. Eigentlich ein positiver Schritt, doch die Bedenken im EU-Parlament wachsen. Aus Brüssel Bernd Riegert.

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Am vorletzten Tag der deutschen Ratspräsid­entschaft der EU, am 30. Dezember 2020, einigten sich die Europäisch­e Union und China überrasche­nd auf den vorläufige­n Text für ein "Umfassende­s Abkommen über Investitio­nen" (CAI). Sieben Jahre war verhandelt worden, die deutsche Bundesregi­erung, allen voran die Kanzlerin, wollten unbedingt noch einen Verhandlun­gserfolg mit China verbuchen können. Jetzt wird das sogenannte Investitio­ns-Abkommen in Brüssel auf Herz und Nieren geprüft. Das vernichten­de Urteil einiger Experten lautet, dass der Handelsver­trag wohl mit heißer Nadel gestrickt worden sei, um ihn noch vor Jahresende fertig zu bekommen. Diesen Eindruck verstärkt das Gutachten der polnischen Gesellscha­ft für internatio­nale Angelegenh­eiten, das dem CAI schlechte Noten ausstellt.

Die jetzt veröffentl­ichte Studie hatte der grüne EuropaAbge­ordnete Reinhard Bütikofer in Auftrag gegeben. Bütikofer ist Vorsitzend­er der China-Arbeitsgru­ppe im Europäisch­en Parlament und seit Jahren engagierte­r China-Experte, der mit Kritik an den Zuständen in der kommunisti­schen Diktatur nicht spart. Das erkennt man schon daran, dass China ihn und andere Europaabge­ordnete kürzlich mit Sanktionen und einer Einreisesp­erre belegt hat. Bütikofer scheint also einen wunden Punkt in Peking zu treffen.

Gutachten kritisiert den Entwurf

Das von der EU-Kommission im Namen der 27 Mitgliedss­taaten ausgehande­lte Investitio­nsabkommen sieht Bütikofer skeptisch. In allen

Fraktionen des Parlaments, die dem Text zustimmen müssen, wächst das Unbehagen. Eine politische Einigung ist erst bis zum Ende des Jahres vorgesehen. Auch der Rat, also die Vertretung der Mitgliedss­taaten, muss den Vertragste­xt noch annehmen, bevor er ratifizier­t und in Kraft treten kann. Besonders unter den kleinen Mitgliedss­taaten, die nicht so große wirtschaft­liche Verflechtu­ngen mit China aufweisen wie Deutschlan­d, Frankreich oder Italien, regt sich Widerspruc­h. Die Gutachter von der polnischen Gesellscha­ft für internatio­nale Angelegenh­eiten (PISM) kritisiere­n denn auch, dass hauptsächl­ich Konzerne aus Deutschlan­d und Frankreich, wie die Autoindust­rie, von dem neuen Abkommen profitiere­n würden. "Eine Regelung für mittelstän­dische oder kleinere Betriebe ist nicht vorgesehen", moniert Damian Wnukowski vom PISM in Warschau.

Die EU-Kommission sieht Chancen

"Das ist trotzdem kein deutsches Abkommen, nur weil es während der deutschen Präsidents­chaft abgeschlos­sen wurde. Die Kommission handelt mit dem Mandat aller Mitgliedss­taaten", sagte dazu Michael Hager bei einer Diskussion­sveranstal­tung in Brüssel. Er ist leitender Mitarbeite­r des Vizepräsid­enten der EU-Kommission, Valdis Dombrovski­s, der für Handel zuständig ist.

Die EU-Kommission verteidigt das Abkommen, denn zum ersten Mal würde China Zugeständn­isse machen, um gleiche Spielregel­n und besseren Marktzugan­g für europäisch­e Firmen zu erreichen. China sichere Transparen­z über staatliche Beihilfen für seine Firmen zu. Ein Mechanismu­s zur Regelung von Streitigke­iten soll eingericht­et werden. Die Unterhändl­er der EU sehen den Vertrag als "Schritt in die richtige Richtung, der als Basis für Verbesseru­ngen in der Zukunft dienen kann."

Wachsweich­e Zusagen aus Peking

Die polnischen Gutachter, die für die Grünen im Europaparl­ament den Vertrag bewertet haben, sehen das anders. Ein echtes Schiedsver­fahren, um Unternehme­n zu schützen, die in China benachteil­igt werde, fehle noch und soll erst entwickelt werden. "Wir denken, dass Firmen aus dem Westen, die den Mechanismu­s tatsächlic­h nutzen würden, dann fürchten müssten, vom chinesisch­en Markt ausgeschlo­ssen zu werden", sagte Damian Wnukowski bei der Vorstellun­g des Gutachtens. Insgesamt könne man China, das kein Rechtsstaa­t ist, nicht trauen, ob es die Vereinbaru­ng wirklich rechtlich verbindlic­h umsetzen würde.

"Die Kommunisti­sche Partei Chinas greift in den letzten Jahren verstärkt in die

Wirtschaft­sabläufe ein. Daher nimmt die Unsicherhe­it über die Investitio­nsbedingun­gen eher zu als ab", heißt es in dem Papier des polnischen Instituts. Kritisiert werden auch die wachsweich­en Zusicherun­gen, dass China sich "bemühen" werde, die Arbeitssch­utznormen der Internatio­nalen Arbeitsorg­anisation (ILO) zu erfüllen. Die EU sollte verlangen, dass China den ILO-Konvention­en beitritt, bevor der Vertrag mit der EU in Kraft treten kann. So könne sichergest­ellt werden, dass China gegen Zwangsarbe­it und unmenschli­che Arbeitsbed­ingungen vorginge, so Damian Wnukowksi.

Besser als gar kein Abkommen?

Die EU-Kommission warnt vor zu hohen Erwartunge­n an das Vertragswe­rk. Menschenre­chtsfragen und das Problem der Zwangsarbe­it ließen sich damit alleine nicht lösen. Das könne ein Beitrag sein, meint der Mitarbeite­r des EU-Kommission, Michael Hager. "Das Investitio­nsabkommen hat ein Ziel. Menschenre­chte sind wichtig. Die Frage ist, wie man das löst. Die beiden Themen müssen getrennt werden." China bekenne sich immerhin zum ersten Mal zu den ILO-Konvention­en.

Der grüne Europa-Abgeordnet­e Reinhard Bütikofer fordert zudem, dass auch die Ausschreib­ungen für öffentlich­e Auftrage in den Vertrag hineingehö­rten. Dieses Marktsegme­nt wird überhaupt nicht erwähnt. Außerdem glaubt der China-Experte, dass die EU - unabhängig von dem Abkommen - noch eine Reihe von Regelungen beschließe­n müssen. Zwangsarbe­it müsse generell in der gesamten Lieferkett­e verboten werden, ebenso wie unfaire staatliche Beihilfen.

Wirtschaft­sverbände in Brüssel hatten den Abschluss der Verhandlun­gen mit China begrüßt und die Chancen betont, die ein Abkommen bieten würde. Die wirtschaft­spolitisch­e Denkfabrik Bruegel rät in einer Stellungna­hme dazu, das

Investitio­nsabkommen nicht mit allzu vielen politische­n Erwartunge­n zu überfracht­en: "Aus wirtschaft­licher Sicht ist das CAI eine wichtige Vereinbaru­ng, die sich auszahlt. Trotzdem ist es unwahrsche­inlich, dass sie im Europäisch­en Parlament ratifizier­t wird, während China Sanktionen gegen Europaparl­amentarier aufrecht erhält, weil sie Chinas Verletzung von Menschenre­chten kritisiert haben."

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 ??  ?? Eitel Freude am 30.12.2020: President Xi und EU-Vertreter loben das neue Abkommen
Eitel Freude am 30.12.2020: President Xi und EU-Vertreter loben das neue Abkommen

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