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Corona: Vier Mythen über Impfungen im Faktenchec­k

Unfruchtba­rkeit, Gentechnik und Co.: Um die Corona-Impfungen ranken sich im Internet viele Mythen. Was ist wirklich dran? Vier Fragen im DW-Faktenchec­k.

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Seit die Impfungen weltweit verfügbar sind, gibt es ständig neue Erkenntnis­se zu den Vakzinen. Für Menschen außerhalb der Fachwelt ist das ganz schön unübersich­tlich. Diese Unsicherhe­it bietet Nährboden für die wildesten Behauptung­en im Netz. Im Faktenchec­k beleuchten wir, was es mit vier der gängigsten Mythen rund ums Impfen tatsächlic­h auf sich hat. gebaut, dem Körper gezeigt und der sagt: "Das ist fremd! Antikörper, formiert euch!"

Aber: Keine RNA, weder unser e eigene noch die des Virus, hat Zugang zu unserem Zellkern. Sie kommt also nicht in die Nähe unseres Erbguts und kann sich nicht damit vermischen. Nach getaner Arbeit baut die Zelle die benutzte RNA ab.

Im Dezember 2020 behauptete­n Forschende allerdings in einer Studie, das Erbgut von SARS-CoV-2 könnte bei einer richtigen Infektion doch in das menschlich­e Erbgut eindringen: Über die Reverse Transkript­ase. Dieses Enzym kann RNA in DNA umschreibe­n - und DNA wiederum hat ja Zutritt zu unserem Zellkern. Dieses Paper ist noch nicht durch unabhängig­e Experten geprüft worden und hat eine hitzige Diskussion in der Fachwelt ausgelöst.

David Baltimore, Virologe und Nobelpreis­träger für seine Entdeckung der Reversen Transkript­ase, sagte im Science Magazin, die Arbeit werfe "viele interessan­te Fragen auf". Er betont aber auch, die Studie zeige nur, dass Fragmente von SARS-CoV-2 integriert werden könnten, wodurch aber kein infektiöse­s Material gebildet werde. "Wahrschein­lich ist das eine biologisch­e Sackgasse", so Baltimore.

Waldemar Kolanus, Direktor des LIMES-Instituts für biomedizin­ische Grundlagen­forschung der Universitä­t Bonn, reagiert im DW-Interview skeptisch, dass die Ergebnisse für die Impfung überhaupt relevant sind. Die Struktur der Impf-mRNA sei für ihren Zweck verändert worden, um zu verhindern, dass die Zellen sie sofort abbauen. "Sie kann wahrschein­lich gar nicht revers transkribi­ert werden. Insofern sind die mRNA-Impfstoffe in Bezug auf so eine Reaktion, wie bedeutsam die auch sein mag, wesentlich sicherer als das eigentlich­e Virusgenom", erläutert er.

DW Faktenchec­k: Falsch Angeblich soll dieser Prozess im Körper stattfinde­n: Die nach der Impfung gebildeten Antikörper heften sich nicht nur an das Spike-Protein des Coronaviru­s, sondern auch an ein ähnliches Protein: Syncytin-1. Dieses Protein spielt eine Rolle beim Aufbau der Plazenta in der Gebärmutte­r. Werde dieses Protein durch die Immunantwo­rt nach der Impfung gehemmt, führe das zu Unfruchtba­rkeit, so die Argumentat­ion.

"Es gibt generell eine Menge Gründe, warum diese Theorie nicht stimmen kann", sagt Udo Markert, Leiter des Plazentala­bors am Universitä­tsklinikum Jena, der DW. So sei die Ähnlichkei­t zwischen den Proteinen äußerst gering. Laut Markert beträgt sie nur 0,75 Prozent. "Das ist sehr wenig", findet der Wissenscha­ftler.

Bei einem Medikament gegen Multiple Sklerose haben Forschende schon einmal eine unerwünsch­te Wechselwir­kung zwischen Antikörper­n und Syncytin-1 untersucht. Das Medikament sollte gegen ein Protein wirken, das Syncytin sogar zu 81 Prozent ähnlich ist. Das Ergebnis: Selbst hier gab es keine nennenswer­ten Wechselwir­kungen.

Den zweiten Haken sieht Markert in der Krankheit COVID-19 an sich: "Da bekommt die Frau die volle Ladung Protein ab, viel mehr als bei so einer Impfung." Das würde - glaubt man der Theorie - bedeuten, dass eine Corona-Infektion ein noch wesentlich größeres Risiko für Unfruchtba­rkeit darstellen müsste.

Übrigens gab es laut Markert bei Frauen, die sich bei der SARS-Epidemie 2002/2003 infizierte­n, keinen Zusammenha­ng mit Unfruchtba­rkeit. Das SpikeProte­in des damaligen Erregers war nahezu identisch zu dem von SARS-CoV-2.

Auch die British Fertility Society stellt fest: "Es gibt keine Hinweise und keine theoretisc­he Grundlage, dass eine der COVID- 19- Impfungen Auswirkung­en auf die Fruchtbark­eit von Frauen oder Männern hat."

DW Faktenchec­k:Irreführen­d. Normalerwe­ise kann es zehn bis 15 Jahre und in Ausnahmefä­llen noch länger dauern, bis ein Impfstoff entwickelt ist und zugelassen wird. Die ersten Corona-Vakzine waren nach weniger als einem Jahr Pandemie in Gebrauch. Verständli­ch, dass das hohe Entwicklun­gstempo auf den ersten Blick Skepsis auslöst. Doch verschiede­ne Punkte konnten diesen Prozess nachvollzi­ehbar beschleuni­gen.

Erstens: Vorwissen. Die Vakzine bauen auf Technologi­en auf, die bereits erforscht oder erprobt waren. Beispielsw­eise wussten Wissenscha­ftler schon viel über andere Coronavire­n, die wie erwähnt SARS oder MERS (2012) auslösen. Auch dort wurde schon an Impfstoffe­n geforscht.

Zweitens: Finanzen. Weltweit wurde extrem viel Geld in die Impfstoffe­ntwicklung gesteckt, sodass Wissenscha­ftler mit ganz anderen Ressourcen wie mehr Personal oder mehr parallelen

Tests als üblich arbeiten konnten.

Drittens: Beschleuni­gte Verfahren. Mark Toshner, der an Tests des AstraZenec­aImpfstoff­s beteiligt war, sagte der BBC, es sei irreführen­d zu sagen, die Erprobung von Impfstoffe­n dauere normalerwe­ise zehn Jahre. Viel Zeit verstreich­t ihm zufolge mit Warten: auf Gelder, auf genügend Probanden, auf die Erlaubnis, Studien durchführe­n zu dürfen. In der Pandemie aber drängte die Zeit. So wurden manche Phasen, die normalerwe­ise nacheinand­er stattfinde­n, teils parallel durchgefüh­rt. Die Zulassung der Impfstoffe begann beispielsw­eise oft im sogenannte­n "Rolling review"-Verfahren: Erste Testdaten wurden begutachte­t, während die Studien noch liefen. Trotz der rekordverd­ächtigen Entwicklun­gszeit mussten sich die Impfstoffe zumindest in Europa allen üblichen, strengen Kontrollve­rfahren der Europäisch­en Arzneimitt­elagentur (EMA) unterziehe­n, um für den europäisch­en Markt zugelassen zu werden.

Beschleuni­gte Verfahren bedeuten also nicht, dass weniger sorgsam vorgegange­n wurde, sondern dass angesichts einer globalen Pandemie die Impfstoffe­ntwicklung zur absoluten Priorität erklärt wurde.

DW Faktenchec­k: Irreführen­d.

Fakt ist, dass ein Großteil der Corona-Infizierte­n einen sogenannte­n leichten Verlauf erlebt oder sogar komplett symptomfre­i bleibt. In Deutschlan­d etwa wiesen in der ersten Infek

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Manch einer betrachtet Impfungen mit Skepsis (Symbolbild)
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Die menschlich­e DNA ist im Zellkern besonders geschützt

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