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Meinung: Super League - mehr als nur ein Sturm im Wasserglas
Nach dem kurzen, aber heftigen Trubel um die Super League werden sich viele Parteien die Hände reiben, meint Stefan Nestler - selbst die Klubs, die den Aufruhr angezettelt haben.
Es wirkt wie ein abgekartetes Spiel. Nur zwei Tage, nachdem zwölf europäische Topvereine mit der Ankündigung einer eigenen Super League den Aufstand gegen die UEFA geprobt haben, macht die Hälfte von ihnen einen Rückzieher. Die Begründungen der sechs englischen Topvereine für die Rolle rückwärts - die später auch Atletico Madrid vollzog - muss man sich teilweise auf der Zunge zergehen lassen. "Es war niemals unsere Absicht, so einen Ärger zu verursachen", entschuldigt sich etwa der FC Arsenal. Und der FC Chelsea hatte nach eigenen Worten erst "jetzt die Zeit, um die Angelegenheit vollumfänglich zu überdenken".
Sorry, aber das ist schlichtweg gelogen. So naiv können die Verantwortlichen der Topklubs einfach nicht gewesen sein. Ihnen musste klar sein, dass ihr geplantes Ausscheren aus dem UEFA-Verbund ein Erdbeben im europäischen Fußball auslösen würde. Der Aufschrei kam umgehend, die Reaktionen überboten sich in der Heftigkeit gegenseitig. UEFA-Präsident Aleksander Ceferin drohte den Super-LeagueGründern mit dem Rauswurf aus der Champions League, die Spieler der beteiligten Klubs aus England, Spanien und Italien sollten nicht bei der Europameisterschaft im Sommer antreten dürfen. Selbst die Europäische Union, der britische Premierminister Boris Johnson und der französische Präsident Emmanuel Macron verurteilten die Pläne des "dreckigen Dutzends", wie die britische Presse die zwölf Vereine taufte.
Money makes the ball go around
Der Affront gegen den traditionellen Fußball hätte größer kaum sein können. 15 der geplanten 20 Super-LeagueMitglieder sollten ein Dauerticket und damit die garantierten Milliarden-Einnahmen fix haben, nur die restlichen fünf Qualifikanten sollten auch absteigen können. Das alles finanziert von der US-Großbank JP Morgan, ohne sich um FIFA, UEFA und nationale Verbände kümmern zu müssen, von Fans ganz zu schweigen. Oder um es mit einem leicht abgewandelten Welthit von Liza Minelli zu sagen: "Only money makes the ball go round" (Nur Geld lässt den Ball rollen).
Letzteres ist nun wirklich nicht neu, aber die Super League hätte die Entwicklung auf die Spitze getrieben. Im Vergleich dazu erschien die ChampionsLeague-Reform, die inmitten der großen Aufregung der vergangenen beiden Tage von der UEFA-Exekutive durchgewunken wurde, wie ein "Reförmchen", das kaum der Rede wert ist. Dabei war die Aufstockung der europäischen Eliteliga ab 2024 von 32 auf 36 Mannschaften durchaus umstritten. So werden künftig zwei Tickets an Klubs vergeben, die sich sportlich gar nicht für den Wettbewerb qualifiziert haben, die aber in den vergangenen fünf Jahren im Europapokal überdurchschnittlich abgeschnitten haben, mit anderen Worten an schwächelnde Topklubs. Mit echtem sportlichem Wettbewerb hat das nichts zu tun. Auch die "neue" Champions League verfolgt primär nur das eine Ziel: den Profit zu maximieren.
Fast nur Gewinner
Und so haben am Ende dieser turbulenten beiden Tage - mit Ausnahme der Fans - eigentlich alle Parteien gewonnen. Die UEFA durfte sich als Verfechter des traditionellen Fußballs präsentieren, den sie doch eigentlich seit Jahren mit Füßen tritt. En passant konnte sie zudem ihre umstrittene Reform verabschieden, was im allgemeinen Getöse fast unterging. Jene Vereine, die für die Super League eingeplant waren, sich aber nicht an der Revolte beteiligten - wie der FC Bayern, Borussia Dortmund oder Paris St. Germain - konnten Prestigegewinne verbuchen. Plötzlich wurden sie für ihre Bescheidenheit gelobt, obwohl es doch auch ihnen in erster Linie ums Geld geht. Und die Aufrührer? Sie werden den Gesichtsverlust, am Ende doch eingeknickt zu sein, verkraften. Spätestens wenn sie 2025 nach der ersten Champions-LeagueSaison im neuen Format Kassensturz machen.