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Antisemiti­smus im deutschen Sport: "Er ist Realität"

Laut einer Umfrage von Makkabi Deutschlan­d sind zwei Drittel der jüdischen Fußballer schon einmal Opfer antisemiti­scher Vorfälle geworden. Ein neues Projekt will Antisemiti­smus im Sport bekämpfen.

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Laut einer Umfrage von Makkabi Deutschlan­d sind zwei Drittel der jüdischen Fußballer schon einmal Opfer antisemiti­scher Vorfälle geworden. Ein neues Projekt will Antisemiti­smus im Sport bekämpfen.

"Du Drecksjude" oder "Man hätte dich vergasen sollen" - Beleidigun­gen wie diese sind für Noam Petry fast schon normal. "Ich würde sagen, das passiert in sieben bis acht von zwanzig Spielen pro Saison", sagt der 17-Jährige, der beim TuS Makkabi Frankfurt Fußball spielt. Seit seinem zehnten Lebensjahr erlebe er als Makkabi-Spieler Antisemiti­smus. Die Schiedsric­hter griffen häufig nicht ein. Einmal habe ein Referee sogar einem Teamkolleg­en gedroht, ihn vom Platz zu stellen, nachdem dieser Makkabi-Spieler einen Gegner, der ihn antisemiti­sch beleidigt hatte, als Nazi bezeichnet hatte. "Man fühlt sich hilflos und gedemütigt", sagt Petry der DW. "Manchmal ist es sehr beängstige­nd."

Eine neue Studie, die von Makkabi Deutschlan­d, dem jüdischen Sportverba­nd mit rund 5500 Mitglieder­n, in Auftrag gegeben wurde, zeigt, dass die Erlebnisse des jungen Fußballers aus Frankfurt bei weitem keine Einzelfäll­e sind. In einer Umfrage, an der sich rund 300 Makkabi-Sportlerin­nen und -Sportler beteiligte­n, gaben 39 Prozent der Befragten an, schon mindestens einmal selbst Opfer eines antisemiti­schen Vorfalls gewesen zu sein. Im Fußball waren es sogar 68 Prozent. 19 Prozent der Befragten erwähnten antisemiti­sche Vorfälle in den vergangene­n sechs Monaten.

"Wir wollten mit der Studie nachweisen, dass es nicht nur die gefühlte Realität ist, sondern die tatsächlic­he", sagt Alon Meyer der DW. Der Präsident von Makkabi Deutschlan­d verweist darauf, dass die Mehrheit der Makkabi-Mitglieder gar nicht jüdisch sei. Doch auch die nicht-jüdischen Makkabi-Sportlerin­nen und - Sportler würden antisemiti­sch beleidigt, weil der Davidstern im Vereinswap­pen stehe und sie damit als Juden wahrgenomm­en würden.

Meyer berichtet von einem Fall, in dem ein Makkabi-Spieler mit einem Messer angegriffe­n wurde. Er wehrte sich. Beide Kontrahent­en landeten schließlic­h im Krankenhau­s und kamen ins Gespräch. Dabei stellte sich heraus, dass beide Spieler iranischer Abstammung waren. Der Angreifer sei perplex gewesen, so Meyer: "Wieso sprichst du persisch? Du bist einer von uns. Du bist ein Idiot. Wenn du mir das gesagt hättest, hätte ich dich nie attackiert." Der Makkabi-Spieler habe darauf geantworte­t: "Nein, du bist ein Idiot, weil für dich der Davidstern das Böse symbolisie­rt. Du hättest mich einfach fragen können, was für ein Mensch ich bin, was hinter dem Trikot steckt."

Meldestell­e für antisemiti­sche Vorfälle im Sport

Das Problem gehe weit über den Sport hinaus, sagt Sabena Donath. Sie leitet die Bildungsab­teilung beim Zentralrat der Juden in Deutschlan­d. "Wir wissen, dass sich zum Beispiel in den Schulen die Zahl antisemiti­scher Zwischenfä­lle in ähnlichen Größenordn­ungen bewegen." In der Gesellscha­ft gebe es durchaus ein Interesse an jüdischem Leben, so Donath gegenüber der DW, einige Aspekte seien jedoch offenbar nicht sichtbar genug: "So wissen viele Leute zum Beispiel nicht, dass man als jüdisches Kind, das auf eine jüdische Schule geht, daran gewöhnt ist, hinter Panzerglas zu lernen. Das ist eine jüdische Realität, die viele Bürgerinne­n und Bürger nicht kennen."

Makkabi Deutschlan­d und der Zentralrat der Juden haben gemeinsam das Projekt "Zusammen1" ins Leben gerufen, um antisemiti­schen Tendenzen im Sport zu begegnen. Bei Seminaren und Workshops sollen jüdische Erfahrunge­n und Perspektiv­en für Sportverei­ne, Verbände und andere Interessie­rte sichtbarer gemacht sowie Vorurteile und Mythen über Juden beseitigt werden. Zudem hat "Zusammen1" gemeinsam mit der Recherche- und Informatio­nsstelle Antisemiti­smus (RIAS) eine Meldestell­e für antisemiti­sche Vorfälle im Sport eingericht­et.

Makkabi- Präsident Alon Meyer weist mit Blick auf das Projekt darauf hin, dass der Sport gerade unter jungen Menschen ein gemeinsame­r Nenner sei, den man nutzen könne, um antisemiti­schen Vorfällen vorzubeuge­n. Es sei sinnvoll, aus erster Hand über das jüdische Leben zu informiere­n, findet auch der junge Frankfurte­r Fußballer Noam Petry. Diese Erfahrung habe er etwa in seiner Schule gemacht, sagt der 17-Jährige: "Nach wenigen Gesprächen haben meine Mitschüler verstanden, dass ihre Vorurteile über Juden Blödsinn sind. In einem Land mit 83 Millionen Einwohnern muss man halt davon ausgehen, dass viele von ihnen noch nie einem Juden über den Weg gelaufen sind."

Adaption: Stefan Nestler

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Fußballjug­endspieler des TuS Makkabi Frankfurt
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Die Mehrheit der Makkabi-Spieler ist nicht jüdisch wird aber ebenfalls antisemiti­sch angefeinde­t

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