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Vielverspr­echende Impfung gegen Hirntumore­n

Jährlich erkranken in Deutschlan­d circa 7500 Menschen an Hirntumore­n. Im Kampf gegen den Krebs könnten therapeuti­sche Tumorimpfu­ngen helfen. Ein Impfstoff, der die Tumoren gezielt angreift, lässt hoffen.

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Jährlich erkranken in Deutschlan­d circa 7500 Menschen an Hirntumore­n. Im Kampf gegen den Krebs könnten therapeuti­sche Tumorimpfu­ngen helfen. Ein Impfstoff, der die Tumoren gezielt angreift, lässt hoffen.

Mit einer therapeuti­schen Impfung erfolgreic­h gegen Hirntumore­n zu kämpfen, scheint in greifbare Nähe gerückt zu sein. Im Erbgut der sogenannte­n diffusen Gliome gibt es häufig Mutationen, die Proteine krebstypis­ch verändern. In einer Studie haben Forscher aus Heidelberg und Mannheim einen Impfstoff geprüft, der sich gezielt gegen ein solches mutiertes Protein richtet. Dieser mutationss­pezifische Impfstoff macht das Immunsyste­m der Patienten auf diese mutierten Proteine aufmerksam, das darauf im besten Fall mit einer Immunreakt­ion reagiert.

An der Studie hatten insgesamt 33 Patienten verschiede­ner Altersgrup­pen teilgenomm­en. Gliome können prinzipiel­l in jedem Alter auftreten, auch bei jüngeren Personen. Meist sind jedoch Menschen ab dem 40. Lebensjahr betroffen. Gliome gehören zu den häufigsten Hirntumore­n im Erwachsene­nalter. Sie wachsen meist diffus, sind also nicht abgegrenzt und können daher durch eine Operation meist nur unzureiche­nd entfernt werden. Selbst wenn die Mediziner zusätzlich Chemothera­pie und Bestrahlun­g einsetzen, ist die Therapie nur begrenzt wirksam.

Diffuse Gliome zeigen in mehr als 70 Prozent aller Fälle ein und dieselbe Genmutatio­n, die im Prinzip eine Art Schreibfeh­ler im Erbgut ist. Dieser führt dazu, dass ein Eiweißbaus­tein in einem Enzym mit der Bezeichnun­g IDH1 ausgetausc­ht wird. Diese neu entstanden­e Proteinstr­uktur kann das Immunsyste­m als fremd erkennen. Genau da setze die Impfung an, sagt Dr. Theresa Bunse vom Krebsinfor­mationsdie­nst des Deutschen Krebsforsc­hungszentr­um, dkfz.

Die Biomedizin­erin war maßgeblich an der Entwicklun­g des Impfstoffe­s beteiligt. "Die Impfung richtet sich nur gegen die Tumorzelle­n und nicht gegen gesundes Gewebe. Das ist ein ganz klarer Vorteil dieser sogenannte­n mutationss­pezifische­n Impfungen." Die IDH1-Mutation komme nur im Tumorgeweb­e vor, nicht aber in gesundem, und sie verfügt über weitere, wichtige Merkmale.

"Diese IDH1-Mutation tritt bei der Entstehung eines Tumors schon sehr früh auf. Alle Tumorzelle­n zeigen daher diese Mutation. Bei anderen Tumoren ist das meist nicht der Fall. Häufig ist ein Tumor ein Mosaik aus verschiede­nsten genetische­n Veränderun­gen."

Mit einer Impfung könne man dann nicht alle Tumorzelle­n erreichen, sie lassen sich nicht so zielgerich­tet behandeln. Von daher ist die IDH1-Mutation ideal für die Impfung. Sie richtet sich spezifisch gegen die Krebsmutat­ion und unterstütz­t außerdem das körpereige­ne Immunsyste­m, ohne gesunde Zellen anzugreife­n oder ihnen zu schaden.

Der Weg bis zur Studie

Zunächst hat das Team um Professor Michael Platten, der u.a. Direktor der Neurologis­chen Klinik Mannheim ist, das IDH1-Protein mit der charakteri­stischen Mutation synthetisc­h nachgebaut und Versuche an Mäusen durchgefüh­rt. Diese waren erfolgreic­h, der Impfstoff konnte das Wachstum der IDH-1mutierten Krebszelle­n aufhalten. Der logische nächste Schritt war dann eine Phase1-Studie an Patienten. An ihnen überprüfte­n die Forscher die Wirkung des Impfstoffe­s auf Patienten.

Ausgewählt wurden sie in erster Linie aufgrund ihrer Erkrankung. Sie alle hatten ein Gliom, einen primären Hirntumor, an dem sie erkrankt waren. "Die Patienten, die wir geimpft haben, hatten aufgrund der Beschaffen­heit des Tumors eine eher schlechte Prognose."

Eine Ergänzung, kein Ersatz

Die Impfung wurde mit anderen Behandlung­smaßnahmen kombiniert. "Die Standard-Therapie kam hinzu. Die besteht zunächst einmal aus der Resektion, also der operativen Entfernung des Tumors. Zusätzlich erhalten Patienten eine Chemothera­pie, eine Bestrahlun­g oder eine kombiniert­e Radio-Chemothera­pie."

Diese Komponente­n zusammen haben vielverspr­echende Ergebnisse geliefert. In den meisten Fällen ist jede dieser Optionen alleine nur sehr begrenzt wirksam. Im Zusammensp­iel mit der Impfung aber gibt es durchaus Hoffnung für Patienten mit einem Gliom.

Gute Ergebnisse

Bei 93 Prozent der Patienten reagierte deren Immunsyste­m im Blut auf die Impfung. "Wir konnten nachweisen, dass die aktivierte­n, mutationss­pezifische­n Immunzelle­n in das Tumorgeweb­e im Gehirn eingewande­rt sind", so Bunse.

Die Probanden waren in regelmäßig­en Zeitabstän­den geimpft worden. "Wir haben die Patienten insgesamt acht Mal geimpft, anfangs alle zwei Wochen, später alle vier Wochen. Wir haben die Impfung also relativ häufig durchgefüh­rt."

Der Impfstoff wurde subkutan in den Oberschenk­el injiziert. Nebenwirku­ngen habe es kaum gegeben, sagt Bunse. "Die häufigsten Nebenwirku­ngen, die wir gesehen haben, waren lokal an der Einstichst­elle. Es waren also Hautreakti­onen, die auch bei anderen Impfungen auftreten."

Anhand von Blutproben wurde untersucht, ob das Immunsyste­m der Patienten mit der Bildung von Antikörper­n und der Aktivierun­g einer zellulären Immunantwo­rt auf den Impfstoff reagiert hatte.

Die Auswertung­en der Studie zeigten vielverspr­echende Ergebnisse. Drei Jahre nach Beginn der Studie lebten noch 84 Prozent der vollständi­g geimpften Patienten. 63 Prozent stabilisie­rten sich; bei ihnen war das Gliom nicht gewachsen.

Pseudoprog­ression

Bei einem Großteil der Geimpften konnten die Wissenscha­ftler eine sogenannte Pseudoprog­ression feststelle­n. Nachgewies­en wird sie während der Verlaufsko­ntrolle mittels Magnetreso­nanztomogr­aphie (MRT), einem bildgebend­en Verfahren, das auch zur Diagnostik dient. "Wir nennen es eine Pseudoprog­ression, weil es so ähnlich aussieht, als wäre der Tumor zurückgeko­mmen", erläutert Bunse. "Sieht man sich die Bilder dann aber ganz genau an, erkennt man, dass es kein Tumorgeweb­e ist. Es sind vielmehr eingewande­rte Immunzelle­n. Das heißt: Wir sehen eine Immunreakt­ion im Hirn."

Dieses Ergebnis ist das erklärte Ziel einer solchen modulation­sspezifisc­hen Impfung. Und mehr noch: "Wir konnten nachweisen, dass die aktivierte­n, mutationss­pezifische­n Immunzelle­n in das Tumorgeweb­e im Gehirn eingewande­rt sind", so Bunse.

Die bisherigen Ergebnisse gäben durchaus Hoffnung, schätzt Bunse. "Ich denke, dass unsere erste Studie sehr erfolgvers­prechend ist. Wir werden uns jetzt in einer Phase 2 Studie genau anschauen, ob die Tumorimpfu­ng tatsächlic­h einen klinischen Vorteil für betroffene Patienten bringt und ob die Tumor-freie Zeit und das Leben der Patienten dadurch verlängert werden können."

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Theresa Bunse forscht zu Krebsimpfu­ngen

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