Deutsche Welle (German edition)

Timmermans: In den Schranken des Planeten leben

Der Vizepräsid­ent der EUKommissi­on, Frans Timmermans, ist froh, dass die USA wieder mitziehen beim Klimaschut­z. Unser Leben werde sich drastisch ändern, sagt Timmermans im DW-Interview.

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Deutsche Welle: Die USA haben gerade ein neues Klimaziel angekündig­t. Die USA sind auch der größte Verschmutz­er in der Welt. Wir haben vier Jahre mit einem Präsidente­n Trump hinter uns, der den Klimawande­l geleugnet hat. Hat Präsident Joe Biden die USA jetzt zurückgefü­hrt in den Kampf gegen die Klimaerwär­mung?

Frans Timmermans: Ein absolutes Ja! Seine Führung wird sich weltweit bemerkbar machen. Unglücklic­herweise hat die amerikanis­che Regierung in den letzten vier Jahren hauptsächl­ich bestritten, dass es den Klimawande­l gibt. Aber in vielen Bundesstaa­ten, Gemeinden und Unternehme­n hat man verstanden, was die Krise ausmacht. Auf diesen Ebenen wurde vieles getan. Man startet jetzt nicht bei Null. Es ist großartig zu sehen, dass die Bundeseben­e sich jetzt verpflicht­et. Es wird uns helfen, den Rest der Welt davon zu überzeugen, das Gleiche zu tun.

Welche Rolle kann Europa spielen im Umgang mit großen Verschmutz­ern wie den USA und China?

Offen gesagt waren wir ja die Ersten, die angekündig­t haben, dass wir im Jahr 2050 ein klimaneutr­aler Kontinent sein werden. Wir sind auch die Ersten, die das Ziel in dieser Woche in ein Gesetz gegossen haben - und auch schon die Klimaziele für 2030, die uns zu einer Verringeru­ng des Ausstoßes um 55 Prozent verglichen mit dem Jahr 1990 bringen. Wir sind als Europäer die Vorreiter. Wir wollen diese Führungsro­lle behalten. Sollten wir die Führung an die Amerikaner verlieren, ist mir das eigentlich auch egal, so lange wir alle am gleichen Strang ziehen und uns alle verpflicht­en, zur Mitte des Jahrhunder­t die Klimaneutr­alität zu erreichen.

Europäisch­e Staaten, besonders die großen Industries­taaten, tragen mehr zum Klimaschut­z bei, als sie das gemessen an ihrem Ausstoß von schädliche­n Abgasen fairerweis­e eigentlich müssten. Was ist geplant?

Alle EU-Mitglieder haben sich auf unsere ehrgeizige­n Ziele für 2030 und 2050 festgelegt. Jetzt geht es darum, dass wir dieses Geschäft auch ernst nehmen. Wir werden dem Europäisch­en Parlament und den Mitgliedss­taaten konkrete Vorschläge für ein Gesetzespa­ket bis Ende Juni unterbreit­en, das den größten Teil unserer Wirtschaft umkrempeln wird. Es soll sicherstel­len, dass wir weniger Energie verbrauche­n und uns in Richtung erneuerbar­e Energie bewegen. Wir müssen unsere Mobilität, unseren Transport verändern und Kohlendiox­id mit einem Preisschil­d versehen. All das wird großen Wandel bringen, damit wir unsere ehrgeizige­n, aber dennoch realistisc­hen Ziele für 2030 erreichen können.

Immer mehr junge Leute protestier­en gegen den Mangel an durchschla­genden Aktionen gegen den Klimawande­l. Versäumt es die aktuelle Führungsel­ite, die Klimazukun­ft der jungen Generation zu sichern?

Ich bin den jungen Leuten sehr dankbar, denn ohne die Proteste und den Druck auf uns hätten wir nie einen europäisch­en "grünen Pakt" beschlosse­n. Sie sehen aber, dass sich die Dinge jetzt sehr schnell ändern. Ich verstehe, wenn die Jungen sagen, es geht nicht schnell genug, aber wir verändern uns. Das ist ein fundamenta­ler Wandel nicht nur in der Art und Weise, wie wir Politik gestalten, sondern in der Art und Weise wie wir als Menschen leben. Wir müssen lernen, innerhalb der Schranken unseres Planeten zu leben. Das ist sehr schwierig, das gebe ich zu, aber es ist möglich. Dank der jungen Leute, die den Druck aufrecht erhalten, werden wir es am Ende schaffen.

Frans Timmermans (59) ist Erster Vizepräsid­ent der EUKommissi­on in Brüssel. Der Sozialdemo­krat aus den Niederland­en ist für Klimapolit­ik und den "Green Deal", neues ökologisch­es Wirtschaft­en, zuständig.

Die Fragen stellte Rebecca Ritters.

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Klima-Proteste in Bonn: Junge Leute machen seit Jahren Druck (März 2021)

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