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Russland kündigt Truppenabzug an - was heißt das für die Ukraine?
Russland will seine Truppen angeblich von der ukrainischen Grenze abziehen. Mit der gegenwärtigen Aufstellung wäre Russland schnell zu einer Militäroffensive in der Lage, glauben Beobachter. Welche Ziele verfolgt Moskau?
Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu hat den Abzug der Truppen von den Grenzen zur Ukraine angekündigt. Bei einem Besuch auf der Krim sagte er, dass die Ziele der Militärmanöver erreicht seien und die Truppen schon am Freitag mit ihrem Abzug beginnen würden. Allerdings bleibt vorerst unklar, ob alle neu verlegten Soldaten und Waffen die Gebiete nahe der Ukraine verlassen und die neuen Militärlager abgebaut werden. Einige Waffensysteme sollen bis zum Manöver "West 2021" mit Belarus im Herbst auf dem Stützpunkt nahe Woronesch bleiben, so Schoigu.
Aufgrund des russischen Truppenaufmarschs an der Grenze zur Ukraine und auf der von Russland annektierten ukrainischen Halbinsel Krim hatten zahlreiche Beobachter vermutet, dass Russland eine Offensive vorbereitet.
Experten der International Crisis Group (ICG), einer in Brüssel ansässigen Denkfabrik, schrieben allerdings in einem am 20. April veröffentlichten Bericht: "Trotz der russischen Panzer, die an die Grenze gebracht werden, scheint die Wahrscheinlichkeit gering zu sein, dass sich die blutigen Kämpfe, die den Donbass in den Jahren 2014 und 2015 erschütterten, bald wiederholen." Die Anzahl und Positionierung der Truppen biete zwar Anlass zur Sorge, passe aber nicht zu einer Vorlage für eine Offensive.
Die ICG erinnerte daran, dass Beobachter lange Zeit geglaubt hatten, Moskau sei mit dem Status quo in der Ukraine zufrieden. Denn die Minsker
Abkommen, die Anfang 2015 die blutigen Kämpfe beendeten und die ausgehandelt wurden, als Kiew einem starken Druck des russischen Militärs ausgesetzt war, seien für die "Stellvertreter" Russlands im Donbass von Vorteil. "Doch die jüngsten Truppenbewegungen und die Rhetorik Russlands deuten darauf hin, dass es möglicherweise zunehmend frustriert ist und möglicherweise versucht, die Ukraine zu Zugeständnissen zu zwingen", so die ICG.
Zunächst hieß es aus Kiew, an der Grenze zur Ukraine und auf der Krim stünden mehr als 80.000 Soldaten, und am 14. April erklärte der ukrainische Verteidigungsminister Andrij Taran, es könnten bald 110.000 sein.
Am selben Tag sagte die USVertreterin bei der OSZE, Russland habe zusätzlich zu den bereits vorhandenen Streitkräften 15.000 bis 25.000 Soldaten an die Grenze zur Ukraine und auf die Krim verlegt. Diese Woche berichtete das Wall Street Journal (WSJ), die US-Regierung gehe von 80.000 russische Soldaten aus. Das seien inzwischen "etwa doppelt so viele wie noch vor vier Wochen". Die Europäische Union geht von 100.000 russischen Soldaten aus.
Die ukrainischen Streitkräfte verfügten nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Kiew im Februar dieses Jahres über 195.000 Soldaten, von denen 40.000 am Einsatz im Donbass beteiligt waren. Am 21. April unterzeichnete der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ein Gesetz, das eine ra