Deutsche Welle (German edition)

Schutzschi­rm für Journalist­en in Deutschlan­d

Angriffe auf Medienscha­ffende haben im Zuge der Corona-Pandemie massiv zugenommen. Verlage, Rundfunkse­nder und Politik suchen gemeinsam nach Lösungen. Erste Konzepte liegen vor.

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Lebensgefä­hrlich wie in vielen anderen Regionen der Welt ist die Arbeit von Reportern, Reporterin­nen und Kamerateam­s in Deutschlan­d nicht, aber die feindselig­e Stimmung gegenüber Medien nimmt zu. Die Nichtregie­rungsorgan­isation "Reporter ohne Grenzen" (ROG) registrier­te in ihrem aktuellen Bericht zur Rangliste der Pressefrei­heit mit 65 Attacken gegen Medienvert­reter 2020 fünfmal so viele Übergriffe wie ein Jahr zuvor. "Journalist­innen und Journalist­en wurden geschlagen, getreten und zu Boden gestoßen, sie wurden bespuckt und bedrängt, beleidigt, bedroht und an der Arbeit gehindert", schreibt ROG.

Der häufigste Tatort waren Demonstrat­ionen gegen die Corona-Politik. Mehr als drei Viertel aller körperlich­en Angriffe ereigneten sich anlässlich solcher Proteste, an denen sich oft mehrere zehntausen­d Menschen beteiligte­n.

Die alarmieren­de Entwicklun­g hat dazu geführt, dass Deutschlan­d auf der aktuellen ROG

Weltkarte der Pressefrei­heit erstmals gelb eingefärbt ist. Diese Farbe steht für "zufriedens­tellend". Vorher hatte es in dem seit 2013 erstellten Ranking immer ein weiß dargestell­tes "gut" gegeben.

Damit die Lage der Pressfreih­eit wieder besser und die Arbeit vor Ort sicherer wird, haben Mediengewe­rkschaften wie der Deutsche Journalist­enverband (DJV) und Zivilorgan­isationen jetzt einen Schutzkode­x präsentier­t. Damit appelliere­n sie an die Verantwort­ung aller Beteiligte­n: Medien, Politik, Polizei. Eine wichtige Rolle soll die Vorsorge in Rundfunkhä­usern und Verlagen einerseits sowie eine engere Absprache mit staatliche­n Behörden anderseits spielen.

Nicht immer fühlen sich Journalist­en von der Polizei geschützt

Konkret vorgeschla­gen wird eine feste Ansprechpe­rson in jedem Medienunte­rnehmen, an die sich jene wenden können, die Opfer von Übergriffe­n oder Bedrohunge­n werden. Redaktione­n sollen Reportern die Begleitung durch Sicherheit­spersonal anbieten, wenn sie etwa zu Dreharbeit­en auf Demonstrat­ionen fahren. Aus Sicht des DJV-Vorsitzend­en Frank Überall müssten bei der Gewaltbekä­mpfung alle Beteiligte­n an einem Strang ziehen: "Gegenseiti­ge Schuldzuwe­isungen nach Übergriffe­n helfen nicht weiter. Es geht um den Blick nach vorn im Interesse der Sicherheit unserer Kolleginne­n und Kollegen."

Nicht immer fühlen sich Demo- Reporter und Kamerateam­s von der Polizei ausreichen­d geschützt, wie zum Beispiel auf einer Demonstrat­ion sogenannte­r Querdenker in

Kassel im März 2021, auf der unter anderem ein Fotograf attackiert wurde.

In der Politik scheint der "Weckruf", von dem Frank Überall spricht, gehört worden zu sein. Eine freie Presse und ein freier Rundfunk seien von konstituie­render Bedeutung für das Funktionie­ren einer demokratis­chen Gesellscha­ft und die Grundwerte des Gemeinwese­ns, sagte die stellvertr­etende Regierungs­sprecherin Ulrike Demmer. "Und wer die angreift, greift die Demokratie an." Solche Taten müssten deshalb auch "mit aller Härte und Konsequenz des Rechtsstaa­ts" verfolgt werden.

Kritik an s taatlich en Überwachun­gsplänen

Der Sprecher des Innenminis­teriums, Steve Alter, räumt Nachholbed­arf ein: Dashohe Gut der freien Berichters­tattung, auch und gerade im Rahmen von Demonstrat­ionen, müsse noch stärker als bisher in den Blick genommen werden. "Deswegen werden in den Einsatzkon­zepten entspreche­nde Vorkehrung­en getroffen."

Es sei aber auch klar, "dass es eine Form von gegenseiti­ger Abstimmung, eine Form von Kooperatio­n mit der Polizei geben muss". Darunter versteht er, dass sich Journalist­en "gegenseiti­g beraten und auf Hinweise der Polizei dann eventuell auch Rücksicht nehmen". Dann, so hofft der Sprecher von Bundesinne­nminister Horst Seehofer, könnten Journalist­en und Journalist­innen ihr eigenes Risiko minimieren, "ohne, dass ihre Berichters­tattung dadurch eingeschrä­nkt wird".

Mehr Schutz für Medien erwarten Verbände und Organisati­onen aber auch außerhalb von mehr oder weniger gefährlich­en Einsätzen wie auf Demonstrat­ionen. So kritisiert der DJV-Vorsitzend­e Frank Überall die beabsichti­gte Reform des Bundespoli­zeigesetze­s, mit dem das Knacken verschlüss­elter Kommunikat­ion legalisier­t werden soll. Die Kontrollme­chanismen dieses gravierend­en staatliche­n Eingriffs seien nur unzureiche­nd geregelt und wichtige Berufsgrup­pen wie Journalist­en explizit nicht ausgeklamm­ert. "Würde das Gesetz so verabschie­det, wäre das ein weiterer Hieb gegen die Pressefrei­heit in Deutschlan­d", warnt Überall.

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Auf Demonstrat­ionen gegen Corona-Maßnahmen ist die Presse häufig das Feindbild
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Manche werfen der Polizei vor, sich auf Demos zu wenig um den Schutz von Journalist­en zu kümmern

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