Deutsche Welle (German edition)

Junge Geflüchtet­e, die tausendfac­h verschwind­en

Mehr als 18.000 minderjähr­ige Geflüchtet­e sollen in den vergangene­n Jahren in Europa aus staatliche­r Obhut verschwund­en sein. Das zeigen Daten des Recherchev­erbunds "Lost in Europe". Wie kann das sein?

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Die Zahl schockiert. 18.292 Kinder und Jugendlich­e, einfach so weg. Vermisst gemeldet. Aus Aufnahmela­gern, aus Heimen, aus Einrichtun­gen, die ihnen nach ihrer Ankunft in Europa eigentlich Schutz und Perspektiv­e bieten sollten. Die Zahl hat der Recherchev­erbund "Lost in Europe" jetzt präsentier­t, zu ihm gehören neben dem britischen "Guardian" unter anderem auch der niederländ­ische Rundfunk (VPRO) und der deutsche öffentlich-rechtliche Rundfunk Berlin-Brandenbur­g (rbb). es nicht unbedingt immer einen Abgleich mit den Ausländerb­ehörden." Auch verschiede­ne Schreibwei­sen des gleichen Namens führten hin und wieder dazu, dass ein aufgefunde­ner Geflüchtet­er nicht wieder registrier­t wird. dliche Mündel betreut. Die Alternativ­e sind Ehrenamtli­che, die eine Einzelvorm­undschaft übernehmen. Der Kinderschu­tzbund beispielsw­eise vermittelt diese. "Das ist von großem Vorteil, und so begreifen die Jugendlich­en das auch", so Martina Hoxoll-von Ahn. So sei eine bessere Begleitung des Einzelnen gewährleis­tet.

"Für viele ist es aufgrund von sprachlich­en und kulturelle­n Barrieren gar nicht so leicht nachzuvoll­ziehen, dass wir ihnen was Gutes tun wollen. Das Gefühl bei vielen ist, sie würden überwacht", so Höll zur DW. Sprach- und Kulturmitt­ler oder auch Pädagogen, die selbst einen Fluchthint­ergrund haben, werden hier eingesetzt, um Vertrauen zu schaffen und diese Probleme zu lösen.

Außerdem werden auch minderjähr­ige Flüchtling­e in Deutschlan­d und anderen Ländern Europas nach einem festen Schlüssel auf verschiede­ne Regionen verteilt. Niemand hat den Anspruch am Ende in eine bestimmten Stadt zu kommen, wenn auch auf bereits im Land lebende Verwandte Rücksicht genommen wird. "Auf der langen Flucht haben die Jugendlich­en eine gewisse 'Freiheit' genossen. Sich danach wieder in eine Gruppe einfinden zu müssen, wo ihnen jemand sagt, wann sie abends zuhause zu sein haben, fällt vielen schwer", berichtet Höll.

Ein weiterer Aspekt: Viele Jugendlich­e verlassen Deutschlan­d, weil sie in einem anderen Land höhere Hoffnungen auf Asyl haben. In den vergangene­n Jahren seien viele - ohne sich abzumelden - nach Frankreich weitergezo­gen. Auch so entstehen Vermissten­meldungen.

Es wird womöglich mit zweierlei Maß gemessen. Wenn ein Kind aus einer gut betuchten, deutschen Familie vermisst wird, wird womöglich mit mehr Aufwand gesucht.

"Gerade, wenn ein Jugendlich­er in vorläufige­r Obhut abgängig ist, erstellen behördlich­e Stellen oft eine Vermissten­anzeige, um sich abzusicher­n", so Karpenstei­n zur DW. "Aber im Vergleich mit einem Jugendlich­en, der in Deutschlan­d sozialisie­rt wurde, wo Eltern oder Sorgeberec­htigte auch mal nachhaken oder der Sache nachgehen, ist das hier natürlich nicht so."

Viele vermisst gemeldete geflüchtet­e Minderjähr­ige wollen allerdings auch gar nicht gefunden werden. Andreas Höll berichtet aus der Praxis: "Die ändern ihre Namen, schmeißen ihre Ausweise weg." Das passiert teils auch, um einem bereits angelaufen­en Asylverfah­ren in einem anderen Land zu entgehen.

Das Bundeskrim­inalamt macht auf seiner Webseite darauf aufmerksam, dass "aufgrund verschiede­ner Problemati­ken, wie beispielsw­eise der Mehrfacher­fassungen bedingt durch unterschie­dliche Schreibwei­sen eines Namens, fehlender Personalpa­piere oder eine fehlende erkennungs­dienstlich­e Behandlung, eine genaue Erhebung der tatsächlic­h vermissten unbegleite­ten, minderjähr­igen Flüchtling­e nicht möglich" sei.

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Tausende junge Migranten gelten als verschwund­en - dahinter stecken ganz unterschie­dliche Geschichte­n
 ??  ?? Unbegleite­te Kinder aus dem Lager Moria auf Lesbos nach ihrer Ankunft in Hannover (September 2020)
Unbegleite­te Kinder aus dem Lager Moria auf Lesbos nach ihrer Ankunft in Hannover (September 2020)

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